Psychotherapeuten befürchten Abbau von 5.700 Praxen
Der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Prof. Rainer Richter, warnt im ARD-Politikmagazin "Report Mainz" davor, dass rund 5.700 von 23.000 psychotherapeutischen Praxen nach dem Versorgungsstrukturgesetz ab Januar 2013 stillgelegt werden könnten.
Psychisch Kranken droht noch schlechtere Versorgung
Richter: "Im städtischen Bereich droht eine katastrophale Verschlechterung der Versorgung, weil bis zu 5.700 Kassensitze ab nächstem Jahr abgebaut werden können. Dagegen lehnen wir uns auf. Denn die psychisch Kranken, die Behandlungsplätze suchen, werden ab nächstem Jahr noch schlechter versorgt werden."
Im Durchschnitt 19 Wochen Wartezeit
Mit dem Versorgungsstrukturgesetz verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die medizinische Versorgung insbesondere auf dem Land zu verbessern. Hintergrund sind Wartezeiten von durchschnittlich bis zu 19 Wochen auf den Beginn einer Psychotherapie. Das Gesetz verpflichtet den Gemeinsamen Bundesausschuss, den Bedarf an Psychotherapeuten bis zum Ende des Jahres neu zu berechnen.
Laut "Report Mainz" hätten sich Krankenkassen und Ärztevertreter (KBV) jedoch schon im Vorfeld bei den aktuellen Honorarverhandlungen der Ärzte darauf verständigt, die Zahl zusätzlicher Praxen für Psychotherapeuten zu deckeln.
In einem vertraulichen Eckpunktepapier hieße es wörtlich, zusätzliche Niederlassungsmöglichkeiten für Psychotherapeuten würden "auf höchstens 1.150 begrenzt". Diese Abmachung kritisieren der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die BPtK.
Schmutziger Deal
Dr. Ilona Köster-Steinebach, vzbv-Gesundheitsexpertin: "Das, was da gelaufen ist, ist ein ausgesprochen schmutziger Deal. Diese Zahl von 1.150 ist durch nichts belegt. Wir glauben, dass sie deutlich zu niedrig ist, weil wir sehr lange Wartelisten sehen, viele Menschen, die Bedarf haben an Psychotherapie."
Die Leidtragenden sind ihr zufolge die psychisch Kranken und insbesondere psychisch kranke Kinder, für die es sehr schwierig sei, entsprechende Behandlungsmöglichkeiten zu kriegen.
Richter: "In diesen Verhandlungen ging es in erster Linie ums Geld und nur am Rande um die Versorgung psychisch kranker Menschen." Angesichts dieser Einigung befürchte die BPtK, dass der tatsächliche Bedarf an Psychotherapeuten nicht mehr berechnet werde. Weil gerade städtische Bereiche, gemessen an den gesetzlichen Vorgaben, trotz langer Wartezeiten für Patienten als überversorgt gelten, drohe nun ein Abbau jeder vierten psychotherapeutischen Praxis.
Kassen und KBV weisen die Vorwürfe zurück
Kassen- und Ärztevertreter weisen diese Vorwürfe zurück. Man gehe verantwortungsvoll mit der Bedarfsplanung um. Der GKV-Spitzenverband erklärte schriftlich gegenüber "Report Mainz", es werde "keine Verschlechterung für die Versorgung" geben. Die Sitze für Psychotherapeuten müssten "bundesweit gleichmäßiger verteilt" werden.