Medizin

Vorhof repariert Herzkammer

ck/pm
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Forscher am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben beobachtet, dass Muskelzellen aus dem unbeschädigten Vorhof in die Herzkammer einwandern und so wesentlich zur Regeneration beitragen.

Gelingt es nach einem Herzinfarkt in der Klinik nicht schnell genug, die verschlossenen Herzkranzgefäße zu öffnen, wird der Herzmuskel wegen der unterbrochenen Sauerstoffversorgung dauerhaft geschädigt. Die Folge ist eine lebenslange Einschränkung der Herzfunktion bis hin zum Herzversagen.

Versuche am Zebrafisch

Seit vielen Jahren suchen deshalb Wissenschaftler nach Möglichkeiten, die Regeneration von geschädigtem Herzgewebe zu stimulieren. Die Arbeitsgruppe um Didier Stainier vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung hat nun zusammen mit Wissenschaftlern der Universität in San Diego bei Zebrafischen einen neuartigen Mechanismus identifiziert, bei dem Zellen aus dem Vorhof aktiv in die geschädigte Muskulatur der Herzkammer einwandern und dort neues Gewebe bilden.

Für ihre Studie verwendeten die Forscher gentechnisch veränderte Fischlarven, bei denen sich gezielt die Muskelzellen der Herzkammer durch die Gabe einer Substanz ausschalten ließen. Hierzu bestimmten sie den Zeitpunkt des Embryonalwachstums, bei dem das Herz bereits aktiv war. Durch die Medikamentenbehandlung starben die Muskelzellen weitestgehend ab, so dass sich die Herzfunktion messbar verschlechterte.

Wenn die Zellen leuchten

Um das Verhalten der verschiedenen Zellarten verfolgen zu können, waren zudem die Herzmuskelzellen mittels weiterer gentechnischer Eingriffe so verändert, dass Zellen aus dem Vorhof und der Herzkammer jeweils unterschiedlich leuchteten. "Wenige Stunden nach der Medikamentenbehandlung leuchteten im Ventrikel nur noch wenige Zellen rot und die Herzkammer war deutlich geschrumpft; beides Hinweise auf das Absterben der Muskelzellen“, so Stainier. Bereits 24 Stunden später habe das Leuchten wieder deutlich zugenommen. Dies sei ein Hinweis auf eine Zellteilungsaktivität von überlebenden Zellen in der Herzkammer.

Eine derartige Regenerationsfähigkeit beim Zebrafisch ist seit längerem bekannt. Die eigentliche Überraschung war allerdings, dass zunehmend grün leuchtende Muskelzellen aus dem Vorhof in die Herzkammer einwanderten. Wenige Tage nach der Schädigung des Muskelgewebes leuchten weite Teile des Ventrikels grün.

Vorhofzellen werden zu Herzkammerzellen

In weiteren Untersuchungen fanden die Wissenschaftler dann deutliche Hinweise auf eine sogenannte Transdifferenzierung von Muskelzellen: Die Muskelzellen aus dem Vorhof des Fischherzens verlieren zunächst ihre charakteristischen Eigenschaften, um anschließend im Zuge der Regeneration zu Herzkammerzellen zu werden. Mit dem Fortschreiten der Herzregeneration wurden diese Zellen fest in das Muskelgewebe eingebaut und leisteten ihren Beitrag zur Wiederherstellung der Herzfunktion.

Die Forscher sehen in ihrer Studie Potenzial für eine Therapie. "Obwohl beim Menschen im Vorhof eine Zellpopulation gefunden wurde, die ein vergleichbares Verhalten an den Tag legt, ist es fraglich, ob das menschliche Herz eine vergleichbare Selbstheilungsfähigkeit besitzt“, sagt Stainier. Eine Lösung könnte aber sein, mit Hilfe einer Gentherapie derartige Umprogrammierungen von Zellen zu stimulieren und dadurch die Selbstheilungskräfte des Herzens zu stärken.Originalpublikation:Ruilin Zhang, Peidong Han, Hongbo Yang, Kunfu Ouyang, Derek Lee, Yi-Fan Lin, Karen Ocorr, Guson Kang, Ju Chen, Didier Y. R. Stainier, Deborah Yelon & Neil C. ChiIn vivo cardiac reprogramming contributes to zebrafish heart regeneration.Nature. 27. Jun 2013; 498(7455):497-501. doi: 10.1038/nature12322

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