Dentaco zu Titandioxid

TiO2-Staub ist genauso risikoreich wie andere Feinstäube!

mg
Gesellschaft
Der Fall einer krebserkrankten Zahnärztin, die gegen den Hersteller eines Cerec-Pulvers klagt, schürt die Diskussion um Titandioxid. Dentaco, ein Hersteller verschiedener Pulversprays, bietet heute zwar die meisten Scanning-Sprays „TiO2-frei“ an, verwendet den Stoff aber ebenfalls. Geschäftsführer Andreas Huber erklärt, warum.

Im Datenblatt Ihrer Produkte scan'spray lab XL sowie scan'spray stone wird Titandioxid (TiO2) als zu überwachender Parameter aufgeführt. Läßt das den Rückschluss zu, dass TiO2 enthalten ist? Wenn ja, in welcher Partikelgröße?

Andreas Huber:

Nach den Produktänderungen innerhalb der letzten zwei Jahre sind heute mit Ausnahme des scan‘spray black+white und des scan‘spray stone alle Dentaco-Produkte TiO2-frei. Für den Hinweis, dass wir das Sicherheitsdatenblatt des scan‘spray lab XL ändern müssen, danke ich sehr!

Von diesen beiden Produkten ist nur das scan‘spray black+white (...) ein Medizinprodukt. Die darin enthaltenen speziellen TiO2-Partikel sind um ein Vielfaches größer als der Grenzwert für Nanopartikel von 100 nm, sie sind mit >2,5 µm nicht einmal lungengängig. Und auch wenn es kein Medizinprodukt ist: Beim scan‘spray stone, das nur extraoral im Labor eingesetzt wird, sind ebenfalls 99 Prozent der TiO2-Partikel größer als 100 nm und damit auch keine Nanopartikel.

Sie vertreiben und bewerben aktuell auch ein Produkt mit dem Hinweis, dass es TiO2-frei ist. Was war der Grund für die Entwicklung? Welche Gründe sprechen aus Sicht von Dentaco dafür, sowohl TiO2-freie als auch -haltige Sprays in der Produktpalette zu haben?

Zur Beantwortung Ihrer Frage sollten wir unterscheiden zwischen den Medizinprodukten, die für CEREC & Co. benutzt werden, und den technischen Sprays, die extraoral im Dentallabor verwendet werden.

Medizinprodukte: Hier besteht ein zwar sehr begrenztes, aber eben doch ein Restrisiko, dass der Patient und das Praxispersonal  - sofern es ohne Mundmaske arbeitet - TiO2-Partikel einatmen kann. Nachdem wir die Titandioxid-Debatte zunächst nur beobachtet haben, haben wir Ende 2017 begonnen, nach Ersatzstoffen zu suchen. Das geschah, nachdem die Europäische Chemikalien Agentur ECHA den Vorschlag gemacht hat, TiO2 besonders zu kennzeichnen, weil der Verdacht besteht, dass TiO2 eine krebserzeugende Wirkung haben könnte.

Das war und ist nicht mehr und nicht weniger als ein Verdacht. Trotzdem sind wir als Hersteller von Medizinprodukten nach meiner Auffassung generell dazu verpflichtet, uns um gleichgut funktionierende Alternativen zu kümmern, wenn auch nur das geringste Risiko einer Gesundheitsgefährdung bestehen könnte.

Beim scan’spray black+white ist uns das nicht gelungen, es wird weiter TiO2 enthalten – aber wie gesagt, in recht großen Partikeln, die weder ‚nano‘ sind noch lungengängig (>2,5 um). Für das scan‘dry plus, das für die BlueCam und alle gängigen 3-D-Kameras geeignet ist, hatten wir bis Mitte 2018 mehrere Ersatzstoffe positiv bewertet – vor allem hinsichtlich etwaiger Gesundheitsrisiken. Danach haben wir durch in-vitro und in-vivo-Versuche geklärt, ob die Kamerasysteme auch mit den Ersatzstoffen einwandfrei auslösen. Als alle denkbaren Bedenken ausgeräumt waren, haben wir begonnen, die Sprays umzustellen, bei denen das möglich war. Das intraorale Scanspray scan‘dry plus produzieren wir seit Anfang 2019 nicht mehr mit TiO2 – und es funktioniert problemlos.

Was grundsätzlich  die Verwendung von TiO2 in Mattierungssprays anbelangt, so bleibe ich – auch nach intensiven Gesprächen mit Experten – der Ansicht:

  • dass das Einatmen von TiO2-Stäuben genauso risikoreich ist wie das Einatmen anderer Feinstäube.

  • dass die Ergebnisse einer Studie mit Ratten, nicht nur was die Exposition anbelangt, absolut nicht auf den Menschen übertragbar sind.

  • dass eine normale Zahnarztpraxis nur wenige Gramm Titandioxid pro Jahr „versprüht“ – selbst bei mehrmaligem täglichen Einsatz von Scanspray. Aber auch diese geringe Menge wird ja keinesfalls komplett von einer Person inhaliert. Eine 75 ml Dose Scanspray (intraoral) enthielt bei uns in der Vergangenheit weniger als 1 g Titandioxid.  Die damit realistisch verbunden Exposition ist nicht ansatzweise mit den Werten vergleichbar, denen die Ratten im Tierversuch ausgesetzt waren.

Ich möchte hier nicht weiter auf die Argumente der Fachkreise eingehen. Inhaltlich halte ich bis zum heutigen Tag die Anfang 2018 erstellte ausführliche Stellungnahme des Verbandes der Chemischen Industrie für richtig.

Technische Produkte: Vier unserer fünf Mattierungssprays, die wir für Scanner im Labor und in der Industrie anbieten, sind heute TiO2-frei. Allein schon wegen der in diesen Sprays benutzten Treibgasen dürfen diese Sprays nicht intraoral verwendet werden. Die Frage einer eventuellen Gesundheitsgefahr ist hier also ausschließlich eine des Arbeitsschutzes. Die in den Tierversuchen verwendeten Staubkonzentrationen, die die Debatte um das TiO2 befeuert haben, lagen bis zu 200-fach oberhalb des Arbeitsplatzgrenzwertes für TiO2-Staub und können bei einer fachgerechten Verwendung im Labor nie und nimmer erreicht werden. Abgesehen davon verwenden die Techniker, die ich kenne, Pulversprays entweder in der Absaugung oder bei geöffnetem Fenster. Damit ist jedes Restrisiko ausgeschlossen.

Letztlich gilt aber auch hier das, was ich bei den Medizinprodukten schon gesagt habe: Wenn eine eventuelle Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen ist, müssen wir nach zumindest gleich gut geeigneten Ersatzstoffen forschen. Die Umstellung ist auch für die extraoralen Sprays gelungen, denn wir haben keine Erkenntnisse, dass es bei der Anwendung der TiO2-freien Sprays zu Problemen kommt.

Lediglich das scan‘spray stone, das ganz besonders fein sprüht, enthält derzeit weiterhin TiO2, weil dies Partikel nun einmal die beste Deckkraft besitzen. Ich vermute, das ist der Grund, warum derzeit noch viele Dentallabore weiterhin TiO2-haltiges Scanspray benutzen möchten. Und – nochmals – das ist nach meiner Ansicht bei fachgerechtem Umgang auch bedenkenlos möglich.

Der Hersteller Vita Zahnfabrik hatte im März 2018 sein Titandioxid-haltiges Cerec-Pulver mit Blick auf nicht auszuschließende Gesundheitsschädigungen für Zahnärzte und Patienten über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zurückgerufen. Warum sieht Dentaco diese Notwendigkeit nicht?

Ich denke, ich habe diese Frage schon oben mitbeantwortet. Ich meine, es handelt sich bei dem VITA Cerec Pulver um reines TiO2-Pulver. Unsere Scansprays, die Medizinprodukte sind, enthalten beziehungsweise enthielten weniger als 1 Gewichtsprozent dieses Stoffes. Die Mengen TiO

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, die ein Patient oder das Praxispersonal eventuell einatmen könnte, liegen meilenweit unter den Werten, für die der nicht erwiesene Verdacht einer Gesundheitsgefährdung besteht.

Auch wenn wir gut funktionierende Ersatzstoffe gefunden haben, halte ich, wie gesagt, die Inhalation von TiO2-Partikel für ungefährlich – beziehungsweise für nicht gefährlicher als die Inhalation anderer Stäube, die nicht von dieser jetzt doch leicht aufgeheizten Debatte um das TiO2 betroffen sind. Für einen Rückruf unserer Sprays gab es also keinerlei Notwendigkeit.

Mit Inkrafttreten der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung im Mai 2020 ergeben sich neue Risikoklassen für Produkte, die Nanopartikel freisetzen. Für wann plant Dentaco für seine Produkte das vorgesehene, strengere Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen? 

Unsere Medizinprodukte-Sprays enthalten keine Nanopartikel. Die feinsten Partikel, die wir dafür in der Vergangenheit benutzt haben, waren wohl die Titandioxid-Partikel, die wir in dem scan’dry plus und den extraoralen Scansprays enthalten waren beziehungsweise sind (scan’spray stone). Und selbst bei diesen – siehe oben – handelt es sich nicht um Nanopartikel.

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