Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main

Praxis mit zwei Ärzten darf als „Zentrum“ bezeichnet werden

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Praxis
Die Bezeichnung einer Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten als „Zentrum“ für ästhetische und plastische Chirurgie ist nicht irreführend, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

„Jedenfalls im medizinischen Bereich weist der Begriff 'Zentrum' nicht auf eine besondere Größe hin“, heißt es im Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 11.05.2023.

Der Fall: Mitbewerber will Werbung der Konkurrenz verbieten

Die beiden Beklagten sind Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie, einer von ihnen ist zudem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Gemeinsam betreiben sie eine Praxis, die sie als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ bezeichnen. Der Kläger, der ebenfalls eine Praxis für plastische Chirurgie betreibt, hält diese Bezeichnung für irreführend. Das Landgericht Frankfurt am Main hatte daraufhin im Eilverfahren den Beklagten untersagt, Dienstleistungen eines plastischen Chirurgen unter diesem Namen zu bewerben oder anzubieten, wenn in dem Zentrum insgesamt lediglich zwei Ärzte beschäftigt sind.

Die hiergegen eingelegte Berufung der beiden Ärzte hatte vor dem Oberlandesgericht jetzt Erfolg. Die Bezeichnung der Arztpraxis als „Zentrum“ für ästhetische und plastische Chirurgie sei nicht irreführend, begründeten die Richter ihre Entscheidung.

Richter erkennen keine Irreführung der Patienten

So heißt es in der Urteilsbegründung: „Eine Werbung ist nach § 5 I UWG irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Die beanstandete Werbung der Antragsgegner richtet sich sowohl an Ärzte als auch an potenzielle Patienten. Ein unterschiedliches Verkehrsverständnis ist damit nicht verbunden, weil nicht ersichtlich ist, dass diese Kreise der Werbeaussage voneinander abweichende Sinngehalte beimessen. Es ist auch davon auszugehen, dass die fachliche Ausrichtung oder Spezialisierung zu den wesentlichen Entscheidungsgesichtspunkten bei der Wahl eines Arztes gehören.“

Maßgeblich sei, wie der Verkehr (Anmerkung der Redaktion: Ärzte und potenzielle Patienten) die beanstandete Werbung verstehe. Grundsätzlich erwarte die Zielgruppe zwar bei dem Begriff „Zentrum“ eine personelle und sachliche Struktur eines Unternehmens, die über vergleichbare Durchschnittsunternehmen hinausgehe. Jedenfalls im medizinischen Bereich weise der Begriff „Zentrum“ aber nicht (mehr) auf eine besondere Größe hin.

Ein MVZ braucht keine Mindestgröße

Nach den aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen erfordere ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) keine bestimmte Größe (§ 95 Abs. 1 S. 1 SGB V). Das früher bestehende Erfordernis einer fachübergreifenden Kooperation sei 2015 entfallen. Praxen mit zwei tätigen Ärzten hätten demnach die Möglichkeit, unter der Bezeichnung „Medizinisches Versorgungszentrum“ auf dem Markt aufzutreten.

Ärzte und potenzielle Patienten seien mit der gerichtsbekannten Häufigkeit des Auftretens von MVZs auf dem Markt an diese Begrifflichkeit gewöhnt. Das häufige Auftreten von (Versorgungs-)Zentren auf dem Markt mit medizinischen Dienstleistungen wirke „einem Verständnis entgegen, dass von einer überdurchschnittlichen Größe der Praxis ausgeht“, betonen die Richter.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Az.: 6 U 4/23
Urteil vom 11. Mai 2023

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