Studien

Pandemie führt zu erhöhter Inzidenz von Essstörungen

mg
Gesellschaft
In Folge der Pandemie stieg in Großbritannien die Inzidenz von Essstörungen bei Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren um 42,4 Prozent, zeigt eine neue Studie. Das Problem ist auch in Deutschland bekannt.

Für ihre Studie werteten die britischen Forschenden 9,1 Millionen elektronische Gesundheitsakten der Primärversorgung von Patienten im Alter zwischen zehn und 24 Jahren (52,7 Prozent weiblich) aus. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März 2022. Sie berechneten die monatlichen Inzidenzraten von Essstörungen anhand der ersten Aufzeichnung jedes Ergebnisses.

Auf der Grundlage früherer Trends zwischen Januar 2010 und Februar 2020 wurden mithilfe eines Rechenmodells monatliche Inzidenzraten nach Beginn der Pandemie im März 2020 vorhergesagt. Prozentuale Unterschiede zwischen beobachteter und erwarteter Inzidenz wurden berechnet, um Veränderungen seit Pandemiebeginn aufzuzeigen.

Bei Jungen sank die Inzidenz in Großbritannien

Dabei waren die Inzidenzraten von Essstörungen bei Mädchen zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. März 2022 höher als erwartet: Die beobachtete Inzidenz von Essstörungen lag für Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren um 42,4 Prozent (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 25,7 bis 61,3) über den Erwartungen und war 32,0 Prozent (13,3 bis 53,8) höher als erwartet für Mädchen im Alter von 17 bis 19 Jahren. Die übrigen Altersgruppen zeigten hingegen kaum Unterschiede zwischen beobachteter und erwarteter Inzidenz. Bei Jungen war die beobachtete Inzidenz von Essstörungen um 22,8 Prozent (9,2 bis 34,4) niedriger als erwartet.

Obwohl die Ursachen ungewiss seien, schreiben die Forschenden in ihrem Fazit, verdeutliche die erhöhte Inzidenz von Essstörungsdiagnosen bei Mädchen im Teenageralter im Vereinigten Königreich während der ersten zwei Jahre der COVID-19-Pandemie die dringende Notwendigkeit einer Intervention. Eine frühzeitige Erkennung psychischer Probleme durch Hausärzte sei erforderlich. 

Alex M Trafford, Matthew J Carr, Darren M Ashcroft et al., Temporal trends in eating disorder and self-harm incidencerates among adolescents and young adults in the UK in the2 years since onset of the COVID-19 pandemic: a population-based study, Lancet Child Adolesc Health 2023Published OnlineJune 20, 2023, https://doi.org/10.1016/S2352-4642(23)00126-8

In Deutschland zeigen sich vergleichbare Effekte

Eine im November 2022 publizierte Studie der Universität Aachen, die die Hospitalisierungen aufgrund von Anorexia nervosa auswertete, zeigt vergleichbare Effekte für Deutschland. Die repräsentative Stichprobe umfasste etwa 4,7 Millionen Kinder und Jugendliche. Ergebnis: Es kam zu einem hochsignifikanten Anstieg der Aufnahmeraten um 40 Prozent (Spreizung 1,27 bis 1,55) in der Gruppe der weiblichen Kinder und Jugendlichen zwischen der Prä-COVID-19- und der Peri-COVID-19-Periode. Signifikanter Unterschied. Laut der deutschen Studie stiegen auch die Hospitalisierungsraten von männlichen mit einem Plus von 69 Prozent (Spreizung 1,09 bis 2,62) extrem an.

Eine jüngst erschienene Forschungsarbeit der Universiät Ulm in Kooperation mit dem Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg rechnete jetzt erstmals hoch, welche Folgekosten die drei Krankheitsbilder Depression, Angststörung und Essstörung bei Kindern und Jugendlichen durch zusätzliche Gesundheitskosten sowie Kosten durch spätere Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit auslösen. Ergebnis: Es sind 32,3 Millionen Euro. Die WissenschaftlerInnen legten die Annahme zugrunde, dass es pandemiebedingt in den Jahren 2020 und 2021 zu rund 25 Prozent zusätzlichen Neuerkrankungen gekommen ist.

Herpertz-Dahlmann, B., Dempfle, A., & Eckardt, S. (2022). The youngest are hit hardest: The influence of the COVID-19 pandemic on the hospitalization rate for children, adolescents, and young adults with anorexia nervosa in a large German representative sample. European Psychiatry, 65(1), E84. doi:10.1192/j.eurpsy.2022.2345

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