Stress treibt in die Frührente
Psychische Erkrankungen sind der Grund für fast jeden zweiten vorzeitigen Ausstieg aus dem Job. Während es im Jahr 2001 insgesamt 50.000 Frührentner gab, bezogen 2012 bereits rund 75.000 Versicherte 2012 erstmals aufgrund psychischer Krankheiten eine Erwerbsminderungsrente. Das geht aus einer aktuellen Studie der Bundespsychotherapeutenkammer hervor, die heute in einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wurde.
Arbeitsunfähig aufgrund von Depressionen
Dabei scheiden die Arbeitnehmer oft weit vor dem gesetzlichen Rentenalter aus dem Erwerbsleben aus: Ein Versicherter, der aufgrund einer psychischen Erkrankung in Rente gehen muss, ist durchschnittlich erst 49 Jahre alt. Damit sind psychische Erkrankungen laut BPtK seit mehr als zehn Jahren die Hauptursache für gesundheitsbedingte Frührenten - mit großem Abstand vor körperlichen Krankheiten. Seit 2001 sind demnach vor allem Depressionen (plus 96 Prozent), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (plus 74 Prozent) sowie Suchterkrankungen (plus 49 Prozent) ausschlaggebend.
Zwischen Reha und Rente
Psychisch Kranke geraten der Kammer oftmals in ein Hin-und-Her-Geschiebe zwischen Kranken- und Rentenversicherung. Die Krankenkasse könne Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert ist, aktiv auffordern, einen Reha-Antrag zu stellen. Wenn aber der Gutachter einer Reha keine „Erfolgsprognose“ bescheinigt, werde der Reha-Antrag automatisch zu einem Rentenantrag. Etwa die Hälfte der Rentenanträge werde bewilligt.
Doch sobald Krankenversicherte zu Frührentnern werden, entfalle ihr Anspruch auf Krankengeld: "Krankenkassen können somit Ausgaben für Krankengeld zulasten der Rentenversicherung sparen, wenn sie Versicherte, die schon lange krankgeschrieben sind, auffordern, einen Reha-Antrag zu stellen", lautet das Fazit der Psychotherapeuten. Die Kammer warnt vor einem Automatismus vom Reha- zum Rentenantrag: Betroffene Patienten müssten beteiligt und besser informiert werden.
Erhöhtes Armutsrisiko
Menschen, die schon lange psychisch krank sind und deshalb arbeits- oder erwerbsunfähig werden, haben laut der Studie zudem ein hohes Risiko, zu verarmen. Weil die Erwerbsminderungsrenten mit aktuell durchschnittlich rund 600 Euro pro Monat seit 2000 stark gefallen sind, lebt demnach mehr als ein Viertel der erwerbsunfähigen Rentner in Einkommensarmut.
Aufgrund der Studienergebnisse fordert die Bundespsychotherapeutenkammer Betriebe dazu auf, für eine bessere Prävention und Früherkennung von psychischen Erkrankungen zu sorgen. Auch müssten die Wartezeiten in der ambulanten Psychotherapie abgebaut und mehr Behandlungsplätze geschaffen werden. Die Mitarbeiter von Arbeitsämtern sollten zudem mehr zu psychischen Erkrankungen geschult werden.