Nachholbedarf in der Drittmittelförderung
zm-online: Herr Schliephake, welche Leistung soll die von Ihrer Gesellschaft gegründete Agentur für Wissenschaftsförderung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (AWZMK) konkret erbringen?
Schliephake:Die Agentur für Wissenschaftsförderung soll einzelnen Wissenschaftlern oder Arbeitsgruppen helfen, Forschungsmittel für ihre wissenschaftliche Arbeit einzuwerben. Dabei unterstützt die Agentur die Antragsteller nicht direkt mit Geld, sondern durch Hilfe in der Ausformulierung, Ausgestaltung und Konzeption des Forschungsprojekts.
Die Unterstützung erfolgt schon sehr früh in der Projektentstehung, wenn beispielsweise eine Projektidee der Agentur vorgestellt wird. Hier erfolgt die Beratung nicht nur im Hinblick auf etwaige passende, derzeitige Ausschreibungen, sondern auch durch die Präzisierung der wissenschaftlichen Fragestellung und durch die Vermittlung interessierter oder erforderlicher Kooperationspartner.
Darüber hinaus ist es ebenfalls Aufgabe der Agentur, das Konsortium zu unterstützen. Sei es durch die Formulierung des Antrags in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern oder gegebenenfalls auch durch die Ausarbeitung von Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen zwischen den Partnern
Die Leistungen der AWZMK umfassen so die Aktivitäten einer Agentur für Forschungsberatung und -förderung. Diese Agenturen gibt es in praktisch allen Bereichen der Forschungslandschaft, in denen es um die erfolgreiche Teilnahme an kompetitiven Ausschreibungsverfahren geht.
Und in welchen Bereichen erhoffen Sie sich neue Forschungsimpulse?
Wir erhoffen uns vor allem im Bereich der öffentlichen Drittmittelförderung der Forschung neue Aktivitäten. Hier hat die Zahnmedizin einen großen Nachholbedarf, da trotz thematisch oft geeigneter Forschungsansätze die spezifische Erfahrung im Verfassen von Anträgen und in der Gestaltung und Koordination von Projekten fehlt.
Darüber hinaus sind für die Zahnmedizin passende Ausschreibungen von öffentlichen Drittmittelgebern wie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) oder dem Wirtschaftsministerium (BMWi) oftmals gar nicht bekannt oder werden nicht genutzt, weil die Komplexität des Antragsverfahrens abschreckt und/oder erforderliche Kooperationspartner fehlen.
Dabei erstrecken sich die geförderten Bereiche von der Entwicklung elektronischer Lernangebote über die Erstellung von großen Datenbanken („Big Data“) bis hin zu Entwicklungen für die Diagnostik und Therapie in der individualisierten Medizin. Hier hat die Zahnmedizin eine Menge zu bieten und kann in vielen Bereichen einen substanziellen Beitrag leisten, auch wenn sie sich bisher vielleicht als nicht konkurrenzfähig empfunden hat.
Hier hoffen wir, dass auch die Selbstwahrnehmung der zahnmedizinischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Schub erfährt, wenn erkennbar wird, wo überall Forschungspotenzial besteht, das mit professioneller Hilfe der Agentur auch realisiert werden kann.
Wo liegen denn die Fallstricke in der deutschen und in der europäischen Forschungslandschaft?
Die deutsche und die europäische Forschungslandschaft sind im Bereich der klinischen Forschung dadurch geprägt, dass Studien mit der erforderlichen Power nur als randomisierte, kontrollierte Multicenterstudien möglich sind. Wissenschaftliche Untersuchungen in diesem Rahmen, die von forschenden Abteilungen selbst angestoßen werden (sogenannte investigator initiated studies) sind bei den bestehenden organisatorischen Erfordernissen im Bereich der Dokumentation, des Monitorings, der Koordination, der Patientenversicherung und der Datenverwaltung nicht ohne finanzielle Unterstützung zu bewältigen.
Dies geschieht beispielsweise bei Medikamentenstudien in der Regel durch den Hersteller als Sponsor der Studie. Allerdings gibt es auch öffentliche Ausschreibungsverfahren derDeutschen Forschungsgemeinschaft, des BMBF und der EU für klinische Studien. Nur hierfür müssen Netzwerke verschiedener Abteilungen zusammenkommen, um eine Chance auf eine erfolgreiche Antragstellung zu haben. Gleiches gilt in demselben Maß auch für die Förderprogramme von innovativen Materialentwicklungen oder grundlagenwissenschaftlichen Forschungen. Auch hier haben heute letztlich nur Forschungsverbünde eine gute Aussicht auf nachhaltige öffentliche Förderung.
Genau hier will dieAWZMKansetzen, um diese Netzwerke zu eröffnen und zu erweitern.
Anmerkung der Redaktion:
Die AWZMK wird von Dr. Fabian Langenbach geleitet. Langenbach studierte an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg „Biology with Biomedical Sciences". An der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf promovierte er mit Auszeichnung zum Thema Knochenregeneration mit auf Stammzellen basierenden Mikrogeweben. Während seiner Promotion und der anschließenden Post-doc-Zeit beschäftigte er sich zusätzlich mit der Biokompatibilität von Implantatoberflächen und Knochenersatzmaterialien.
"Die Agentur soll sich selbst tragen und der Wissenschaft zugute kommen", erklärte DGZMK-Pressesprecher Markus Brakel auf Anfrage von zm-online.