Infektionsschutzgesetz nach harten Debatten beschlossen

Richtiger Kompromiss oder Wirrwarr?

pr
Das geänderte Infektionsschutzgesetz ist beschlossen – mit weitgehenden Lockerungen der Corona-Maßnahmen, mit Basisschutzmaßnahmen und einer Hotspot-Regelung.

Der Bundestag hatte das von der Ampelkoalition eingebrachte Gesetz mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP mehrheitlich beschlossen. CDU/CSU, Linke und AfD lehnten den Entwurf ab. Der Bundesrat gab anschließend grünes Licht. Die Länder sind jetzt ab dem 20. März 2022 nur noch befugt, ausgewählte niedrigschwellige Basisauflagen anzuordnen. Dazu zählen die Maskenpflicht in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern und dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Hinzu kommen Testpflichten zum Schutz vulnerabler Personen unter anderem in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Schulen oder Kitas. Die Maskenpflicht soll auch im Luft- und Personenfernverkehr bestehen bleiben. Möglich bleiben weiterhin individuelle Maßnahmen in einem Betrieb oder einer Einrichtung.

Bei einer lokal begrenzten, bedrohlichen Infektionslage soll künftig eine Hotspot-Regelung greifen, heißt es in dem Gesetz. Dazu können die betroffenen Gebietskörperschaften erweiterte Schutzvorkehrungen anwenden, etwa Maskenpflicht, Abstandsgebote oder Hygienekonzepte. Voraussetzung ist ein Beschluss des Landesparlaments. Gebietskörperschaften können auch ganze Bundesländer sein.

Lauterbach: „Die Pandemie ist noch nicht vorbei“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte bei der heutigen Bundestagsdebatte das Gesetz als einen „schweren Kompromiss” der sich aber nicht als Abwägung zwischen dem „Team Freiheit” und dem „Team Vorsicht” verstehe. Man könne nicht weiter das ganze Land unter Schutz stellen, nur um eine kleine Gruppe von Impfunwilligen und von Menschen, die die Maßnahmen nicht mittragen wollen, zu schützen, sagte er. Durch die Omikron-Variante sei eine flächendeckende Überlastung der Kliniken nicht mehr zu befürchten, so Lauterbach. Dort, wo das drohen könnte, könnte die sogenannte Hotspot-Lösung mit schärferen Maßnahmen greifen. Nicht alle Corona-Maßnahmen sollten aufgehoben werden, die Pandemie sei noch nicht vorbei.

Heftige Kritik von der Opposition

Heftige Kritik an dem Gesetz kam von der Seite der Opposition. Tino Sorge, CDU/CSU, sprach von einen „Wirrwarr”, es gebe keine Einigung darüber, was ein Hotspot sei. Sorge verwies auch auf die Beratungen der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz, dort wurde das Gesetzesvorhaben als rechtlich und praktisch nicht umsetzbar scharf kritisiert. Die Abgeordnete der AfD, Dr. Christina Baum, forderte das Ende aller Maßnahmen, bezeichnete das Gesetz als „Beruhigungspille” und übte scharfe Kritik am Tragen von Masken. Aus ihrer Sicht habe es eine Überlastung von Krankenhäusern und Intensivstationen nie gegeben. „Geben Sie unserem Volk die Lebensfreude zurück”, forderte sie. Susanne Ferschel, Die Linke, sprach beim der Gesetzgebungsverfahren von „Intransparenz” und einem „Hauruckverfahren.”

Grüne: Besser dieses Gesetz als gar keines

Dr. Kisten-Kappert-Gonther, Grüne, unterstrich den Kompromisscharakter des Gesetzes. Es werde zwar von den Grünen mitgetragen, man hätte sich aber gewünscht, etwa Maßnahmen wie die Maskenpflicht flächendecken beizubehalten. Es sei aber besser, jetzt dieses Gesetz zu haben als gar keines, sagte sie. Auf die Länder käme eine große Verantwortung zu.

Ampel verteidigt das Gesetz

Gar keine Maßnahmen zu haben, wäre der falsche Weg gewesen, unterstrich Dr. Lukas Köhler, FDP. Das Gesetz trage dafür Sorge, dass nur Einschnitte vorgenommen werden, die auch wirklich notwendig seien. Es ermutige Menschen auch, eigenverantwortlich zu handeln. Christina Aschenberg-Dugnus, FDP, bezeichnete die Maßnahmen als wichtigen Schritt in die Normalität bei gleichzeitiger Beibehaltung der Handlungsfähigkeit der Politik. Dirk Wiese, SPD, betonte, der Kompromiss wahre die Verhältnismäßigkeit. Es sei richtig, dass bei der Hotspot-Regelung die Länder den Weg über die Länderparlamente gehen müssten.

AfD bezeichnet Lauterbach als „Lügner”

Am Rande der Bundestagsdebatte kam es zu einem Eklat. Stephan Brandner, AfD, bezeichnete Minister Lauterbach als „Lügner” und warf ihm „Impflamismus” vor. Hintergrund war Lauterbachs Warnung, dass bis Ende des Jahres alle in Deutschland entweder geimpft, genesen oder gestorben sein dürften. Er, Brandner, sei das lebende Beispiel dafür, dass dem nicht so sei, er sei weder geimpft, genesen, noch gestorben. Lauterbach reagierte mit Empörung und stellte im Namen aller demokratischen Parteien klar: „Wir wollen uns nicht als Lügner diffamieren lassen.”

Neue gesetzliche Grundlage

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