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"Wir wollen gesundheitliche Chancengleichheit!"

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Trier will die elektronische Gesundheitskarte (eGK) für Asylbewerber einführen. Ein Schritt, den der rheinland-pfälzische KZV-Vorsitzende Sanitätsrat Dr. Helmut Stein begrüßt. Er wirbt für einen landesweiten einheitlichen Leistungskatalog. Wir fragten nach.

Herr Dr. Stein, in Trier wird jetzt als erste Kommune in Rheinland-Pfalz die elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerber eingeführt. Wie bewerten Sie das? Rechnen Sie mit einer Sogwirkung für weitere Kommunen im Land?

Sanitätsrat Dr. Helmut Stein: Wir begrüßen die Einführung. Sie ist ein längst überfälliger Schritt. Daher hoffen wir, dass die Entscheidung in Trier ein Signal setzt und sich weitere Kommunen anschließen werden. Die Stadt Mainz hat sich zwischenzeitlich ebenfalls dafür ausgesprochen.

Eine Sogwirkung erwarte ich aber nicht. Die Gespräche, die wir im vergangenen Jahr dazu führten, haben gezeigt, dass in Rheinland-Pfalz eine landesweit einheitliche Regelung nicht umsetzbar ist. Zu unterschiedlich sind die Auffassungen der über 50 Landkreise und Städte, in deren Verantwortung die medizinische Versorgung von Asylbewerbern liegt.

Der Landesregierung sind hier enge Grenzen gesetzt. Das Gesundheitsministerium hat im Februar dieses Jahres lediglich eine Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen über die eGK-Einführung schließen können. Dieser können die Kommunen beitreten.

Mit welchem Leistungsumfang können die Karteninhaber rechnen?

Hier bleibt alles beim Alten. An den für Asylbewerber eingeschränkten medizinischen Leistungen ändert die eGK zunächst nichts. Das heißt, sie werden auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes bei akuten Erkrankungen und bei Schmerzen versorgt.

Sind diese Leistungen für eine umfassende Versorgung ausreichend?

Wir haben uns bereits im vergangenen Jahr in Gesprächen mit den zuständigen Landesministerien für Gesundheit und Integration und mit den Kommunen für einen erweiterten Leistungskatalog stark gemacht. Wir sind der Meinung, dass eine reine Notfallbehandlung nicht ausreicht. Ein Großteil der Asylbewerber wird in Deutschland bleiben und dann auch in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden. Es wäre nur konsequent, ihnen neben Schmerz- und Notfallbehandlungen auch eine Grundversorgung mit konservierend-chirurgische Leistungen zu ermöglichen, um Zähne zu erhalten. Dies spart der Solidargemeinschaft mittelfristig Kosten.

Die KZV Rheinland-Pfalz hat 2015 einen Leistungskatalog für die zahnmedizinische Versorgung von Asylbewerbern erarbeitet. Was sind die Kernpunkte?

Vorneweg: Das Leistungsverzeichnis soll allen Beteiligten - Flüchtlingen, Kommunen und Zahnärzten - Rechtssicherheit für die zahnärztliche Behandlung geben. Aus unserer Erfahrung heraus wird der Leistungsumfang nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sehr unterschiedlich von den Sozialämtern ausgelegt, und auch wir Zahnärzte wissen häufig nicht, wie die Versorgung nach dem Gesetz praktisch umzusetzen ist.

Grundgedanke unseres Leistungskatalogs ist: Nur die Trepanation reicht nicht aus. Eine vorübergehende Ausschaltung von Schmerzen hilft dem Patienten nur kurzzeitig. In der Regel zieht eine Notfallbehandlung, zum Beispiel die Trepanation eines Zahns, ohne die erforderliche zahnmedizinische Weiterbehandlung kostenaufwendigere Maßnahmen nach sich. Im Leistungskatalog finden sich daher grundlegende konservierend-chirurgische Leistungen aus der vertragszahnärztlichen Regelversorgung, zum Beispiel einfache Füllungen oder Wurzelbehandlungen.

Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es, dass Leistungen zur Besserung oder Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen zu gewähren sind. Hieran knüpfen wir unser Leistungsverzeichnis. Darüber hinaus sieht der Katalog für asylsuchende Kinder Füllungen und Leistungen der Individualprophylaxe vor, damit sie die Chance auf eine zahngesunde Entwicklung haben. Zahnersatz und kieferorthopädische Leistungen würden weiterhin dem Genehmigungsvorbehalt der Behörden unterliegen.

Wie wird der Katalog bisher umgesetzt?

Der Katalog wurde den Kommunen über das Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt. Hier gilt das Gleiche wie bei der Einführung der eGK: Es obliegt den Kommunen, über die Umsetzung zu entscheiden. Leider hat die Diskussion um die Gesundheitskarte bislang auch unseren Leistungskatalog ausgebremst. Mit der Einführung der eGK werden wir ihn wieder thematisieren. Das Gesundheitsministerium befürwortet das Verzeichnis, aber dem Amt sind wie bei der eGK die Hände gebunden.

Wie soll die präventive zahnmedizinische Betreuung von allem von Kindern und jugendlichen Asylbewerbern verbessert werden?

Zahnpflege hat in vielen Herkunftsländern der Asylbewerber nicht den Stellenwert, den sie in Deutschland hat. Während deutsche Kinder und Jugendliche durch konsequente zahnmedizinische Vorsorge und Versorgung immer gesündere Zähne haben, erkennt man Flüchtlingskinder häufig an ihren schlechten, kariösen Zähnen.

Sobald asylsuchende Kinder und Jugendliche von den Erstaufnahmeeinrichtungen einer Kommune zugeteilt sind, besuchen sie eine Kita oder eine Schule. Dort werden sie im Rahmen der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe betreut. Für eine zahngesunde Entwicklung ist entscheidend, dass diese Präventions- und Früherkennungsmaßnahmen in den Zahnarztpraxen fortgesetzt werden. Deshalb haben wir im Leistungskatalog die Individualprophylaxe aufgenommen.

Natürlich, das gilt für Erwachsene und Kinder gleichermaßen, deshalb wollen wir auch sicherstellen, dass bereits vorhandene Zahnschäden dort zahnerhaltend behandelt werden können. Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist es uns wichtig, gesundheitliche Chancengleichheit herzustellen.

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