Reaktionen auf Vorstoß von Kanzleramtsminister Braun

Wie fair sind Verschärfungen für Nicht-Geimpfte?

pr
Kanzleramtsminister Helge Braun hat in Deutschland mit seinem Vorstoß, Beschränkungen für Ungeimpfte einzuführen, eine Debatte losgetreten. Ist der Vorschlag fair? Die Meinungen der Politiker sind geteilt.

In einem Interview der Bild am Sonntag hatte Braun mögliche Einschränkungen für nicht gegen Corona geimpfte Personen ins Gespräch gebracht. Mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen sagte er: „Bei hohem Infektionsgeschehen trotz Testkonzepten würden Ungeimpfte ihre Kontakte reduzieren müssen. Das kann auch bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch ist.“

Braun: Bei Nicht-Geimpften wird es Verschärfungen geben müssen

Solange die Impfstoffe gegen die Delta-Variante von COVID-19 wirken, halte er einen Lockdown für nicht mehr nötig, erklärte Braun. Die Geimpften und Genesenen spielten für das Infektionsgeschehen keine wesentliche Rolle mehr. Sollte jedoch eine vierte Welle kommen, würde dies nicht ohne Auswirkungen bleiben.

Braun: "Abstandsregel und Maskenpflicht brauchen wir deshalb weiterhin. Und bei Nicht-Geimpften wird es Testpflichten und bei hohen Infektionszahlen weitere Verschärfungen geben müssen.“ Ob Einschränkungen rechtlich zulässig seien, beantwortete Braun mit Ja: „Der Staat hat die Pflicht, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.“

Laschet: Freiheitsrechte gibt es nicht nur für bestimmte Gruppen

NRW-Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet positionierte sich im ZDF-Sommerinterview gegen mögliche Beschränkungen für Ungeimpfte. „Ich halte nichts von Impfpflicht und halte auch nichts davon, auf Menschen indirekt Druck zu machen. In einem freiheitlichen Staat gibt es Freiheitsrechte nicht nur für bestimmte Gruppen,“ sagte er. Für ihn müsse nun Vorrang haben, möglichst viele Bürger von der Impfung gegen Corona zu überzeugen.

Seehofer: Das ist keine Diskriminierung der Nicht-Geimpften

Bundesinnenminister Horst Seehofer hingegen stützte Braun: „Das ist keine Diskriminierung der Nicht-Geimpften“, sagte er im Interview mit RTL/ntv. Er achte es, wenn jemand sich aus persönlichen Gründen gegen eine Impfung entscheide. „Aber die nicht geimpfte Person muss auch einsehen, dass wir die Gesamtgesellschaft schützen müssen und deshalb nur die Geimpften zu größeren Gemeinschaftsveranstaltungen zulassen können.“

Auch der die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach finden es es richtig, vollständig Geimpften ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder mehr Möglichkeiten im Alltag einzuräumen als Ungeimpften.

Auch der Präsident des Weltärzteverbandes, Prof. Frank Ulrich Montgomery, stellte sich hinter den Vorstoß des Kanzleramtschefs. Es gehe nicht um Privilegien für Geimpfte, sondern um Grundrechtseinschränkungen, argumentierte er in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es gebe keinen Grund, Geimpften und Immunen ihre Rechte weiter vorzuenthalten, nur weil sich einige den Impfungen entzögen.

Wissler: Mit Benachteiligungen zu drohen, sei der falsche Weg

Kritik an Brauns Vorstoß kommt hingegen von den Vorsitzenden der Linken, Janine Wissler. Nicht-Geimpften mit Benachteiligungen zu drohen, sei der falsche Weg, erklärte sie in der „Welt“ – zumal es für viele auch noch keine Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission gebe, so etwa für Kinder unter zwölf Jahren oder Schwangere.

Kubicki: "klar verfassungswidrig"

Kritik an Braun kommt auch aus der FDP: So forderte Generalsekretär Volker Wissing mehr Tempo beim Impfen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, FDP, sprach von einer Einführung der Impfpflicht durch die Hintertür. Beschränkungen für Nicht-Geimpfte sind aus seiner Sicht „klar verfassungswidrig". Und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sieht jetzt Erwachsene in der Pflicht, sich aus Solidarität zu Kindern und Jugendlichen impfen zu lassen.

Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrats, bezeichnete die Diskussion in Deutschland um eine Corona-Impfpflicht als unangemessen, sie wäre nur im äußersten Notfall gerechtfertigt, wenn die gesundheitliche Situation völlig aus dem Ruder liefe – und dann auch nur für bestimmte Berufsgruppen. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, forderte, einen sicheren Schulbetrieb zu ermöglichen.

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