Auszeichnung für Projekt „Inklusive Zahnarztpraxis“

Zahnarzt und sein Team gewinnen Bundesteilhabepreis

LL
Gesellschaft
Dr. Guido Elsäßer und sein Praxisteam wurden mit dem Bundesteilhabepreis 2023 ausgezeichnet. Seit 1995 engagiert sich der Zahnarzt für die bestmögliche Versorgung von Patienten mit Behinderung.

Am Montag würdigte Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales (SPD), bei der Preisübergabe im Rahmen der jährlichen Inklusionstage drei Preisträgerinnen und Preisträgern. Der Wettbewerb „GESUNDHEIT INKLUSIV – barrierefreie ambulante Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen“ zeichnet bundesweit herausragende Projekte aus und ist mit insgesamt 17.500 Euro dotiert. Er wurde zum fünften Mal verliehen.

„Wir haben drei Projekte ausgezeichnet, die neue Wege bei der ambulanten Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen gehen. Alle zeigen vorbildlich, wie einfach es sein kann, Barrieren abzubauen – wenn man pragmatisch ist und auf jene hört, die aus Erfahrung sprechen„, sagte Heil bei der Übergabe der Urkunden. “Bei allen drei Projekten wurden gute Lösungen im Schulterschluss von Gesundheitsversorgern und Betroffenen erarbeitet. Davon können wir alle lernen.“

Preisträger Elsäßer sieht sich noch nicht am Ziel

Dieses Jahr gehört nun auch Dr. Guido Elsäßer aus Kernen-Stetten (Baden-Württemberg) zu den Preisträgern. Der Zahnarzt ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für inklusive Zahnmedizin bei der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Referent seiner Landeszahnärztekammer für inklusive Zahnmedizin. Beworben hat sich seine Praxis auf Anregung einer Mitarbeiterin des Sozialdienstes der Diakonie Stetten, berichtet Elsäßer. Die Ehrung bezeichnete er als „eine riesige Überraschung und eine tolle Bestätigung", vor allem, da die Jury ausschließlich mit Experten aus der Behindertenhilfe besetzt ist. Trotz des Gewinns sieht sich der Preisträger noch nicht am Ziel. „Es ist leider noch nicht alles so, wie es sein könnte“, sagt er. „Bleiben wir gemeinsam dran!“

Seit Mitte der 1995 versorgt der Zahnarzt mit seinem Team Patienten mit Behinderung. Ziel war es dabei immer auch, gesundheitspolitische Verbesserungen anzustoßen, berichtet er: „Damals habe ich voller Idealismus und etwas blauäugig die Praxis in Stetten gegründet. Zu der Zeit waren die Begriffe Inklusion oder Teilhabe noch nicht in der politischen Diskussion. Auch eine UN-Behindertenrechtskonvention gab es nicht. Wir schauten einfach bei unseren Patienten, was geht, was geht nicht und wenn nicht, warum nicht."

Elsäßer: „Das gesamte Umfeld muss mit einbezogen werden“

Daraus entwickelte sich über die Jahre ein komplexes Praxiskonzept: Nicht-behinderte Patienten sollten auf hohem Niveau behandelt, Patienten mit Behinderung im Wachzustand und gegebenenfalls in Narkose adäquat versorgt und später auch Patienten mit Pflegebedarf und Behinderung in den Wohneinrichtung aufsuchend betreuen werden. Dafür seien „Gesamtheitliches und interdisziplinäres Denken sowie engagiertes Tun des gesamten Praxisteams notwendig, denn in der zahnärztlichen Betreuung von Menschen mit Behinderung sind nicht nur die Patienten selbst mit ihren sehr individuellen Bedarfen zu berücksichtigen, sondern auch deren gesamtes unterstützendes Umfeld“, erklärt Elsäßer. Dazu zählten Angehörige, Heilerziehungspfleger, Pflegefachkräfte, rechtliche Betreuer, Ärzte und Therapeuten.

Die Praxis Elsäßer liegt in unmittelbarer Nähe einer Behinderten­wohn­ein­rich­tung, daher war die Barrierefreiheit der Praxisräume bei Bau und Einrichtung naheliegend. Zur Ausstattung gehören neben Rampe und Aufzug eine abgesenkte Sprechanlage, elektronische Türöffner sowie ein abgesenkter Empfangstresen. Mobile Geräte zum Röntgen, Transferhilfen wie Haltegurte und Rutschbretter sind Teil der inklusiven Praxis. Die Zahnärztinnen und Zahnärzte nehmen regelmäßig an Special-Care-Dentistry-Fortbildungen teil. Wenn notwendig, untersuchen sie Patientinnen und Patienten mit Behinderungen auch direkt vor Ort in ihrer häuslichen Umgebung.

Zum Preis: Eine unabhängige Fachjury, bestehend aus zwölf Expertinnen und Experten der Verbände von Menschen mit Behinderungen sowie aus Kommunen und Ländern, hat die Preisträger weisungsfrei und anonymisiert ausgewählt. Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit hat wie in den Vorjahren das Wettbewerbsverfahren im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales umgesetzt.

Auch im Bereich der barrierefreien Kommunikation wurden Möglichkeiten geschaffen, zum Beispiel wurde ein Aufklärungsbogen in Leichter Sprache entwickelt, erklärt der Zahnarzt. Kommuniziert wird mit allen Patienten auf Augenhöhe, manchmal auch mit Kommunikationshilfen oder unterstützenden Personen. Zusammengearbeitet wird auch mit Therapeuten aus den Bereichen Logopädie und Physiotherapie. Für Menschen mit Behinderungen wurde so eine ambulante zahnärztliche Versorgung geschaffen, in der sie angstfrei und ohne Barrieren behandelt werden können. Klinikeinweisungen können dadurch reduziert werden.

„Beim Thema Finanzierung ist allerdings noch etwas zu tun, da die Behandlung von Menschen mit Behinderungen oftmals einen Mehraufwand an Zeit, Ausstattung und Personal bedeutet", fügt Dr. Volker Sieger, Leiter der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, hinzu. Wünschenswert sei darum eine entsprechend gesicherte Vergütung von vertragsärztlichen Leistungen.

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