Mindestens 25.000 weniger neu abgeschlossene Ausbildungsverträge als 2019
zm-Aufruf an zahnärztliche Praxen
Das BiBB hat in seiner Studie die Ausbildungssituation in Zahnarztpraxen nicht erfasst. Wir sind aber sehr an einem Stimmungsbild bei Ihnen interessiert: Wie sieht es in Ihrer Praxis aus? Bilden Sie auch in Corona-Zeiten weiter aus? Wo klappt das gut? Wo hakt es und warum? Was befürchten Sie?
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Was zum Vorteil des dualen Systems zählt – nämlich die enge Kopplung der beruflichen Ausbildung an den Bedarf der Wirtschaft - kann laut BIBB im wirtschaftlichen Krisenfall dazu führen, dass weniger Jugendliche dual ausgebildet werden können. Die Konsequenzen, die Selbstständigen und Angestellten aufgrund eines fortschreitenden Lockdown drohen, können sich demnach auch auf (potenzielle) Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder der Handwerksordnung (HwO) überragen.
Die wichtigsten Ergebnisse
1. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sinkt voraussichtlich unter 500.000
Die in der Studie vorgestellten Szenarien-Analysen zeigen, dass im Jahr 2020 voraussichtlich weniger als 500.000 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen werden. Das sind mindestens 25.000 weniger als im Jahr 2019. Je mehr der - voraussichtlich besser qualifizierten - Jugendlichen ihr Ausbildungsinteresse zurücknehmen, desto weniger Ausbildungsverträge werden zustande kommen und desto eher werden Betriebe Probleme haben, ihre Lehrstellen zu besetzen.
Bei einem angenommenen Rückgang des Wirtschaftswachstums um sieben Prozent und einem gleichzeitigen Rückgang an Nachfragen könnte die Zahl der Neuabschlüsse unter Berücksichtigung von Schätzunsicherheiten auch auf bis zu 460.000 Verträge fallen. Bei einem Szenario mit Wirtschaftseinbruch im zweistelligen Prozentbereich könnte die Zahl der Neuabschlüsse aller Voraussicht nach unter 460.000 Verträgen liegen.
2. In Krisen suchen Jugendliche nach Ausbildungsalternativen
Die Entwicklungen aus bisherigen Krisenjahren (Ölkrise, Wiedervereinigung, 11.September oder Finanzkrise) zeigen laut BIBB, dass ein wirtschaftlicher Einbruch die Bereitstellung an betrieblichen Ausbildungsplätzen in der Regel verringert. Allerdings zeigt sich auch, dass Jugendliche die vergleichsweise schlechteren Ausbildungschancen vorwegnehmen und sich nach Alternativen zu einer dualen Ausbildung umschauen. Das betrifft vor allem Studienberechtigte.
3. Die Zahl der unvermittelten Ausbildungsplatzbewerber steigt an
Die Zahl der unvermittelten Bewerber für eine Berufsausbildung könnte bei einem unverminderten Ausbildungsinteresse und bis zu sieben Prozent Wachstumsverlust maximal 89.700 Jugendlichen betragen, das wären 16.000 mehr als im Jahr 2019. Ziehen die Jugendlichen ihr Ausbildungsinteresse antizipativ zurück, wäre die Zahl der unvermittelten Bewerber um rund 1.200 Personen geringer. Bei einem Wachstumseinbruch von 11,2 Prozent, könnte die Zahl der unvermittelten Bewerber aber auch auf bis zu 97.900 Personen ansteigen.
4. Jugendliche mit Hauptschulabschluss haben schlechtere Perspektiven als Studienberechtigte
Weiterführende Branchenanalysen zeigen laut der BIBB-Analyse, dass durch die Corona-Krise vor allem Ausbildungsplätze betroffen sind, die von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss ergriffen werden und weniger von Studienberechtigten. Dies weist darauf hin, dass die Zahl der unvermittelten Bewerber stärker ansteigen könnte als es sich durch die ökonometrischen Schätzungen ergibt, denn diese Jugendlichen haben weniger Optionen für alternative Ausbildungswege. Es ist deshalb laut Studie zu hinterfragen, wie die erfolgreiche Suche nach einer betrieblichen Berufsausbildung für Jugendliche ohne und mit Hauptschulabschluss unterstützt werden könnte.
5. Unterstützung für Betriebe in Branchen ohne Nachholeffekte
Um einen starken Rückgang der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zu verhindern, müssten Betriebe in besonders betroffenen Branchen unterstützt werden, für die keine Nachholeffekte in der „Post-Corona-Zeit“ erwartet werden. Das betrifft beispielsweise das Gastgewerbe oder die Sport-und Tourismusbranche.
6. Ausbildungsbemühungen von Betrieben in Krisenzeiten sollten honoriert werden
Bei finanziellen Soforthilfen sollten Ausbildungsbemühungen von Betrieben laut BiBB-Studie besonders honoriert werden, da sie zu einer notwendigen langfristigen Fachkräftesicherung beitragen. Insbesondere das erste Ausbildungsjahr sei von betrieblicher Seite mit hohen Aufwänden verbunden. Wenn Betriebe aber auch in der Krisenzeit ihr Ausbildungsengagement beibehalten und den Jugendlichen eine langfristige berufliche Perspektive verdeutlichen können, gelinge es auch eher, das Ausbildungsinteresse von Jugendlichen aufrechtzuerhalten.
Zur Studie
Die als Preprint erschienene BIBB-Studie „Auswirkungen der Corona-Krise auf die duale Berufsausbildung – Risiken, Konsequenzen und Handlungsnotwendigkeiten“ zeigt mögliche Szenarien zu Ausbildungsstellenangebot und -nachfrage zum Stichtag 30. September 2020. Neben den allgemeinen Prognosen zur Ausbildungsmarktentwicklung wird dargelegt, welche Ausbildungsberufe und welche Schulabgängergruppen durch die Corona-Krise besonders betroffen sind.
Während laut Studie für einige Branchen nach Überwindung des Lockdowns ein Aufholprozess unterstellt werden kann (Beispiel ein verschobener Autokauf), können andere Konsumarten (etwa Gastronomie- oder Fitnessstudiobesuche) nicht nachgeholt werden. Die Bruttowertschöpfung wird demnach in den jeweiligen Branchen unterschiedlich zurückgehen: So wird laut BIBB das verarbeitende Gewerbe mit -8,4 Prozent, Handel, Verkehr, Gastgewerbe mit -9,9 Prozent, sonstige Dienstleister mit -12,4 Prozent und Unternehmensdienstleister mit -6,9 Prozent am stärksten betroffen sein.
Betroffen sind laut BIBB-Studie rund 990.000 Betriebe beziehungsweise rund 46 Prozent aller Betriebe mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Diese Betriebe beschäftigten zum 31. Dezember 2020 rund 13,5 Millionen Personen sozialversicherungspflichtig. Dies sind rund 41 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Rund 17 Prozent der Betriebe in den besonders betroffenen Branchen sind Ausbildungsbetriebe. Sie bilden 38 Prozent aller Auszubildenden aus.
Die Ausbildung in Zahnarztpraxen wurde in der Studie nicht explizit untersucht.
Allianz für Aus- und Weiterbildung setzt sich für Übernahmeprämie für Auszubildende aus Insolvenzbetreiben ein
Am 26. Mai 2020 wurde eine gemeinsame Erklärung der Allianz für Aus- und Weiterbildung „Duale Ausbildung in der Corona-Krise verlässlich fortführen“ zwischen Bund, Ländern, Wirtschaft und Gewerkschaften verabschiedet. Darin verständigten sich die Allianzpartner darauf, dass Firmen, die Auszubildende aus Insolvenzbetrieben übernehmen, eine zeitlich befristete Übernahmeprämie erhalten. sollen Zudem sollen Betriebe zur Stabilisierung des Ausbildungsjahrs 2020/21 die Vorteile der Verbundausbildung, der Auftragsausbildung und der außerbetrieblichen Ausbildung stärker nutzen können.
Ferner wollen die Allianzpartner Jugendliche und Betriebe – auch mit mehr digitalen Formaten – im kommenden Ausbildungsjahr noch gezielter beraten und vermitteln.
Die Erklärung wurde von Vertretern der Bundesregierung, der Bundesagentur für Arbeit, der Länder, der Wirtschaftsverbände BDA, BFB, DIHK und ZDH und der Gewerkschaften unter Vorsitz von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verabschiedet. Ziel ist, dass Auszubildende trotz der derzeit schwierigen Situation ihre Ausbildung fortsetzen und ihre Prüfung ablegen können. Zudem verfolgen sie gemeinsam das Ziel, auch in den kommenden Ausbildungsjahren genügend Ausbildungsplätze anbieten zu können.