Zoonosen

Neues Coronavirus bei Fledermäusen in Großbritannien

LL
Gesellschaft
Hufeisenfledermäuse, die als Reservoir für Coronaviren gelten, gibt es nicht nur im fernen China. In Großbritannien sequenzierten Zoologen kürzlich ein neues SARS-CoV-2-ähnliches Virus bei den dort lebenden Wildtieren.

In Scientific Reports berichten die Wissenschaftler des Institute of Zoology in London von der Entdeckung eines neuen „SARS-related Coronavirus“. Das Virus entdeckten sie in Proben aus den Exkrementen von Fledermäusen der Gattung Rhinolophus hipposideros (kleine Hufeisennase) in zwei Regionen Großbritanniens.

77-prozentige Übereinstimmung mit der Genetik von SARS-CoV-2

Das Virus weist nach der Untersuchung seiner Genome eine

77-prozentige Übereinstimmung mit der Genetik von SARS-CoV-2 auf. Die Ähnlichkeit zu SARS-CoV-1 liegt sogar bei 81 Prozent. Es fehlt lediglich die Bindungsstelle für den ACE2-Rezeptor - jene sei aber entscheiden für eine Übertragbarkeit auf den Menschen als Wirt. Die Zoologen geben daher vorerst Entwarnung. Allerdings halten sie es für möglich, dass es durch genetische Veränderungen des Virus auch hier zu einer Zoonose kommen kann.

Eine Bedrohung entwickelt sich auch dann, wenn sich die Hufeisenfledermäuse mit SARS-CoV-2 infizieren und es dadurch zu einem Austausch der Virengene kommen würden. Die Wissenschaftler raten daher dringend, sich durch entsprechende Schutzkleidung vor dem Kontakt mit den Ausscheidungen der Tiere zu schützen, wenn in deren Lebensraum, das sind etwa Felshöhlen, eingedrungen wird.

Crook, J.M. et al. „Metagenomic identification of a new sarbecovirus from horseshoe bats in Europe“. Published in Scientific reports on July 19, 2021 DOI:https://www.nature.com/articles/s41598-021-94011-z

Zoonosen machen mindestens 60 Prozent der neuen Infektionskrankheiten aus

Der Begriff Zoonose leitet sich aus dem Altgriechischen von zoon = Tier und nosos = Krankheit ab und beschreibt die Übertragung von Infektionskrankheiten von Tier auf Mensch und umgekehrt. Sie kann über den direkten Kontakt, aber auch durch den Kontakt von kontaminierten tierischen Produkten erfolgen, wie Fleisch und Milch oder Ausscheidungen.

Darüber hinaus können Zoonosen auch durch sogenannte Vektoren entstehen, die beim Kontakt die Krankheit übertragen ohne dabei selbst erkrankt zu sein. Ein Beispiel dafür ist die Zecke. Sie kann die Virusinfektion FSME durch ihren Stich auf den Menschen übertragen ohne selbst am Virus zu erkranken. Ist die Zecke kein Träger des Virus, erkrankt auch die gestochene Person nicht. Die übertragenen Krankheiten werden von Bakterien, Pilzen, Parasiten und eben von Viren ausgelöst.

Bei SARS-CoV-2 gehen viele Wissenschaftler bis heute von einer Zoonose als Ursache der Pandemie aus. Experten hatten bereits 2019 in einem Nature-Artikel prognostiziert, dass Zoonosen immer häufiger auftreten werden. Konkret gehen sie von 60 bis 76 Prozent der neu auftretenden Infektionskrankheiten durch Zoonosen aus. Gründe sehen sie in dem Vordringen der Menschen in den Lebensraum vieler wildlebender Tiere, in veränderten Essgewohnheiten und in der globalen Nahrungsmittelproduktion.

Um im Jahr 2100 rund 11 Milliarden Menschen zu ernähren, ist ihrer Ansicht nach eine erhebliche Steigerung der Pflanzen- und Tierproduktion erforderlich, die den Einsatz von Antibiotika, Wasser, Pestiziden und Düngemitteln in der Landwirtschaft sowie den Kontakt zwischen Menschen und Wild- und Haustieren erhöhen wird, was sich wiederum auf die Entstehung und Verbreitung von Infektionserregern auswirkt.

Auch ein Team aus Wissenschaftlern der Charité um den Virologen Prof. Christian Drosten berichtete 2020 im Journal of Virology, dass Coronaviren schon 2008 bei Fledermäusen in bulgarischen Nationalparks entdeckt wurden. Die Viren wurden damals in einer sehr hohen Konzentration und vollständig aus Kotproben von Hufeisen- und Glattnasen-Fledermäusen sequenziert. Die Spike-Proteine wiesen jedoch starke Abweichungen zu denen von SARS-CoV-2 auf. Daher kommt das Virus nicht als Vorgänger des aktuellen pandemischen Coronavirus in Betracht.

Rohr, J.R. et al. „Emerging human infectious diseases and the links to global food production.“ Published in Nature Sustainability on June 11, 2019. DOI:https://doi.org/10.1038/s41893-019-0293-3

Drosten, C. et al:„Genomic Characterization of Severe Acute Respiratory Syndrome-Related Coronavirus in European Bats and Classification of Coronaviruses Based on Partial RNA-Dependent RNA Polymerase Gene Sequences“ published in Journal of Virology on Dec. 22, 2021. DOI:https://journals.asm.org/doi/10.1128/JVI.00650-10 _blank external-link-new-window

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