Reaktionen auf den Koalitionsvertrag

Viel Lob – aber auch scharfe Worte

pr/pm
Ärzte, Kassen, Krankenhäuser – sie alle fanden Lob für richtige Akzente im Koalitionsvertrag. Der NAV-Virchow Bund hingegen spricht von einem „Totenschein für die Selbstverwaltung.“

Bis zum Schluss haben CDU, CSU und SPD um Kompromisse gerungen. Der große Knackpunkt im Gesundheitswesen: die "Reform" des ärztlichen Vergütungssystems. Die Bundesregierung will dazu auf Vorschlag des BMG eine wissenschaftliche Kommission einsetzen, die bis Ende 2019 Vorschläge vorlegt. Ob diese Vorschläge umgesetzt werden, soll danach entschieden werden.

Ärzte

Beim Thema Gesundheit setze der Vertrag an vielen Stellen richtige Akzente, erklärte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery. Als "vernünftig" bezeichnete er, dass das Thema des Vergütungssystems nicht unter Zeitdruck entschieden wurde. "Damit haben alle Beteiligten die Möglichkeit, sich noch einmal eingehend mit den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein modernes Vergütungssystem wie auch den möglichen strukturellen und finanziellen Verwerfungen auseinanderzusetzen", sagte er.

Montgomery hob auch die geplanten Maßnahmen gegen den Ärztemangel, - wie die Förderung von Landärzten und den Ausbau der Strukturfonds - als positiv hervor. Mit der Förderung der sektorenübergreifenden Versorgung, Neuregelungen bei der Notfallversorgung und der Reform des Medizinstudiums sieht er wichtige Zukunftsthemen angesprochen.

"Gut Ding will bekanntlich Weile haben. Ich hoffe, dass diese Volksweisheit auch für das Ergebnis der Verhandlungen von CDU/CSU und SPD gilt," kommentierte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV die Resultate. "Wenn sich jetzt eine Bundesregierung bildet, stehen wir mit unserem Konzept KBV 2020 bereit, die künftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen konstruktiv zu begleiten."

Dass die hausärztliche Versorgung und die "sprechende Medizin" besser vergüten werden sollen, hebt der Deutsche Hausärzteverband als positiv hervor. "Das deckt sich mit dem gesellschaftlichen Bedarf. Dieser steigt insbesondere in ländlichen Regionen", sagte der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt.

Scharfe Töne hingegen schlägt der NAV-Virchow-Bund an: Der Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich spricht von einem "Totenschein für die Selbstverwaltung und die ärztliche Freiberuflichkeit". "Die Vereinbarungen zur Gesundheitspolitik atmen den Geist des Misstrauens und der Regulierungswut", sagte er. "Mit einer Vielzahl von Detailregelungen und der Schaffung neuer Institutionen und Gremien sichert sich die Politik den Zugriff auf das Gesundheitswesen und baut ihren Einfluss zulasten der bestehenden Selbstverwaltung aus."

Die im Vertrag geplante Erhöhung der Mindestsprechstundenzeit für Ärzte um 25 Prozent werde vereinbart, ohne eine Aussage zur Gegenfinanzierung zu machen, kritisierte er. "Ein interessantes Vorhaben innerhalb eines budgetierten Systems, zieht doch eine solche Erhöhung der ärztlichen Arbeitszeit auch Folgekosten, wie etwa Arbeitszeitverlängerung bei unseren medizinischen Fachangestellten nach sich."

Krankenkassen

Der GKV-Spitzenverband griff die Pläne heraus, die Vergabe von Terminen bei Fachärzten für gesetzlich Versicherte zu verbessern. "Wir bleiben jedoch skeptisch, dass dies über eine Angleichung der Arzthonorare erreicht werden kann. Daher ist es ein guter Schritt, nun die Machbarkeit einer solchen Entwicklung durch eine Kommission zu untersuchen.", sagte die Vorstandsvorsitzende, Dr. Doris Pfeiffer. Die Stärkung der Pflege ist für Pfeiffer ein weiterer wichtiger Punkt. Die Pflege müsse aber auch tatsächlich bei den Pflegebedürftigen und den Patienten im Krankenhaus ankommen. Insgesamt, bilanziert sie, seien mit den vereinbarten Maßnahmen im Koalitionsvertrag höhere Kosten verbunden.

Krankenhäuser

Als grundsätzlich positiv sieht der Krankenhausbereich die vorgesehene Ausfinanzierung der Tariflohnsteigerungen an. Die Koalitionsvereinbarung beinhalte damit für die Krankenhäuser eine Reihe positiver Perspektiven, deren Effekte allerdings von der konkreten Umsetzung abhingen, kommentierte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, das Ergebnis: "Ungelöst bleibt aber die absolut unzureichende Bereitstellung von Investitionsmitteln für die Kliniken."

Apotheker

Bei den Apothekern zeigte sich Erleichterung. Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), sieht die Apotheken vor Ort gestärkt: "CDU, CSU und SPD wollen die bundesweite Gleichpreisigkeit von rezeptpflichtigen Arzneimitteln wiederherstellen und damit eine Schieflage im Wettbewerb unter den Apotheken ausgleichen, indem sie sich für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einsetzen."

Medizinstudierende

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) kritisiert die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD. "Wir sehen die Gefahr, dass neben den im neuen Koalitionsvertrag explizit genannten Reformen des Zulassungsverfahrens und der flächendeckenden allgemeinmedizinischen Versorgung, die 2013 noch im Koalitionsvertrag aufgeführte Förderung der Praxisnähe im Medizinstudium auf der Strecke bleibt", heißt es in einer schriftlichen Mitteilung.

Die bvmd begrüßt die dringend und verfassungsrechtlich notwendige Neugestaltung des Zulassungsverfahrens. Neben der Abiturnote, bedarf es die Berücksichtigung weiterer Kriterien wie fachspezifische Studierfähigkeitstets, Situational Judgement Tests, Berufsausausbildungen oder Freiwilligendienste. "Gerne stehen wir zusammen mit dem Medizinischen Fakultätentag entsprechend unseres gemeinsamen Vorschlages für ein neues Zulassungsverfahren beratend

zur Verfügung."

Die klare Positionierung für die Einführung einer Landarztquote sei dagegen entschieden abzulehnen: "Eine solche Quote ist reine Symbolpolitik und behebt keinesfalls ursächlich die Probleme der flächendeckenden landärztlichen Versorgung in Deutschland. Gerade auf dem Land benötigen wir Ärztinnen und Ärzte, die sich aufgrund ihres Interesses am Fachgebiet und passenden Arbeitsbedingungen für ihren Beruf entscheiden und nicht, weil sie sonst keinen

Medizinstudienplatz erhalten. Diese Vorabquote im Zulassungsverfahren wertet einerseits Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner zu Ärztinnen und Ärzten zweiter Klasse ab, andererseits haben wir schon jetzt – und nicht erst in einigen Jahrzehnten – ein wachsendes Versorgungsproblem auf dem Land, das wir gemeinsam angehen müssen. Eine Quote, die mehr als 17 Jahre bis zum Wirkeintritt benötigt, verfehlt ihr Ziel deutlich. Stattdessen benötigen wir in Deutschland eine Steigerung der Attraktivität der Arbeits- und Lebensbedingungen in unterversorgten Regionen", schreibt die bvmd.

Und weiter: "Auch die Digitalisierungs- und Forschungsoffensive der neuen Bundesregierung bietet konstruktive und zielführende Möglichkeiten, sowohl die medizinische Lehre im Gesamten aufzuwerten, als auch den ärztlichen Beruf auf dem Land für zukünftige Generationen attraktiver zu gestalten."

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