Zu viele Klinikaufenthalte bei Zahnerkrankungen
Die von Prof. Dr. Leonie Sundmacher vom Fachbereich Health Services Management der Ludwig-Maximilians-Universität München vorgestellte Untersuchung beschäftigte sich mit sogenannten ambulant-sensitiven Krankenhausfällen (ASK). ASK sind der Forscherin zufolge stationäre Aufenthalte, die sich durch Interventionen im ambulanten Bereich - wie Früherkennungsmaßnahmen, eine gutes Management chronischer Erkrankungen sowie Immunisierungen und die Behandlung von Akuterkrankungen - vermeiden lassen. Sie dienen somit als Instrument zur Qualitätsmessung im ambulanten Bereich.
Ein Qualitätsmesser
Sundmacher folgt mit ihrer Untersuchung auch einer Empfehlung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, die Qualität der ambulanten Versorgung auf der Grundlage risikoadjustierter Krankenhausfälle zu messen. Befragt wurden im Rahmen der Münchner Studie 35 Ärzte, die je zur Hälfte in Klinik und Praxis tätig sind. Die Spezialisten repräsentieren über 15 Fachrichtungen und arbeiten sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum.
Die Spitze des Eisbergs
Die Befragten stuften bundesweit insgesamt fünf bis sechs Millionen Fälle als ambulant-sensitiv ein. 75 Prozent (rund 4,2 Millionen) davon seien grundsätzlich vermeidbar, lautet das zentrale Ergebnis der Untersuchung. Überflüssige Krankenhausaufenthalte aufgrund von Zahn- und Mundhöhlenerkrankungen bilden mit 94 Prozent dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Bei den Herz-Kreislauferkrankungen wären nach Angaben von Sundmacher zwischen 61 und 71 Prozent der Krankenhausfälle vermeidbar. Hypertonie und Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich führen der Befragung zufolge bei etwa 85 Prozent zu überflüssigen Einweisungen, gefolgt von depressiven Störungen mit 70 Prozent.
22 Krankheiten
Insgesamt ließe sich nach Aussage von Sundmacher ein „Kernkatalog“ von 22 Krankheiten ausmachen, die vermehrt zu ASK führen und bei einer entsprechenden Verbesserung der ambulanten Qualität vermeidbar wären. Die Untersuchung machte darüber hinaus deutlich, dass es regional mitunter große Unterschiede bei der Zahl der ASK gibt. Als Faustformel gilt: je weniger vertragsärztliche ambulante Leistungen in einer Region erbracht werden, umso höher ist die Zahl der ASK und umgekehrt.
Qualitätsverbesserungen ließen sich vor allem durch eine kontinuierliche Zusammenarbeit über Sektorengrenzen hinweg und die Erschließung neuer Versorgungsansätze durch den Einsatz von Telemedizin oder die Aufwertung nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe erzielen, so das Fazit der Studie.