Strahlende Zeiten

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Gesellschaft
Von der Kraft aus der Natur zur krank machenden Gefahr: Die Ausstellung "Strahlung - die zwei Gesichter der Radioaktivität" im Pharmazie-Historischen Museum Basel zeigt, wie sich die medizinische Einschätzung durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse gewandelt hat.

„Ein Gelehrter in seinem Laboratorium ist nicht nur ein Techniker; er steht auch vor den Naturgesetzen wie ein Kind vor der Märchenwelt.“ Mit diesem Zitat von Marie Curie beginnt das Buch zur Ausstellung, in deren Fokus der Umgang mit radioaktiven Substanzen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts steht.

Kuratorin Christiane Valerius-Mahler hat dieses Zitat ausgewählt, weil es den Enthusiasmus widerspiegelt, mit dem Wissenschaftler die gerade entdeckte Radioaktivität erforschten. Die Begeisterung beschränkte sich jedoch nicht nur auf die akademische Welt. Auch die breite Öffentlichkeit interessierte sich für das Thema.

Der Radium-Hype: Die heilsame Kraft aus der Natur

„Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, unter anderem ausgelöst durch den Nobelpreis für Marie Curie, setzte ein regelrechter Radium-Hype ein. Seinen Höhepunkt hatte er zwischen 1905 und 1925“, erklärt Valerius-Mahler. Das Element mit der Ordnungszahl 88 im Periodensystem faszinierte die Menschen aus vielen Gründen. Dazu gehörte, dass Radium - in einer Verbindung aus Radiumchlorid und Zinksulfid - im Dunkeln leuchtete. Vor allen Dingen aber genoss es bald nach seiner Entdeckung den Ruf, gesundheitsfördernd zu sein.

Heute ist dieser Standpunkt nicht mehr nachvollziehbar. Warum man fest von der Heilkraft des Radiums überzeugt war, führt die Kuratorin auf das damalige Medizinverständnis zurück: „Radioaktive Substanzen waren eine natürliche Kraft aus der Natur und wurden deshalb als heilsam und gesund betrachtet. Man glaubte, je stärker die Kraft aus der Natur, desto stärker der Nutzen für den Menschen.“

Die radioaktive Zigarette

Radium wurde zum Verkaufsschlager. Mit ihm und anderen radioaktiven Substanzen angereicherte Schokoladen, Zigaretten und Parfüms sind nur einige Beispiele für Produkte, die man plötzlich kaufen konnte. Das Pharmazie-Historische Museum zeigt eine Auswahl entsprechender zeitgenössischer Konsumprodukte.

Die Ausstellung geht auch auf die Trink- und Badekuren ein, die in dieser Zeit in Mode kamen. Viele Kurbäder boten Radiumtherapien an, die zum Beispiel bei chronischen Leiden wie Gelenkschmerzen, Bronchitis, Asthma, rheumatischen Erkrankungen sowie Schlaflosigkeit und Menstruationsbeschwerden helfen sollten.

Bald kamen auch Trink- und Inhalationskuren für die private Anwendung auf den Markt. Die Ausstellung zeigt einige sogenannte Radium-Emanatoren, mit denen man sich radioaktives Heilwasser zuhause selbst zubereiten konnte.  

Die "Radium Girls" aus New Jersey

Erst mit der Zeit reifte die Erkenntnis, dass radioaktive Stoffe krank machen. Diesen Prozess veranschaulicht die Ausstellung am Beispiel der „Radium Girls“. Diese Frauen arbeiteten als Zifferblattmalerinnen für die „Radium Luminous Material Company“ in New Jersey, USA. Für das Bemalen der Uhren diente eine Farbe auf Radiumbasis, so dass man auch im Dunkeln die Zeit ablesen konnte.

Um die kleinen Ziffern präzise zeichnen zu können, wurde den Arbeiterinnen aufgetragen, den Pinsel mit dem Mund anzuspitzen. Das Radium gelang so täglich in ihren Körper. Als Mitte der 1920er-Jahre immer mehr ehemalige Beschäftigte des Unternehmens starben, wurden Nachforschungen angestellt. Ein Pathologe fand schließlich heraus, dass das Radium Knochentumore hervorrufen und das Knochenmark schädigen kann.

Nur langsam wird man sich der Gefahren bewusst

Die Besucher der Ausstellung sind laut Kuratorin Christiane Valerius-Mahler häufig erstaunt, wie positiv Radioaktivität zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrachtet wurde und wie bereitwillig man radioaktive Produkte konsumierte.

„Viele sind versucht, die Einstellung der Menschen damals zu belächeln“, erklärt die Kulturanthropologin. „Dabei haben sie einen ganz normalen Prozess der Wissenserkenntnis durchlaufen. Wer weiß, vielleicht nutzen wir momentan etwas, das sich in 20 Jahren ebenfalls als gefährlich herausstellt.“

Medizinischer Exkurs zur heutigen Diagnostik 

Die Ausstellung bietet interessante Einblicke in eine Ära, in der Radioaktivität neu war. Sie zeigt insbesondere, wie sich erst nach und nach ein Bewusstsein für die von ihr ausgehenden Gefahren entwickelte. Ein medizinischer Exkurs zur heutigen Diagnostik und Behandlung mithilfe von Radioaktivität rundet die Ausstellung ab. Übrigens: Damit keine Gesundheitsgefahr für Besucher entsteht, wurden zu stark strahlende Exponate dekontaminiert.

„Strahlung – Die zwei Gesichter der Radioaktivität“ läuft noch bis Samstag, 28. Februar. Im Rahmen derMuseumsnacht Baselam Freitag, 16. Januar, finden imPharmazie-Historischen MuseumSonderveranstaltungen zum Thema Radioaktivität statt. 

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