Zähne entlarven mysteriösen Urmenschen aus Java
Die Wissenschaftler haben mit einem internationalen Team eine weitere fossile Menschenaffenart in der Senckenberg Hominiden-Sammlung in Franfurt nachgewiesen. Die neue Art wurde bereits 1950 von Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald, dem Begründer der paläoanthropologischen Abteilung Senckenbergs, als Meganthropus palaeojavanicus beschrieben, jedoch damals als Urmensch gedeutet.
Untersuchungen der anatomischen Strukturen der Zähne zeigen nun, dass es vor etwa einer Million Jahren im Lebensraum von Homo erectus mindestens drei weitere Hominiden auf Java gab: Mehr als 200 fossile Zähne und Kieferteile wurden bereits auf Java in Indonesien entdeckt. Überwiegend gehören diese homininen Überreste zu der ausgestorbenen Art Homo erectus, zu der auch die ersten von Eugène Dubois 1891 außerhalb Europas gefundenen Fossilien von Frühmenschen zugeordnet wurden.
„Bekannt ist, dass Homo erectus sich auf Java zur Zeit des Pleistozäns, vor etwa einer Million Jahre, in Gesellschaft von Vorläufern des heutigen Orang-Utans befand“, erklärt PD Dr. Ottmar Kullmer vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt. „Wir konnten nun nachweisen, dass es zeitgleich sogar noch eine weitere Menschenaffenart gab.“
Gemeinsam mit dem Erstautor der Studie, Clément Zanolli von der Universität Bordeaux, untersuchte Kullmer mit einem internationalen Team fossile Hominidenzähne, die 1941 von Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald gefunden wurden, mit neuesten Methoden.
Auch die Analyse des Zahnschmelzes zeigt, dass die Zähne weder zu Homo erectus noch zu Orang-Utans gehören
„Unsere mikro-computertomografischen Untersuchungen und die Analyse des Zahnschmelzes zeigen, dass die Zähne weder zu Homo erectus noch zu Orang-Utans gehören“, erläutert Zanolli. „Es gibt zudem keinerlei Hinweise darauf, dass es sich um Vorfahren des heutigen Menschen handelt.“
In der Vergangenheit gab es aber immer wieder wissenschaftliche Kontroversen über den ‚mysteriösen Hominiden Meganthropus’; aber keine gesicherten Belege für dessen Existenz“, so Kullmer. Die neuen Daten zeigen nun, dass sich die Zähne in der Verteilung der Schmelzdicke, der Oberfläche und Position der Höcker des Dentins im Inneren der Zahnkronen sowohl von den Zähnen Homo erectus’, als auch von denen der Orang-Utans deutlich unterscheiden.
Ausschließlich Früchte und Pflanzen? Homo erectus war flexibler in seiner Ernährung
Das Abnutzungsmuster der Backenzähne von Meganthropus entspricht dem fossiler und heutiger Orang-Utans. Kullmer: „Wir gehen daher davon aus, dass sich die ‚wiederbenannte’ Art ähnlich wie die modernen Orang-Utans, hauptsächlich von Früchten und anderen über der Erde wachsenden Pflanzenteilen, ernährte. Homo erectus dagegen war vermutlich aufgrund seiner Fähigkeit Nahrung unterschiedlich zuzubereiten flexibler in seiner Ernährung. Ob eine einseitigere Ernährung oder gar Homo erectus selbst zum Aussterben von Meganthropus beigetragen haben, ist aber nicht belegt.“
Laut der aktuellen Studie gilt es nun als gesichert, dass es vor etwa einer Million Jahre – neben Homo erectus – mindestens drei Hominiden-Gattungen in den Wäldern der heutigen indonesischen Inseln gab und damit eine höhere Vielfalt, als bisher angenommen – „eventuell kommt sogar noch eine weitere Gattung, der als Gigantopithecus bekannte Riesenmenschenaffe, hinzu. Hier fehlt uns bisher aber der eindeutige Nachweis", berichtet Kullmer abschließend.
Clément Zanolli, Ottmar Kullmer, Jay Kelley, Anne-Marie Bacon, Fabrice Demeter, Jean Dumoncel, Luca Fiorenza, Frederick E. Grine, Jean-Jacques Hublin, Nguyen Anh Tuan, Nguyen Thi Mai Huong, Lei Pan, Burkhard Schillinger, Friedemann Schrenk, Matthew M. Skinner, Xueping Ji & Roberto Macchiarelli (2019): Evidence for increased hominid diversity in the Early to Middle Pleistocene of Indonesia, in: Nature Ecology & Evolution, DOI: 10.1038/s41559-019-0860-z