Was für ein Arzt will ich sein?
Welche Wertvorstellungen habe ich als angehender Mediziner, welche Persönlichkeitsmerkmale will ich dabei weiterentwickeln? Um diese komplexen und oft auch persönlichen Fragen geht es in den Seminaren von „LongProf“, einem Projekt der Universitätsklinik Jena. Medizinstudierende können sich hier mit ihrer professionsbezogenen Entwicklung auseinandersetzen.
Das „Longitudinale Curriculum zur Ärztlichen Professionalitätsentwicklung“ befindet sich zurzeit in der Pilotphase und ist auf zwei Jahre angelegt. Die Lehrangebote richten sich an die Studierenden im Klinischen Abschnitt ab dem fünften Fachsemester, diese werden zurzeit von sechs ärztlichen und zwei psychologischen Lehrenden moderiert. Die Gesamtkoordination übernimmt das Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Jena.
Umgang mit Fehlern und Patientenwohl
„Im Medizinstudium steht zunächst das Fachliche im Vordergrund: Die Studierenden lernen Fakten, verstehen Zusammenhänge und trainieren praktische Tätigkeiten – und das oft in vielen Einzelkursen mit jeweils anderen Lehrenden“, erläuterte der Leiter des Projektes, Dr. Sven Schulz. Aspekte hingegen, die über die fachliche Expertise hinausgingen, aber für die berufliche Persönlichkeit wesentlich seien, würden im Studium oftmals nur punktuell oder implizit vermittelt, sagte er. Solche Aspekte wolle „LongProf“ ansprechen, zum Beispiel die Verantwortungsübernahme und Autonomie des Arztes, den Umgang mit Fehlern, auch den eigenen Fehlern, die Schaden-Nutzen-Abwägung oder das Spannungsfeld von Patientenwohl und Ökonomie.
Biografie-Arbeit und Rollenspiele
Der Kurs habe bereits im Wintersemester 2021/22 mit 20 Studierenden begonnen, wie die Universitätsklinik Jena dazu berichtet. Im April starte das zweite Semester. Gemeinsam mit dem „LongProf“-Team sollten sich die Studierenden mit vielfältigen Methoden wie Biografie-Arbeit, Gruppenreflexion und Rollenspielen den großen Themen nähern. Dabei würden fünf Handlungs- und Beziehungsebenen der zukünftigen Ärztinnen und Ärzte berücksichtigt: die zur Patientin, die zu sich selbst als Arzt, im Team, im Gesundheitssystem und die Verantwortung für und in der Gesellschaft. Die Erfahrungen und Bedürfnisse der Studierenden würden hier aktiv mit den Lehrangeboten verknüpft und bildeten die Basis für die eigene Professionalitätsentwicklung.
Selbstreflexion und Selbstfürsorge
Mit dem Projekt sollen die Studierenden auch zur Selbstreflexion und Selbstfürsorge, zum Nachdenken über persönliche und berufliche Befürchtungen und Erwartungen angeregt werden, heißt es weiter. In einem wöchentlichen Mentoringangebot könnten die Studierenden engeren Kontakt zu einer Ärztin oder einem Arzt knüpfen, den sie nicht nur als Kardiologen oder Chirurgin kennenlernen, sondern in erster Linie als Gesprächspartner und Begleitung der beruflichen Entwicklung.
Hauptthemen im zweiten Semester werden die ärztliche und die Patientenautonomie sowie Achtsamkeit und Resilienz sein. Neben dem unmittelbaren Feedback der Teilnehmenden plant das Projektteam eine umfassende qualitative und quantitative Evaluierung für den gesamten Kurs mit dem Ziel, das Lehrangebot langfristig im Medizinstudium zu verankern. Das Projekt soll bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen.