Todkranke dürfen sich kein Suizidmedikament kaufen
Die beiden Kläger leiden an schweren Erkrankungen: Der 79-Jährige hat eine schwere Herzkrankheit, der 52-Jährige ist infolge von Multipler Sklerose vom Hals abwärts gelähmt. Ihre Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ab. Die dagegen gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Das Bundesinstitut verweigerte die Erlaubnis
In ihrem Urteil kommen die Leipziger Richter heute zu dem Schluss, dass das BtMG keinen Anspruch Suizidwilliger auf Zugang zu tödlichen Medikamenten anerkennt. Gemäß § 3 BtMG dürfen Betäubungsmittel wie Na-P demnach nur in den Verkehr gebracht werden, wenn eine Erlaubnis des BfArM vorliegt.
Wörtlich heißt es im Urteil: „Der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ist grundsätzlich nicht mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“ Medizinische Versorgung meine hier „die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden“. Aber: „Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht.“
Den Betroffenen stünden andere Möglichkeiten zur Verfügung
Es bestehe zudem die „realistische Möglichkeit, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann“.
Die hohen Belastungen, die damit für die Sterbewilligen verbunden seien, erkennt das Gericht an, ihnen stünden aber wichtige Gemeinwohlbelangen gegenüber: „Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch Miss- oder Fehlgebrauch des Mittels sind angesichts seiner tödlichen Wirkung und der einfachen Anwendbarkeit besonders groß und wiegen schwer“, betonen die Leipziger Richter. „Diese besonderen Gefahren sind die Kehrseite der dargelegten Vorzüge des Mittels für die Sterbewilligen.“
Der Eingriff in die Grundrechte ist den Richtern zufolge gerechtfertigt, da das Betäubungsmittelgesetz mit dem generellen Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, auch das Ziel verfolge, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern. „Für Menschen, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, gibt es andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches.“
Am 2. März 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht Zugang zu Natrium-Pentobarbital „unter dem Gesichtspunkt einer extremen Notlage“ gewährt. Eine solche Notlage liege hier bei beiden Klägern aber nicht vor.
BVerwG
Az.: 3 C 8.22
Urteil vom 7. November 2023
Vorinstanzen:
OVG Münster
Az.: 9 A 146/21
Urteil vom 2. Februar 2022
VG Köln
Az.: 7 K 8560/18
Urteil vom 24. November 2020