Richtige Antwort muss auch als richtig bewertet werden
Im Zweifel muss danach „eine zwar nicht dem Lösungsmuster entsprechende, aber dennoch objektiv richtige und damit vertretbare Antwort des Prüflings als zutreffend anerkannt werden“. Fragen nach der besten Antwort seien weitgehend unzulässig, urteilte das Gericht.
Im entschiedenen Fall war eine Medizinstudentin aus Freiburg zweimal in der Prüfung zum Kurs „Mikroskopische Anatomie“ gescheitert. Ihre letzte Chance war die zweite Wiederholungsprüfung, in der sie 14 von 30 Punkten erreichte. Ab 15 Punkten galt die Klausur als bestanden, 70 Prozent der Teilnehmenden hatten dies erreicht. Mit ihrer Klage beanstandete sie die Auswertung zweier Ankreuzfragen und konnte hinsichtlich einer der Fragen einen Zwischenerfolg erzielen. Dabei ging es um die Beschreibung einer Abbildung eines elastischen Knorpels. Gefragt war die am besten zutreffende Antwort.
Von der Studentin gewählte Antwort war ebenfalls richtig
Die Studentin rügte, die hier als richtig vorgesehene Antwort sei unvollständig und viel zu allgemein. Die von ihr gewählte Antwort sei ebenfalls richtig, konkreter und daher besser. Eine vom Verwaltungsgericht bestellte Gutachterin erklärte, die vom Prüfer vorgesehene Antwort sei zwar „die beste“, die von der Studentin gewählte Antwort aber ebenfalls „richtig“.
Hierzu entschied nun das Verwaltungsgericht Freiburg, dass diese Frage als richtig beantwortet zu bewerten ist. Die Uni muss daher prüfen, ob die klagende Studentin die Prüfung damit bestanden hat. Zur Begründung verwiesen die Freiburger Richter auf die Besonderheiten von Ankreuzklausuren. Meist bestünden diese aus vielen Fragen, so dass den Prüflingen für die einzelne Frage nur wenig Zeit bleibe. Zudem bestehe keine Möglichkeit, die gewählte Antwort zu begründen.
Aufgaben müssen „verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig“ sein
„Daraus ergeben sich besonders hohe Anforderungen an die Eindeutigkeit der Frage“, heißt es in dem Freiburger Urteil. Fragen nach der „am ehesten zutreffenden“ Antwort (sogenannte Bestlösung) seien daher weitgehend unzulässig. Ausgenommen seien allenfalls Fragen nach dem besten Behandlungsansatz. Generell müssten aber „alle möglichen Lösungen vorausgesehen und die Aufgaben so formuliert werden, dass sie verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig sind“.
Sei neben der vorgesehenen eine weitere Antwort vertretbar, müsse diese ebenfalls als richtig bewertet werden. Das gelte auch dann, wenn sie nach Überzeugung des Prüfers „weniger zutreffend“ ist. Denn eine Abwägung zwischen zwei richtigen Antworten sei angesichts des bei Ankreuzklausuren engen zeitlichen Korsetts nicht zu leisten, betonten die Freiburger Richter. Hier sei die betreffende Frage auch nur von 43 Teilnehmenden richtig, aber von 71 falsch beantwortet worden.
Verwaltungsgericht Freiburg
Az.: 1 K 2902/22
Urteil vom 30. November 2023