Ziel ist immer die Deeskalation – bis zum eigenen Schutz
Immer häufiger erfahren Angestellte und Ärzte bei der Arbeit unterschiedliche Formen von Gewalt. Die gesetzliche Unfallversicherung hat deshalb kürzlich einige Hinweise zu sicherem Verhalten zusammengetragen, damit Teams sich auf solche Situationen vorbereiten können und deeskalierend wirken.
Für die Einschätzung von Gewaltsituationen ist die „Stufenpyramide zur Gewaltprävention“ hilfreich, schreibt die DGUV. Denn diese gliedert Gewaltereignisse in vier Stufen und ordnet diesen Stufen entsprechende Präventionsmaßnahmen und Verhaltensempfehlungen zu. Die Pyramide hilft auch zwischen Situationen zu unterscheiden, in denen Deeskalation helfen kann und solchen, in denen die Eigensicherung im Vordergrund stehen muss.
In weniger extremen Situationen hilft Zuhören
Konflikte mit verbalen Angriffen oder Beleidigungen ergeben sich häufig daraus, dass die angreifenden Personen unter Stress stehen. Darum es wichtig, durch Zuhören und Verstehen die Ursache für das aggressive Verhalten zu erkennen, so die DGUV. Der erste Schritt: Die Person sollte freundlich angesprochen und ihr ein Ausweg aus der Situation angeboten werden.
Deeskalierendes Verhalten spielt vor allem in impulsiven verbalen Gewaltsituationen eine entscheidende Rolle. Es hat zum Ziel, die akute Gefahrenlage zu entschärfen und den Stress der Beteiligten zu senken. In Situationen mit körperlicher oder extremer Gewalt helfen Versuche der verbalen Deeskalation hingegen kaum mehr. Im Vordergrund steht hier der Schutz der eigenen und anderer Personen.
Tipps für sicheres Verhalten nach dem Stufenmodell zur Gewaltprävention:
Stufe 1: Kleine Streitigkeiten und kontroverse Gesprächssituationen
Zuhören
Verständnis zeigen
Hintergründe erklären
nach Lösungen suchen, Alternativen anbieten
ruhig und freundlich im Gespräch bleiben
Stufe 2: Verbale Aggression, Sachbeschädigung und unangepasstes Sozialverhalten
aufrechte, offene Haltung annehmen
ruhig und besonnen bleiben, Äußerungen nicht persönlich nehmen
selbstsicher kommunizieren und Grenzen setzen
Aggressor/Aggressorin nicht provozieren oder anfassen
Blickkontakt herstellen, im Gespräch bleiben. Bei Bedarf dritte, neutrale Person zur Lösungsfindung hinzuziehen
Stufe 3: Handgreiflichkeiten und körperliche Gewalt
Eigensicherung beachten!
Sich bemerkbar machen, um Hilfe rufen
andere Personen aus dem Umfeld um Unterstützung bitten
Der Person nicht den Rücken zukehren
Fluchtwege ausfindig machen, gegebenenfalls fliehen, sich in Sicherheit bringen
Polizei rufen
Gegebenenfalls Strafanzeige erstatten und Unfallanzeige stellen
psychologische Erstbetreuung der Betroffenen sicherstellen
Stufe 4: Einsatz von Waffen, Geiselnahme, Überfall und Amok
Eigensicherung beachten!
Ruhe bewahren und sachlich bleiben
Den Täter/die Täterin höflich behandeln und aufmerksam zuhören
Abstand halten
Die Anweisungen des Täters/der Täterin befolgen
Keinen Widerstand leisten, nicht widersprechen und provozieren
Keine Waffen oder ähnliches (wie etwa Pfefferspray) benutzen
Die Hände gut sichtbar halten, um reflexartige Stresshandlungen des Täters/der Täterin zu verhindern
Eigene Handlungen und Aktivitäten mit Worten beschreiben
Dem Täter/der Täterin immer einen Fluchtweg offenhalten
Wenn die Möglichkeit einer sicheren Flucht besteht, sich in Sicherheit bringen
Strafanzeige erstatten und Unfallanzeige stellen
psychologische Erstbetreuung der Betroffenen sicherstellen
Betriebe können die Gewaltpyramide auch für ihre Gefährdungsbeurteilung nutzen, erklärt die DGUV. Mit Hilfe der Stufenpyramide sollten technische und organisatorische Maßnahmen vor, während und nach einem möglichen Gewaltereignis festgelegt werden.
Ziel ist die grundsätzliche Verhinderung von Gewalt und die Sicherung der Beschäftigten. Je nach Gewaltstufe sollten auch Verhaltensregeln mit den Beschäftigten besprochen und eingeübt werden, lautet die Empfehlung. Außerdem sollten Maßnahmen zur Unterstützung von Betroffenen nach einem Übergriff festgelegt werden.