Studien belegen Lerneffekt, Akzeptanz und didaktischen Nutzen

Uni Würzburg druckt Übungszähne

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Zahnmedizin
Die Zahnärztliche Prothetik am Uniklinikum Würzburg (UKW) druckt Zähne, um den Studierenden eine realistische und günstige Übungsmöglichkeit zu bieten. Die neue Generation der 3-D-gedruckten Zähne eignet sich für alle zahnmedizinischen Eingriffe.

Wer in Würzburg Zahnmedizin studiert, benötigt laut UKW im Durchschnitt 300 Übungszähne, um die verschiedenen Techniken und Behandlungen zu üben und später Patienten sicher und effizient behandeln zu können. Diese künstlichen Übungszähne müssen die Studierenden selbst kaufen und darüber hinaus Echtzähne in Zahnarztpraxen und bei Chirurgen sammeln.

Das aber ist nicht so einfach, wie das UKW berichtet: So sei eine Zustimmung zur Weiterverwendung durch eine aufwendige Dokumentation erforderlich, und es bestehe – wenn auch ein geringes – Infektionsrisiko. Die Echtzähne seien in der Regel zudem so stark vorbehandelt oder beschädigt, dass sie sich nicht immer für Übungszwecke eignen und somit keine einheitlichen Lernbedingungen bieten. Kommerziell hergestelltes Übungsmaterial ist dem UKW zufolge ebenfalls keine ideale Alternative, da es oft nicht den realen Bedingungen entspricht.

Basis war eine dreidimensionale Röntgenaufnahme

Seit 2020 stellt die Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des UKW ihre Übungszähne darum selbst her. „Dadurch können wir nicht nur Kosten sparen, sondern auch möglichst viele Lerninhalte in einen realitätsnahen Zahn zusammenfassen und den Studierenden ein intensiveres Training ermöglichen“, sagt PD Dr. Christian Höhne. Er hatte schon 2019 basierend auf einer dreidimensionalen Röntgenaufnahme eines kariösen Zahns einen ersten 3-D-gedruckten Zahn hergestellt.

Um den harten Zahnschmelz, das darunterliegende Dentin, die kariöse Substanz und die Pulpa realistisch darzustellen, verwendete er unterschiedliche Materialien mit verschiedener Härte. So erhielten die Studierenden beim Bohren durch die entsprechenden Schichten eine taktile Rückmeldung, ähnlich wie bei einem natürlichen Zahn. Die im Journal of Dental Education publizierte Studie zeigte, dass 3-D-gedruckte Zähne eine vielversprechende Alternative zu klassischen Modellzähnen darstellen.

Sechs Jahre später präsentieren die Forschenden nun einen 3-D-gedruckten Zahn, der sich für alle wichtigen zahnmedizinischen Eingriffe eignet – von der Kariesentfernung und Füllung über die Wurzelkanalbehandlung, Kronenpräparation und Stiftbohrung bis hin zur Röntgenuntersuchung. Für seine herausragenden Lehrmethoden wurde das Team im Dezember 2023 mit dem Albert-Kölliker-Lehrpreis der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg ausgezeichnet.

„Die Studierenden bewerteten den 3-D-gedruckten Zahn als eine signifikant bessere Übungsmöglichkeit als die üblichen transparenten Acrylblöcke, die oft zum Üben für Wurzelkanalbehandlungen zum Einsatz kommen, und fast ebenbürtig zu natürlichen Zähnen, insbesondere hinsichtlich Realismus, Handhabung und Lernwert“, resümiert Assistenzärztin Isabella Di Lorenzo, die den Zahn in einem präklinischen Kurs mit 38 Zahnmedizinstudierenden im Rahmen ihrer Promotionsarbeit erprobt hat. Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Scientific Reports publiziert.

Auch Oberarzt Dr. Michael del Hougne M.Sc., Kursleiter im Bereich der klinischen Lehre, ist vom neuen Übungszahn begeistert. „Unsere Studierenden können an dem Modell sogar die elektrische Längenmessung des Wurzelkanals sehr realistisch üben. Dafür mussten wir jedoch etwas tricksen, um die benötigte Leitfähigkeit herzustellen, denn der Zahn ist aus Harz, das den Strom nicht leitet.“ Im nächsten Schritt sollen 3-D-Zähne mit unterschiedlichen Wurzelkanalformen entwickelt werden, um die klinischen Herausforderungen, die sich aus der anatomischen Vielfalt ergeben, zu simulieren.

Auch die Kariesentfernung und die Behandlung des Zahnnervs wurden am neuen Übungszahn optimiert. Die Ex-Doktorandin Dr. Lisanne Carnier veröffentlichte im Oktober 2024 eine Auswertung, wonach die Studierenden den 3-D-Zahn deutlich besser bewerteten als die bisherigen Modelle und sich mehr Übungen mit den neuen Modelle wünschten. Die Anwendung war einfacher und der Lerneffekt höher.

Der Übungszahn, der alles kann, kommt genau zur richtigen Zeit

Im September 2024 publizierte die Gruppe um del Hougne in Scientific Reports die erfolgreichen Testläufe eines 3-D-gedruckten Zahns, der zwei farbige Schichten hat, die exakt anzeigen, wie viel und wo Material abgetragen werden muss. Auch hier bewerteten die 42 Studierenden, die an ihm das Präparieren für eine Klebebrücke geübt hatten, den Übungszahn im Durchschnitt mit der Note „sehr gut”. Sie konnten sich das Übungsziel besser vorstellen und ihre Arbeit selbst kontrollieren.

„Diese Innovation, die additive Fertigung eines Übungszahns, der mehr oder weniger alles kann und die Lehre optimiert, kommt in der zahnärztlichen Prothetik genau zur richtigen Zeit“, meint Prof. Dr. Marc Schmitter, ärztlicher Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik. Durch die neue Approbationsordnung für Zahnärztinnen und Zahnärzte habe die Prothetik in der Lehre nämlich nur noch ein Drittel der Zeit, die sie zuvor hatte. „Hinzu kommt der Wissenszuwachs hinsichtlich der Materialien. Wir müssen also in kürzester Zeit immer mehr Wissen und Fertigkeiten vermitteln.“

Darüber hinaus unterstützt eine Augmented-Reality-App im Aufwachskurs Studierende dabei, das Formen von Zähnen mit Wachs sowie den Umgang mit Wachswerkzeugen zu üben. Dabei können sie die Wachsvorlage über die Kamera des Smartphones oder Tablets betrachten und ein ideales Wax-up als Überlagerung auf die Aufwachsplatte einblenden. Die mehrfach ausgezeichnete Machbarkeitsstudie vom Erstautor Johannes Schrenker wurde als Preprint veröffentlicht und wird bei Scientific Reports erscheinen.

Auch die Patienten profitieren

Auch die Patienten profitieren von den Innovationen: Im Rahmen seiner Masterarbeit hat del Hougne in einer Kohortenstudie mit 63 Patientinnen und Patienten die Langlebigkeit von insgesamt 98 3-D-gedruckten provisorischen Zahnkronen untersucht. Die in Scientific Reports veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass 98 Prozent der Kronen den Untersuchungszeitraum von durchschnittlich 256 Tagen ohne größere Probleme überstanden. Die Patientinnen und Patienten waren mit dem Aussehen sehr zufrieden. Auch ihre Lebensqualität verbesserte sich im Zusammenhang mit der Mundgesundheit deutlich.

Damit das so bleibt, erforscht das Team von Schmitter weitere Anwendungsmöglichkeiten des Zahns. Auch das Material soll weiter optimiert werden. „Wir wollen neue Harze entwickeln, deren Eigenschaften natürlichem Dentin und Schmelz noch ähnlicher sind, um das taktile Feedback zu verbessern“, erzählt Christian Höhne. Ein weiteres Ziel sei die Automatisierung der Produktion. Außerdem will man das Ausbildungskonzept und die Lernkurve validieren sowie die Übertragbarkeit der Modelle in andere Länder und Kulturen prüfen.

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