So radikal verändert KI das Zahnmedizinstudium
Durch eine 70 Millionen US-Dollar-Partnerschaft mit NVIDIA, einem weltweit führenden US-Unternehmen für KI-Computing, will sich die UF als „erste KI-Universität des Landes“ einen Namen machen. Das „AI Across the Curriculum" der zahnmedizinischen Fakultät schreibt diese Umgestaltung desUnterrichts fest: Jeder Student soll für seine künftige zahnärztliche Tätigkeit KI-Kompetenzen entwickeln.
Der Kauf des „HiPerGator“ treibt die Entwicklung weiter voran. Dieser hochmoderne Supercomputer unterstützt die Dozenten beispielsweise bei der Durchführung von Lehrveranstaltungen. Aber auch die Partnerschaft mit der dentalen Plattform „Overjet“ zeigt, wie die Fakultät KI-basierte klinische Anwendungen in die studentische Ausbildung integeriert: Das von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassene Diagnosetool erkennt Karies und quantifiziert Knochenstrukturen auf Röntgenbildern. Graustufenbilder werden dabei mit farbkodierten Anmerkungen versehen. So können sich Zahnmedizinstudierende über die Mustererkennung hinaus auf diagnostische Überlegungen, die Behandlungsplanung und auf die Patientenkommunikation konzentrieren.
Das Ziel ist nicht, mithilfe von KI die Kurse zu vereinfachen – im Gegenteil!
Für die Uni-Lehrplanbeauftragte Prof. Carrie Wells zeigen diese Beispiele, dass die Fähigkeit der KI, komplexe Aufgaben zu vereinfachen, zu einer effizienteren zahnärztlichen Ausbildung und damit zu besseren Ergebnissen für die Patienten führen kann. Ihr Ziel ist aber nicht, mithilfe von KI die Kursarbeiten zu vereinfachen. Wells arbeitet vielmehr direkt mit den Dozenten zusammen, um genau das Gegenteil zu erreichen.
„KI kann viele Rollen spielen“, sagt sie: Sie könne ein Tutor sein, der den Studenten Fragen stellt; ein Designer, der bei visuellen Konzepten hilft; ein Planer für die Kursstruktur; ein Redakteur für die Kommunikation oder ein Interviewer für Reflexionsübungen. „Aber mein Favorit ist einfach ein Brainstorming-Tool“, erzählt Wells.
Ihrer Ansicht nach benötigen die Lernenden von heute andere Ansätze als frühere Generationen. „Bestimmte Kurse werden deshalb überarbeitet und stärker auf KI-Technologie umgestellt“, berichtet Wells. „Der Dozent wird KI nutzen, um die Aufgaben zu stellen, und die Studierenden werden KI nutzen, um die Aufgaben zu lösen.“
In dem Zusammenhang empfiehlt sie den Einsatz von KI als intellektuellen Sparringspartner. Sie rät den Dozenten, die Studierenden über relevante Kursthemen diskutieren zu lassen, während ihr KI-Gegenüber mit gegensätzlichen Perspektiven kontert, um eine tiefere Auseinandersetzung mit Argumenten zu erzwingen. „KI kann ein großartiger Diskussionspartner sein“, sagte Wells. „Ich ermutige sogar dazu, mit der Seite zu diskutieren, die man nicht unterstützt.“
Sie hilft, Fragen zu beantworten, ohne die Antworten zu liefern.
Wie das gelingen kann? Wells schildert ein Beispiel: Vor Kurzem sollten die Studierenden im vierten Studienjahr ihre Abschlussarbeit zum Thema „Professionalität in der Patientenversorgung“ schreiben. Konkret bestand ihre Aufgabe darin, ihre klinischen Erfahrungen aus der Perspektive ethischer Leitprinzipien zu reflektieren. Dies ließ jedoch Raum für oberflächliche Antworten: Einige Studierende betrachteten die Reflexion über das ethische Dilemma lediglich als „eine Aufgabe, die ich im Rahmen meines Abschlusses erledigen muss“.
„Der Dozent wird KI nutzen, um die Aufgaben zu stellen, und die Studierenden werden KI nutzen, um die Aufgaben zu lösen.“
Uni-Lehrplanbeauftragte Prof. Carrie Wells
Jetzt führt ein KI-Interviewer die Studierenden durch die Konfrontation mit ihren klinischen Erfahrungen und stellt gezielt Fragen zu Entscheidungsfindung und Werten, bevor die Studierenden mit dem Schreiben beginnen. Ohne den Aufsatz für sie zu schreiben, ermöglicht die KI aussagekräftigere Selbsteinschätzungen.
„Wir brauchten Beweise für eine tiefere Untersuchung der ethischen Dilemmata der Studenten in Kliniken, und das KI-Interview war die Gelegenheit, dies zu demonstrieren“, bilanziert Wells.
Was zunächst eine oberflächliche Übung gewesen war, wurde strategisch in eine echte Selbstprüfung umgewandelt und zeigt, wie KI kritisches Denken verbessern und nicht ersetzen kann. Für Wells ist die KI ein intellektueller Katalysator und eben nicht nicht akademische Abkürzung. Wells: „Idealerweise hilft sie den Studierenden, tiefergehende Fragen zu beantworten, ohne die Antworten zu liefern.“