Kein Urlaub beantragt, Ansprüche weg? Von wegen!
So lässt es das EU-Recht nicht zu, dass ein Arbeitnehmer die ihm zustehenden Urlaubstage automatisch schon allein deshalb verliert, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt hat. Dasselbe gilt für seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub.
Diese Ansprüche könnten nur "untergehen", wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zum Beispiel "durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen". Dies müsse der Arbeitgeber beweisen, da der Arbeitnehmer die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses darstellt.
Verzichtet der Arbeitnehmer freiwillig, muss der Arbeitgeber den Jahresurlaub nicht auszahlen
Schafft es der Arbeitgeber indes zu beweisen, dass der Arbeitnehmer "aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage" darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, steht das EU-Recht dem Verlust des Urlaubsanspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auch dem Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen.
Voraussetzung ist, dass der Beschäftigte zuvor "in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen". Denn: "Jede Auslegung der fraglichen Unionsvorschriften, die den Arbeitnehmer dazu veranlassen könnte, aus freien Stücken ... keinen
bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, um seine Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhöhen, wäre nämlich mit den durch die Schaffung des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub verfolgten Zielen unvereinbar." Diese bestünden unter anderem darin zu gewährleisten, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügt.
Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die vorstehenden Grundsätze unabhängig davon gelten, ob es sich um einen öffentlichen Arbeitgeber (wie das Land Berlin) oder einen privaten Arbeitgeber (wie die Max-Planck-Gesellschaft) handelt.
Die zwei Fälle (Rechtssachen C-619/16 und C-684/16)
Die zwei Fälle (Rechtssachen C-619/16 und C-684/16)