Mundgesundheit von Kindern ist in Europa abhängig vom Gesundheitssystem
Dänemark, Deutschland, Ungarn, Irland, Schottland und Spanien wurden ausgewählt, weil sie für die Forschenden repräsentativ für die verschiedenen Gesundheitssysteme in ganz Europa stehen. Unterschieden wurden dabei zwei große Modelle: solche, die eine nahezu universelle zahnmedizinische Versorgung für Kinder bieten (Dänemark, Deutschland, Ungarn und Schottland), und solche, die die Abdeckung auf bestimmte Altersgruppen oder Regionen beschränken (Irland und Spanien).
Für ihre vergleichende Analyse identifizierte das Team die Peer-Review-Literatur, die die öffentlich finanzierte Mundgesundheitssysteme für Kinder unter 18 Jahren in den sechs repräsentativen Ländern beschrieb oder verglich. Ausgewertet wurden in dem Zusammenhang unter anderem Veröffentlichungen des European Observatory for Health Systems and Policies, des CED und der WHO. Zudem wurden in jedem der sechs Länder qualitative Experteninterviews geführt. Die Fragestellungen waren: Wer ist versichert (Reichweite), welche Leistungen werden abgedeckt (Leistungsspektrum) und wie werden die Patienten an den Kosten beteiligt (Grad der Privatkosten).
Das sind die Versorgungsmodelle in Europa
Nordisches Modell (siehe Dänemark): Die Versorgung wird in der Regel durch Steuern oder öffentliche Mittel finanziert, dazu zählen auch die allgemeinen zahnärztlichen Leistungen für Kinder, die von staatlich angestelltem Fachpersonal erbracht werden.
Beveridge-Modell (siehe Vereinigtes Königreich): Die Versorgung wird von unabhängigen Zahnärzten erbracht, die über das steuerfinanzierte nationale Gesundheitssystem vertraglich gebunden und bezahlt werden.
Hybridmodell (siehe Republik Irland): Für Kinder werden die Notfallversorgung und eine umfassende Zahnversorgung für bestimmte Altersgruppen von direkt beim Staat angestellten Zahnärzten erbracht. Die staatlich finanzierte Zahnversorgung für Erwachsene übernehmen unabhängige Zahnärzte, die staatlich unter Vertrag stehen. Aufgrund von Deckungs- und Zugangsbeschränkungen werden Kosten für Zahnbehandlungen in Irland jedoch meist privat bezahlt.
Südeuropäisches Modell (siehe Spanien): Die Versorgung wird vorwiegend privat erbracht, wobei es einige staatlich finanzierte Leistungen für Kinder gibt.
Bismarck-Modell (siehe Deutschland): Es basiert auf der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, die die meisten Kosten für die zahnmedizinische Versorgung durch unabhängige Zahnarztpraxen übernimmt.
Osteuropa (siehe Ungarn): Die öffentliche Gesundheitsversorgung war früher generell kostenlos, dieser Umfang hat aber abgenommen. Der Großteil der Versorgung wird nun privat erbracht.
In den sechs Ländern zeichneten sich in Bezug auf die Reichweite im Wesentlichen zwei Richtungen ab: In Dänemark, Deutschland, Ungarn und Schottland werden die meisten zahnmedizinischen Leistungen für Kinder bis zum Alter von 18 Jahren komplett übernommen. In Irland und Spanien ist die kostenlose Versorgung für Kinder altersabhängig ist und teilweise auch vom Wohnort bestimmt.
Die Minimalversorgung ist in jedem Land gegeben
Das Leistungsspektrum sieht in jedem Land eine Minimalversorgung vor, die Notfallbehandlungen, Füllungen in bleibenden Zähnen und Zahnextraktionen umfasst. Die universellen Systeme in Dänemark, Deutschland, Schottland und Ungarn rücken statt der Behandlung die Prävention stärker in den Fokus und bieten umfangreiche Vorsorgeuntersuchungen, Prävention durch Fluoridbehandlungen, Beratung und unter gewissen Voraussetzungen auch kieferorthopädische Behandlungen.
In den gezielten Systemen (Irland und Spanien) wird der Behandlung bleibender Zähne gegenüber Milchzähnen Priorität eingeräumt. In Irland wird nur die zahnärztliche Notfallversorgung bei Kindern bis 16 Jahren komplett übernommen, die kostenlose Versorgung ist auf bestimmte Ziel- und Altersgruppen beschränkt. In Spanien müssen Restaurationen an Milchzähnen und kieferorthopädische Behandlungen selbst bezahlt werden.
Die Finanzierung übernimmt in Ländern ohne komplette Abdeckung häufig der Privatsektor, was Familien zum Teil vor erhebliche Ausgaben stellt. Auch in Ungarn ist dies aufgrund von Hindernissen beim Zugang zum öffentlich finanzierten Gesundheitssystem oft der Fall. In Irland und Spanien hat die Finanzkrise im Jahr 2008 erkennbar zu Kürzungen im öffentlichen Gesundheitssystem geführt. In Dänemark, Deutschland und Schottland gibt es dagegen einen Trend zu einer erweiterten Abdeckung, die die Prävention in den Mittelpunkt rückt.
Auch Deutschland kann noch besser werden
In Europa besteht eine große Ungleichheit im Zugang zur zahnärztlichen Versorgung für Kinder, bilanzieren die Autorinnen und Autoren. Besonders in Ländern ohne universelle Abdeckung gebe es eine systematische Benachteiligung einkommensschwacher Familien. Eine universelle Abdeckung allein reiche aber nicht aus, sondern auch die Qualität und Reichweite der Leistungen sowie ein niedrigschwelliger Zugang seien entscheidend.
Deutschland stehe im europäischen Vergleich gut da, dennoch könne auch hier die Prävention insbesondere bei bildungsfernen Gruppen noch verbessert werden. Den Forschenden zufolge muss der Schwerpunkt insgesamt auf der Prävention und der Bekämpfung von Ungleichheiten liegen.
McAuliffe, Ú., Eaton, K., Harding, M. et al. ‘At a tipping point’: a comparative analysis of oral health coverage for children across six European countries: Denmark, Germany, Hungary, Ireland, Scotland, and Spain. BMC Oral Health 25, 492 (2025). https://doi.org/10.1186/s12903-025-05773-1