"Zucker ist Gift"
Warum ist der Zuckerkonsum in den USA so stark angestiegen?
Prof. Robert Lustig:
Zucker steckt in Allem drin. Es ist nicht der Zucker, den man kennt, sondern der, den man nicht vermutet. Die meisten Leute würden zum Beispiel einen Nachtisch mit etwa dreieinhalb Teelöffeln Zucker essen. Dann denken sie, dies sei die gesamte Zuckerportion für diesen Tag. Sie wissen aber nicht, dass mehr als die Hälfte ihres Zuckerkonsums in anderen Produkten versteckt ist. Ein Hühnersalat mit Fertigsauce ist quasi auch Dessert. Wir essen 19-einhalb Teelöffel zugefügten Zucker jeden Tag. Das ist so, als wenn wir sechs Mal Nachtisch essen.
War war vor dem Zuckerboom anders?
Zucker wurde früher wie ein Gewürz verwendet. Wir haben es selber zu unseren Gerichten dazugetan. Jetzt ist es ein Hauptnahrungsmittel. Heute stammen rund 15 bis 18 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr aus Zucker, früher waren es nur 3 bis 4 Prozent. Unsere Stoffwechselkapazitäten sind begrenzt. Die Lebensmittelhersteller müssten den Zuckergehalt wieder sehr reduzieren, aber das würden sie nur unter Druck tun. Daher müssen wir die Konsumenten aufklären, die Gesellschaft muss eingreifen und entsprechende Forderungen stellen.
Was sollte die Regierung in Washington tun?
In den USA wird der Maisanbau vom Staat subventioniert, das macht Produkte wie Fruktose-Glukose-Sirup aus Maisstärke deutlich billiger. Im Endeffekt müssen wir anders bezuschussen. Wir müssten den Anbau von Brokkoli, Blumenkohl, Rosenkohl und grünen Bohnen fördern, um solche Lebensmittel billiger zu machen. Zusätzlich müssen die schädlichen Stoffe mit einer Steuer belegt werden, um ihren Verbrauch zu senken. Die Nahrungsmittelindustrie braucht ein völlig neues Geschäftsmodell.
Robert Lustig (57) ist Professor für Pädiatrie und Neuroendokrinologie an der Universität von Kalifornien in San Francisco (UCSF). Er ist vor allem für Forschung und Behandlung auf dem Gebiet von Übergewicht bekannt. Der zweifache Vater studierte unter anderem an der New Yorker Cornell Universität.
Das Interview führte Barbara Munker, dpa.