Wie Kommunikation die Wirksamkeit von Ibuprofen steigert
Eine aktuelle Studie belegt, dass Placeboeffekte auch bei Entzündungen den Nutzen aktiver Wirkstoffe steigern können. Für Behandelnde ist das eine wichtige Erkenntnis: Bereits geringe Veränderungen in der Kommunikation, mit denen eine Therapiemaßnahme positiv besetzt wird, können den Therapieerfolg deutlich steigern.
Die Arbeitsgruppe um den Psychologen Prof. Sven Benson, Leiter des Instituts für Didaktik in der Medizin an der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Essen und Projektleiter im Sonderforschungsbereich „Treatment Expectation“ (A11), veröffentlichte ihre Ergebnisse im aktuellen BMC Medicine (BioMed Central).
Das Team aus Essen dokumentierte die Ergebnisse bei 124 gesunden Probanden zwischen 19 und 45 Jahren. Sie erhielten am Experimentaltag eine niedrig dosierte immunaktivierende Substanz (LPS – Lipopolysaccharid), die Immun-vermittelte Symptome während einer akuten Entzündungsreaktion hervorruft. Kombiniert wurde die LPS-Gabe entweder mit der Einnahme von Ibuprofen oder eines Placebos (Scheinmedikament). Hinzu kamen positive oder neutrale Informationen über die Behandlung.
So wirken Informationen in Kombination mit Schmerzmittelgabe
„Sie werden 600 Milligramm Ibuprofen vor der Endotoxin-Injektion erhalten. Ibuprofen reduziert effektiv die Entzündungsreaktion und die Symptome wie Kopf- und Muskelschmerzen. Ibuprofen wurde in vorherigen experimentellen Studien mit einem sehr guten Effekt eingesetzt, um Krankheitssymptome zu lindern.“ Diese Informationen erhielten die Teilnehmenden in der positiven Kommunikations-Gruppe. Die neutrale Kommunikations-Gruppe erhielt dagegen Informationen wie: „Unsere Studie ist doppelblind und wir wissen nicht, ob Sie das Ibuprofen oder das Placebo bekommen."
Die Ergebnisse zeigen, dass diese positiven Informationen die Krankheitssymptome effektiv zusätzlich zum Ibuprofen linderten. Behandelnde können demnach durch positive Erwartungseffekte die Arzneimittelwirkung konkret fördern. Allerdings zeigten sich durch die positive Kommunikation keine Effekte auf Marker wie Cortisol, das Adrenocorticotrope Hormon, Immunbotenstoffe (Zytokine), die Körpertemperatur und Herzfrequenz. Das lässt vermuten, dass die Erwartungseffekte primär durch andere Mechanismen wirken als beim direkten Einfluss des Medikaments auf die Immunantwort.
Große Bedeutung für viele Therapien
Bei vielen Krankheiten spielen Entzündungen eine Rolle, etwa bei Infektionen, aber auch bei neuropsychiatrischen Erkrankungen oder chronischen Schmerzen. Durch die Entzündung ausgeschüttete Botenstoffe aktivieren dabei nicht nur die Körperabwehr, sondern sie wirken auch auf das Gehirn. Immunvermittelte Symptome wie depressive Verstimmung, gesteigertes Schmerzempfinden, Müdigkeit oder unspezifische körperliche Beschwerden können die Folge sein. Gerade für Menschen, die unter chronischen Entzündungskrankheiten leiden, kann das eine große Belastung sein.
Fazit
„Unsere Studienergebnisse bedeuten, dass Informationen, die von einer Ärztin oder einem Arzt auch zu einem weit verbreiteten Medikament wie Ibuprofen gegeben werden, die Wirksamkeit des Medikaments verstärken können“, resümiert Benson. Interessanterweise zeigte sich zudem, dass sich die Entzündungssymptome bei positiver Information bereits besserten, wenn faktisch kein wirksames Medikament gegeben wurde und dass dieser Effekt insbesondere für das psychische Wohlbefinden während der Entzündungsreaktion zu beobachten war.
„Das zeigt, dass wir dringend umdenken müssen bei medikamentösen Therapien. Denn wie wirksam eine Behandlung ist, hängt nicht nur von dem Wirkstoff ab, sondern auch von der Erwartungshaltung. Und zwar nicht nur in der Schmerztherapie, wo diese Effekte schon länger bekannt sind. Hier liegt ein großes, bislang wenig genutztes Potenzial für die Optimierung und Personalisierung von medizinischen Behandlungen“, erklärt die Neurologin und Leiterin der Schmerzmedizin an der Universitätsklinik Essen, Prof. Ulrike Bingel. Sie ist Sprecherin des Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“ und forscht seit Jahrzehnten intensiv zu Placebo- und Noceboeffekten in der Medizin.
Schmidt, J., Reinold, J., Rohn, H. et al. Placebo effects improve sickness symptoms and drug efficacy during systemic inflammation: a randomized controlled trial in human experimental endotoxemia. BMC Med 23, 455 (2025).