LMU Klinikum und Bundesamts für Risikobewertung (BfR)

Studie: Tabakfreie Nikotinbeutel führen zu Mukosa-Reizungen

mg
Medizin
Mit Nikotin getränkte Pflanzenfaserbeutel, sogenannte Pouches, sind trotz Verbot in Deutschland weit verbreitet. Die für den oralen Konsum gedachten Produkte sind jedoch nicht ungefährlich, zeigt eine Studie.

Ein Forscherteam des LMU Klinikums hat in Zusammenarbeit dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR) aktuell eine Studie zu den Auswirkungen von tabakfreien Nikotinbeuteln veröffentlicht. Die Untersuchung zeigt, dass die Produkte hohe Nikotinmengen abgeben können – bei einigen untersuchten Produkten sogar höhere Dosen als bei Tabakzigaretten. In vielen europäischen Ländern sind diese Nikotinbeutel bereits legal erhältlich und auch in Deutschland, vor allem bei Jugendlichen, weit verbreitet.

In einer einarmigen, fünfteiligen, Cross-Over-Studie mit 15 regelmäßigen Zigarettenrauchern wurden tabakfreie Nikotinbeutel verschiedener Marken mit deklarierten Nikotingehalten von 6, 20 und 30 mg für jeweils 20 Minuten getestet. Vergleichsprodukte waren nikotinfreie Beutel und Tabakzigaretten. Über einen Zeitraum von 240 Minuten wurden zu festgelegten Zeitpunkten die Plasmanikotinkonzentrationen, die Auswirkungen auf das Verlangen nach Zigaretten und Nebenwirkungen bewertet. Zusätzlich wurden kardiovaskuläre Parameter, einschließlich der arteriellen Gefäßsteifigkeit gemessen.

Alle getesteten Beutel führten zu Reizungen der Mundschleimhaut

Die Ergebnisse zeigen, dass der Konsum von 30 mg Nikotinbeuteln zu einer höheren Nikotinaufnahme im Vergleich zur Zigarette führte. Die Nikotinaufnahme in der akuten Phase erfolgte sowohl bei der Verwendung des 30 mg Beutels als auch bei der Zigarette sehr schnell. Die Extraktionsrate des Nikotins variierte zwischen den Beuteln. Alle getesteten Produkte reduzierten das akute Verlangen nach Zigaretten, sogar die nikotinfreien Beutel. Während des Konsums der Zigarette und der Beutel mit 20 und 30 mg Nikotin stieg die Herzfrequenz um etwa 27 beziehungsweise 25 Schläge pro Minute an. Auch die Parameter für die arterielle Gefäßsteifigkeit waren erhöht, schreiben die Forschenden. Außerdem führten alle getesteten Beutel zu Reizungen der Mundschleimhaut.

Als Nebenwirkungen wurden Kopfschmerzen, Mund- oder Rachenreizungen, Benommenheit, Schwindel, kalte Hände oder Füße, Herzklopfen, Kopfschmerzen, Schwitzen, Übelkeit und Brechreiz auf einer numerischen Bewertungsskala (NRS) von 0 (keine Wirkung) bis 10 (stärkste Wirkung) nach 2, 5, 10, 15, 20, 30, 60, 90, 120 und 240 Minuten bewertet. Der Speichelfluss wurde auf einer Skala von 0 = geringster Speichelfluss (trockener Mund) über 5 = normaler Speichelfluss bis 10 = höchster Speichelfluss (Hypersalivation) abgefragt. An Studientagen, an denen ein Beutel verwendet wurde, wurde die Mundschleimhaut zu Studienbeginn und nach 30 Minuten auf Rötungen oder Ulzerationen untersucht.

Ergebnis: In den ersten zehn Minuten des Gebrauchs des 30-mg-Nikotinbeutels wurden starke Mundreizungen von den Probanden gemeldet. Die Verwendung der anderen Beutel führte hingegen zu mittelstarken Mundreizungen, unabhängig von der Nikotinstärke, während als Reaktion auf Zigarettenrauchen keine derartige Wirkung berichtet wurde. Beim Speichelfluss wurden Auswirkungen in beide Richtungen (weniger Speichelfluss oder mehr Speichelfluss als üblich) beobachtet. Zehn Minuten nach der Verwendung des Beutels zeigte sich bei Beuteln mit 0, 6, 20 beziehungsweise 30 mg Nikotin in einem (6 Prozent), vier (26 Prozent), drei (20 Prozent) und fünf (30 Prozent) Fällen eine Rötung der Mukosa. In einem Fall war eine Ulzeration nach der Verwendung des 6-mg-Beutels sichtbar.

In Österreich sind die dort legalen Beutel unter Schülern beliebt

„Wir waren überrascht, dass der Konsum einiger Produkte sogar zu einer höheren Nikotinaufnahme im Vergleich zur Zigarette führte“, betont PD Dr. Rüther, Leiter der Tabakambulanz am LMU Klinikum München. Insgesamt zeigen fast alle untersuchten Produkte eine der Zigarette sehr ähnliche Nikotinanflutung und -abgabe. Von einem hohem Suchtpotenzial der untersuchten Nikotinbeutel muss deshalb ausgegangen werden, so der Studienleiter.

„Wenn man bedenkt, dass wir aus unseren Nachbarländern wie etwa Österreich hören, dass die dort legal erhältlichen Nikotinbeutel bereits massiv in den Schulen angekommen sind, kann das ein ernsthaftes Problem werden“, befürchtet Suchtforscherin Dr. Andrea Rabenstein von der Tabakambulanz am LMU Klinikum München. „Neben der Entwicklung einer Abhängigkeit von Nikotin ist natürlich dadurch der Einstieg in das Konsumieren weiterer Nikotinprodukte oder Tabakzigaretten stark zu befürchten.“

Mallock-Ohnesorg Nadja et al., Small pouches, but high nicotine doses nicotine delivery and acute effects after use of tobacco-free nicotine pouches, Front. Pharmacol., 22 May 2024, Sec. Neuropharmacology Volume 15 - 2024, https://doi.org/10.3389/fphar.2024.1392027

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