Starthilfe in ein neues Leben

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Gesellschaft
Die Onlineplattform "Workeer" bringt Flüchtlinge, die in Deutschland einen Job suchen, mit Arbeitgebern zusammen, die ihnen gegenüber aufgeschlossen sind. Auch Zahnärzte suchen dort - auf beiden Seiten.

David Jacob und Philipp Kühn, die Macher:Einen Monat lang waren David Jacob und Philipp Kühn, die hinterWorkeerstehen, in Berliner Flüchtlingsheimen unterwegs, um sich dort mit Bewohnern und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen zu unterhalten. Die beiden Kommunikationsdesigner waren auf der Suche nach einem Thema für ihre Abschlussarbeit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Klar war, dass sie ein Angebot für Flüchtlinge schaffen wollten, bloß: Was sollte es sein?

"Wer dort einen guten Job hatte, will hier nicht einfach nur rumsitzen"

„Aus den Gesprächen haben wir viele Bedürfnisse herausgehört, unter anderem Wohnraum finden oder bürokratische Abläufe verstehen. Entschieden haben wir uns letztendlich für den Bereich Arbeitssuche. Wir finden, dass Arbeit ein wichtiger psychologischer Aspekt ist. Wer beispielsweise aus Syrien flüchten musste und dort einen guten Job hatte, will hier nicht einfach nur rumsitzen“, erklärt David Jacob.

Azzam Haddat, syrischer Zahnarzt:Azzam Haddat (Name von der Redaktion geändert) bestätigt das. Er ist einer von zurzeit zwölf Bewerbern, die auf Workeer einen Job im zahnmedizinischen Bereich suchen. Der 24-Jährige hat seine Heimatstadt Homs im Jahr 2013, ein Jahr nach dem Abschluss seines Studiums, verlassen. Damals herrschte schon zwei Jahre lang Bürgerkrieg in Syrien.

„Ich bin erst in die Türkei gegangen, weil ich dort weiter studieren und arbeiten wollte, habe aber die Approbation nicht bekommen“, berichtet Haddat. In seiner Heimat konnte er ohnehin nicht bleiben. Seit September 2014 wohnt er in Nordrhein-Westfalen, wo auch sein Bruder lebt.

In Deutschland fing der junge Syrer, wie er selbst sagt, bei null an: Er besuchte die Sprachschule, spricht jetzt fließend Deutsch, fand eine Wohnung und einen Minijob in der Gastronomie. Außerdem machte er ein Praktikum in einer Zahnarztpraxis. „Behandeln durfte ich natürlich nicht, aber ich habe viel über die Arbeitsabläufe gelernt“, berichtet er.

"Ich möchte endlich in meinem Beruf arbeiten und auf eigenen Beinen stehen."

Haddat möchte so schnell wie möglich als Zahnarzt arbeiten. „Sobald ich die Ergebnisse meiner Deutschprüfung bekomme, beantrage ich meine Approbation und finde dann hoffentlich eine Assistentenstelle“, sagt er. „Ich möchte endlich in meinem Beruf arbeiten und auf eigenen Beinen stehen.“

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Aufenthaltsstatus "Flüchtling" - viele Chefs schreckt das ab

Wie schnell Flüchtlinge Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von ihrem Aufenthaltsstatus und ihren Deutschkenntnissen. Azzam Haddat ist mit einem Visum nach Deutschland gekommen und kann sich nach erlangter Approbation um einen Job bewerben.

Viele Flüchtlinge haben nach ihrer Ankunft erst einmal keine Arbeitserlaubnis. Ob sie eine bekommen, hängt von ihremAufenthaltsstatusab. Auf Arbeitgeber kann der bürokratische Aufwand, einen Flüchtling einzustellen, abschreckend wirken. Mit Workeer wollen Kühn und Jacob Berührungsängste abbauen. „Wir glauben, dass die Bereitschaft der Arbeitgeber, die bürokratischen Hürden bei den Ämtern, in Angriff zu nehmen, größer ist, wenn sie sich vorher mit den Flüchtlingen ausgetauscht haben. Workeer soll diesen Austausch in Gang bringen“, sagt Jacob.

"Der Beruf verbindet einen Menschen mit der Gesellschaft"

Dr. Ernst Heissler, deutscher Zahnarzt und Leiter einer Zahnklinik:Auf Workeer fündig zu werden, hofft Dr. Ernst Heissler, Leiter der Zahnklinik Amedis in Augsburg. Nicht nur, weil er weiß, dass viele Flüchtlinge fachlich gut qualifiziert sind. Workeer findet er aus einem weiteren Grund sinnvoll. „Um in einer friedlichen Gesellschaft zu leben, müssen wir Flüchtlingen die Chance geben, ihr Leben zu gestalten. Dazu gehört der Beruf ganz wesentlich. Er verbindet einen Menschen mit der Gesellschaft, in der er lebt und gibt ihm das Geld, um ein anständiges Leben zu führen. Wenn wir da helfen und außerdem interessante Menschen kennenlernen können, dann ist das doch toll“, bringt der MKG-Chirurg und Implantologe seine Meinung auf den Punkt.

Über den bürokratischen Aufwand, Zahnärzte aus dem Ausland einzustellen, ist sich der Zahnarzt bewusst. In den Amedis-Kliniken arbeiten mehrere syrische Zahnärzte. Heissler: „Wir haben die Kollegen dabei unterstützt, ihre Approbation zu bekommen, indem wir ihnen Abläufe und Ansprechpartner genannt haben. Durchziehen müssen sie das dann aber letztendlich selbst.“

Er habe noch nie erlebt, dass fehlende Motivation dabei ein Problem sei: „Diese Menschen haben eine oft lebensgefährliche Flucht hinter sich und wollen nicht untätig rumsitzen. Sie wollen sich etwas Neues aufbauen.“

"Dass Flüchtlinge arbeiten wollen, wird hier sichtbar"

Bisher wurde noch kein Job über Workeer vermittelt. David Jacob und Philipp Kühn sind trotzdem zufrieden mit dem bisherigen Ergebnis. „Es ist ein schönes Gefühl, sich die Profile anzuschauen. Die Aussage, dass Flüchtlinge arbeiten wollen, wird hier sichtbar“, freut sich David Jacob und fügt hinzu: „Auf der anderen Seite sendet es ein positives Signal, dass sich auch viele Arbeitgeber eintragen.“

Susanne TheisenFreie Journalistin in Berlin 

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