Morgen ist „Tag der Überlastung des Gesundheitswesens“
Mit dem Aktionstag will die Siemens Betriebskrankenkasse (SBK) an einen achtsamen Umgang mit den Ressourcen im Gesundheitswesen appellieren. Die Überlastung sei am 9. November 2023 erreicht, rechnet die Kasse vor. Ab dann nämlich reichten die Gelder, die über den allgemeinen GKV-Beitragssatz eingenommen werden, nicht mehr aus, um die Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten.
Zusatzbeiträge, Steuergelder, die Rücklagen der Krankenkassen und des Gesundheitsfonds würden für den Rest des Jahres die weitere Finanzierung sichern, schreibt die SBK. Der tägliche Finanzbedarf betrage 297 Milliarden Euro für 365 Tage im Jahr (0,81 Milliarden Euro pro Tag). Die täglich zur Verfügung stehenden Mittel aus dem allgemeinen Beitragssatz betrügen hingegen lediglich 253,4 Milliarden Euro (0,69 Milliarden Euro pro Tag). Daraus errechne sich der Tag der Überlastung am 9. November.
Die Finanzierung des Gesundheitswesens setze sich im Wesentlichen aus dem allgemeinen Beitragssatz, der auf sozialversicherungspflichtigen Einkommen und den dazu gehörigen Arbeitgeberanteilen beruht, sowie dem Zusatzbeitrag zusammen, erklärt die SBK weiter. Dieser sei zwar auf dem Papier kassenindividuell, faktisch werde er jedoch von der Politik maßgeblich mitbestimmt. Eine weitere Säule sei der Zuschuss aus Bundesmitteln.
Die Kasse verweist darauf, dass der demographische Wandel und neue Arbeitsformen jedoch dazu führten, dass weniger Beschäftigte als Beitragszahlende in das System einzahlen. Mit dem Renteneintritt der so genannten Babyboomer in den kommenden Jahren werde sich diese Situation noch weiter verschärfen, prognostiziert die SBK. Dieser herausfordernden Einnahmesituation stünden steigende Ausgaben gegenüber, denn eine alternde Gesellschaft benötige mehr Leistungen in Medizin und Pflege. Medizinische Innovation, notwendige Investitionen zum Beispiel in die Digitalisierung und nicht zuletzt der Klimawandel, der zu einer höheren Krankheitslast führt, seien weitere Treiber für die steigenden Ausgaben.
Ausgaben für Arzneimittel auf neuem Rekordwert
Auf 52,9 Milliarden Euro beliefen sich die Nettoausgaben für Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung im vergangenen Jahr – ein neuer Rekordwert. In den vergangenen zehn Jahren sind die Nettokosten damit um 88 Prozent gestiegen. Die Kosten für patentgeschützte Arzneimittel haben sich im gleichen Zeitraum verdoppelt: Sie lagen 2022 bei 27,8 Milliarden Euro. 2013 waren es noch 13,9 Milliarden Euro. Inzwischen wird mehr als jeder zweite Euro für patentgeschützte Arzneimittel ausgegeben, obwohl eine Auswertung der verordneten Tagesdosen zeigt, dass diese nur 6,8 Prozent der Versorgung abdecken, berichtet das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). Im Jahr 2013 lag dieser Wert noch bei 12,2 Prozent.
„Der langjährige Trend, dass patentierte Arzneimittel immer mehr kosten, jedoch gleichzeitig immer weniger zur Versorgung beitragen, hat sich auch im vergangenen Jahr fortgesetzt“, erklärt WidO-Geschäftsführer Helmut Schröder. „Die 2011 mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz eingeführten gesetzlichen Regelungen zur frühen Nutzenbewertung und zu nachgelagerten Preisverhandlungen haben ganz offensichtlich nur begrenzten Einfluss auf die Preisgestaltung der Hersteller patentierter Arzneimittel.“
Ursachen des Anstiegs der Arzneimittel-Ausgaben seien neben einem allgemeinen Anstieg der Verordnungsmenge (+12,6 Prozent) auch die jährlich wachsenden Arzneimittelpackungspreise. Im Jahr 2022 ist der Wert je Verordnung erneut um 0,2 Prozent gestiegen, die Anzahl der Verordnungen stieg um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Auch im laufenden Jahr ist trotz gesetzlicher Maßnahmen wie dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz keine Trendumkehr zu erwarten„, prognostiziert Schröder. „Es ist mit einem erneuten Anstieg der GKV-Ausgaben zu rechnen“. Dabei entfielen relativ hohe Kosten auf neue Arzneimittel, die keinen Zusatznutzen gegenüber den bereits im Markt befindlichen Mitteln vorweisen könnten, berichtet das WIdO. Zwischen 2012 und 2021 seien hierdurch 16,6 Milliarden Euro Kosten entstanden, 3,8 Milliarden Euro davon allein im Jahr 2021.
Mit dem Tag der Überlastung im Gesundheitswesen will die Kasse darauf aufmerksam machen, dass das Gesundheitswesen umfassende Reformen braucht. Als Lösungswege schlägt die SBK vor, den Ressourcenverbrauch zu senken und mehr Qualitätstransparenz in das Gesundheitswesen zu bringen, Verschwendung zu reduzieren, mehr Anstrengungen bei der Prävention vorzunehmen, mehr Vernetzung und Digitalisierung einzuführen und einen verlässlichen Steuerzuschuss zur Finanzierung der Versorgung zu garantieren.