Männer erkranken anders
Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) werden psychische Erkrankungen bei Männern seltener diagnostiziert als bei Frauen. Nach aktuellen Daten erkrankten in Deutschland innerhalb eines Jahres knapp 5 Prozent der erwachsenen Männer an einer Depression. Bei Frauen liege der Wert im gleichen Zeitraum bei über 10 Prozent.
Körperlich statt seelisch
Gleichzeitig sei aber bei Männern eine deutlich höhere Rate für Suchterkrankungen sowie für (vollendeten) Suizid festzustellen. Prof. Anette Kersting, Leiterin des DGPPN-Fachreferats für geschlechterspezifische Fragen in der Psychiatrie: "Diese Daten legen nahe, dass psychische Erkrankungen bei Frauen spezifischer erfasst werden. Untersuchungen konnten nachweisen, dass die psychiatrisch-psychotherapeutische Diagnostik depressive Symptome bei Männern nicht erfasst."
Die erfragten depressiven Symptome wie Niedergeschlagenheit, Grübeln, Antriebslosigkeit und Rückzugstendenzen würden als eher weiblich gelten. Männer hingegen versuchten immer noch, ihre seelischen Probleme zu verstecken und schilderten häufiger körperliche Symptome, so Kersting.
Klinische Daten zur sogenannten "Männerdepression“ belegten, dass sich Depressionen bei Männern und Frauen unterschiedlich äußern: Neben den üblichen depressiven Symptomen würden bei Männern häufiger auch Gereiztheit, Irritabilität, Aggressivität, Wut oder antisoziales Verhalten auftreten - Verhaltensweisen, die als "typisch männliche“ Abwehrstrategien interpretiert werden.
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Alkohol statt Analyse
Depressive Symptome bei Männern könnten also durch geschlechtstypische Stresssymptome maskiert sein, mit der Folge, dass eine vorliegende Depression nicht diagnostiziert und nicht behandelt wird. "Aus der Forschung wissen wir, dass Männer und Frauen unterschiedlich mit emotionalem Stress und Problemen umgehen", so Kesting. Während Frauen sich eher mit ihren Gefühlen beschäftigten und ins Grübeln verfallen, verdrängten viele Männer Probleme und griffen zur Flasche.
"Dies ist vermutlich eine der Ursachen für die höhere Prävalenz von Suchterkrankungen bei Männern sowie von Depressionen und Angsterkrankungen bei Frauen. Grundsätzlich ist es jedoch ein Zusammenspiel von zahlreichen biologischen und psychosozialen Einflussfaktoren, welche die geschlechtsspezifischen Unterschiede der psychischen Gesundheit von Männern und Frauen beeinflussen“, so Kersting weiter.
Wahrnehmen statt ignorieren
Die Auseinandersetzung mit der psychischen Gesundheit von Männern muss aus Sicht der DGPPN in Prävention, Diagnostik und Versorgung eine stärkere Beachtung finden. DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth fordert deshalb: "Das Gesundheitswesen muss sich auf die spezifisch männlichen Aspekte der Psychopathologie und Psychodynamik psychischer Erkrankungen, aber auch auf die geschlechtsbedingten Prävalenzunterschiede psychischer Erkrankungen und der männlichen Besonderheiten in der diagnostischen Zuordnung einstellen."
Man müsse viel mehr die von Männern präferierten Zugangswege zu Hilfsangeboten und psychotherapeutischen Interventionen wie auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Verstoffwechslung von Psychopharmaka und die damit verbundenen Wirkungsunterschiede analysieren und daraus konkrete Handlungsmaßnahmen ableiten, so Hauth.