SARS-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung

"Schutzschirm" für Zahnärzte ist nur eine Liquiditätshilfe

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Die Politik verweigert den Zahnarztpraxen die dringend benötigte Hilfe in der Corona-Krise: Statt des angekündigten Rettungsschirms gibt es für sie jetzt lediglich eine Liquiditätshilfe, die zu 100 Prozent zurückgezahlt werden muss. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) reagierte schockiert.

Die heute vom Bundesgesundheitsministerium erlassene und morgen in Kraft tretende SARS-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung trage somit nicht zur Sicherstellung der flächendeckenden zahnärztlichen Versorgung bei, die massiven negativen Folgen der Corona-Krise für die Zahnarztpraxen würden darin nicht abgefedert. "Wir sind absolut geschockt über diese fehlende Solidarität des Staates", sagte der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer in einer ersten Reaktion bei einem Pressehintergrundgespräch.

Im Vergleich zu den Ärzten und selbst zu Heilmittelversorgern erfahren Zahnärzte damit laut Eßer eine absolut nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung und Herabwürdigung: "Die Bedeutung der zahnmedizinischen Versorgung als Teil der Daseinsvorsorge in unserem Land wird bagatellisiert und in erheblicher Weise diskreditiert. Die wirtschaftlichen Lasten der Krise werden allein den Zahnärzten auferlegt."

Die Krise wird für die Praxen nur verlängert

Im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf sieht die Regelung nur noch kurzfristige Liquiditätshilfen vor, die 2021 und 2022 vollständig zurückgezahlt werden müssen.  „Von einem Schutzschirm kann keine Rede sein, wenn uns lediglich ein Kredit gewährt wird, der in den nächsten zwei Jahren mit viel Bürokratieaufwand vollständig zurückgezahlt werden muss", verdeutlichte Eßer. "Damit wird die Krise für die zahnärztlichen Praxen nur verlängert."

Die Krankenkassen profitieren dagegen gleich doppelt

Die Krankenkassen profitierten dagegen gleich doppelt von der Regelung: Zum einen durch die krisenbedingten Einsparungen im Jahr 2020, zum anderen könnten sie in den Folgejahren die vorgegebenen Rückerstattungen auf der Haben-Seite verbuchen. "Ihre Mitverantwortung für die Sicherstellung der Versorgung wird völlig negiert", rügte Eßer. "Der Erhalt einer hervorragend funktionierenden flächendeckenden und wohnortnahen zahnärztlichen Versorgung scheint für die Politik offensichtlich ohne Bedeutung zu sein."

"Viele ZFA verlieren ihre Jobs"

"Viele ZFA verlieren ihre Jobs"

Eine hundertprozentige Rückzahlungsverpflichtung treffe in erster Linie junge Zahnärzte, Gründer und Praxen in strukturschwachen, ländlichen Regionen. "Unser verantwortungsbewusstes Handeln zur Minimierung von Infektionsrisiken einerseits und die Angst vor Infektionen auf Patientenseite andererseits führen zu stark gesunkenen Patientenzahlen und finanziellen Schwierigkeiten und Existenznöten bei den Praxen", führte Eßer aus. "Die Kosten laufen aber permanent weiter." Der KZBV-Chef befürchtet daher, dass es zu erheblichen Substanzverlusten in der vertragszahnärztlichen Versorgung kommen wird.

Viele Leistungen sind nicht nachholbar

Der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Martin Hendges widersprach in dem Zusammenhang auch Äußerungen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), wonach im Anschluss an die Epidemie "Nachholeffekte" die Nachfrage antreiben würden. "Viele Leistungen in der Prävention sind nicht nachholbar, das gilt für die Individualprophylaxe und insbesondere auch für Leistungen für Pflegebedürftige."

Es geht um fast eine halbe Million Arbeitsplätze

Neben den negativen Folgen für die Patientenversorgung droht der KZBV zufolge der Verlust von Arbeitsplätzen vor Ort. Laut KZBV sind zusammen mit den Inhabern deutschlandweit etwa 365.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zahnarztpraxen tätig, davon rund 32.000 Azubis. "Berücksichtigt man zusätzlich Arbeitsplätze in gewerblichen Laboren, im Dentalhandel und in der Industrie, so geht es um knapp eine halbe Million Arbeitsplätze in Deutschland", fasste Eßer zusammen.

"Die Zahnärztinnen und Zahnärzte und ihre Praxisteams haben vom ersten Tag der Epidemie an die Versorgung der Menschen aufrechterhalten", erinnerte der KZBV-Vorsitzende. "Wir haben - praktisch aus dem Stand - ein bundesweit flächendeckendes Netz von Behandlungszentren in 30 Kliniken und 170 zahnärztlichen Schwerpunktpraxen für die Akut- und Notfallversorgung von Patientinnen und Patienten aufgebaut, die mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert sind oder als Verdachtsfall unter Quarantäne gestellt wurden. Daneben gewährleisten wir mit besonders hohen Hygienestandards in den Praxen maximalen Schutz vor Ansteckungen."

Die zahnärztliche Versorgung in Deutschland ist akut gefährdet

Sein Fazit: "Die weltweit als beispielhaft anerkannte zahnärztliche Versorgung in Deutschland mit einem flächendeckenden und wohnortnahen Praxisnetz sowie herausragenden Ergebnissen bei der Mundgesundheit wird durch die Verweigerung echter Unterstützung akut gefährdet. Dass man auf Basis alter Vorurteile die Zahnärzteschaft als nicht schützenswert einstuft, hätte ich niemals gedacht!"

Auszug aus der SARS-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung "Liquiditätshilfe für Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte"

Auszug aus der SARS-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung

"Liquiditätshilfe für Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte"

Die SARS-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung wurde heute im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt morgen in Kraft.

"Die Zahnärzteschaft ist geschockt!"

Statement Dr. Wolfgang Eßer im Wortlaut

Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV, Köln, 4. Mai 2020

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