Urteil des andesarbeitsgerichts Baden-Württemberg

Suche nach „Digital Natives“ ist Altersdiskriminierung

sth
Recht
In Jobanzeigen das Schlagwort „Digital Native“ zu verwenden, kann rechtliche Konsequenzen haben. Denn: Ältere Bewerberinnen und Bewerber werden dadurch benachteiligt, urteilte jüngst das LAG Baden-Württemberg.

„Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Daten-getriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause“, schrieb die Beklagte – ein internationales Handelsunternehmen im Bereich Sportartikel – im April 2023 in einer Stellenanzeige.

Auf den Job bewarb sich auch ein zum damaligen Zeitpunkt über 50-jähriger Diplomwirtschaftsjurist aus Berlin – ohne Erfolg. Noch im April erhielt er eine Absage per E-Mail. Der Bewerber forderte daraufhin wegen Altersdiskriminierung von dem Unternehmen eine Entschädigung in Höhe von fünf Monatsvergütungen à 7.500 Euro, insgesamt also 37.500 Euro.

Die Anzeige stellte direkt auf das Merkmal Alter ab

Vor dem Arbeitsgericht Heilbronn argumentierte der Kläger, dass die Ablehnung seiner Bewerbung auf einer Benachteiligung wegen seines Alters beruhe. Die Beklagte habe nach ihrem Anforderungsprofil einen „Digital Native“ gesucht und mit diesem Begriff direkt auf das Merkmal Alter abgestellt. Das stelle einen Verstoß gegen Paragraf 11 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dar.

Dem widersprach die Beklagte: Der Mann sei für die ausgeschriebene Stelle deutlich überqualifiziert gewesen. Aus dem Lebenslauf sei ersichtlich, dass er in der Vergangenheit Führungspositionen bekleidet habe. Bei der ausgeschriebenen Position habe es sich jedoch um eine einfache Sachbearbeiterposition gehandelt.

Zudem habe die Vergütung deutlich unter der Gehaltsvorstellung des Klägers von 90.000 Euro Bruttojahresgehalt gelegen – der eingestellte Bewerber erhalte ein jährliches Bruttogehalt in Höhe von 58.020 Euro. Die deutliche Überqualifikation des Klägers, seine Gehaltsvorstellung sowie sein Familienwohnsitz in Berlin sprachen aus Sicht des Unternehmens dafür, dass er es mit seiner Bewerbung nicht Ernst gemeint habe.

Das Gericht sprach dem Kläger 7.500 Euro Entschädigung zu

Das sahen die Heilbronner Richterinnen und Richter anders und entschieden in erster Instanz, dass der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung hat. Die geforderte Höhe von fünf Monatsgehältern sei allerdings viel zu hoch. Sie sprachen ihm stattdessen 7.500 Euro zu. Ihre Begründung: Die Formulierung in der Stellenanzeige der Beklagten stelle vorliegend ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von Paragraf 3 Abs. 1 AGG dar.

Der Begriff „Digital Native“ weise im gängigen Sprachgebrauch eine generationenbezogene Konnotation auf. Die konkrete Formulierung in der Stellenausschreibung der Beklagten zeige, dass eben nicht nur eine Person mit sicheren Kenntnissen in diesen Kommunikationsfeldern gesucht wurde, sondern jemand, der diese Eigenschaft regelmäßig von Natur aus als „Eingeborener“ (Native) mitbringt.

Dagegen legte das Unternehmen im Februar 2024 Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ein. Doch auch hier fällten die Richterinnen und Richter in zweiter Instanz dieselbe Entscheidung. Der Begriff „Digital Native“ bezeichne Personen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen seien und schließe somit ältere Menschen aus.

Vorinstanz:
Arbeitsgericht Heilbronn
Az.: Ca 191/23
Urteil vom 18. Januar 2024

LAG Baden-Württemberg
Az.: 17 Sa 2/24
Urteil vom 7. November 2024

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