Studie zur Abgabe auf Softdrinks in Deutschland

Zuckersteuer könnte bis zu 16 Milliarden Euro einsparen

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Medizin
Eine Softdrink-Steuer in Deutschland würde die volkswirtschaftlichen Kosten massiv senken und das Gesundheitssystem entlasten. Es würde weniger Zucker konsumiert, Erkrankungen wären seltener. Das zeigt eine Studie der TU München.

Während einige Länder wie Großbritannien oder Mexiko deswegen Abgaben auf Softdrinks eingeführt haben, gibt es in Deutschland seit 2018 lediglich eine Selbstverpflichtung der Getränkeindustrie, den Zuckergehalt in Softdrinks zu reduzieren. Wie eine Studie unter Mitwirkung von Michael Laxy, Professor für Public Health und Prävention an der TUM, Anfang 2023 gezeigt hat, bleiben die Auswirkungen bislang deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Im Fachmagazin „PLOS Medicine“ hat ein Team um Laxy und Chris Kypridemos von der University of Liverpool jetzt berechnet, welche Folgen dagegen die Einführung einer Zuckersteuer für Deutschland hätte. „Dabei haben uns kurz- und längerfristige Auswirkungen gleichermaßen interessiert. Wir haben deswegen simuliert, wie sich die gängigsten internationalen Besteuerungsansätze im Zeitraum von 2023 bis 2043 auswirken würden“, sagt Laxy.

Die bestehenden Softdrink-Abgaben lassen sich grob in zwei Gruppen aufteilen: So müssen in Großbritannien Unternehmen Abgaben leisten, die sich nach der Zuckermenge in den Softdrink-Rezepturen richten. In Mexiko wird die Steuer indes unabhängig vom Zuckergehalt der Drinks erhoben. Ergebnisse aus internationalen Studien zeigen, dass die letztere Variante vor allem zu einer verringerten Nachfrage nach Softdrinks führt, während die erstere Variante zudem mit einer Änderung der Rezeptur hin zu weniger Zucker in den Softdrinks einhergeht.

Durch weniger Zucker in den Getränken würde der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland um täglich 2,3 Gramm reduziert

Der Simulation zufolge würde bei einem pauschalen 20-prozentigen Aufschlag auf die Softdrink-Preise der Zuckerkonsum pro Tag und Person um ein Gramm sinken. Betrachtet man nur Männer zwischen 30 und 49 Jahren wären es sogar knapp drei Gramm. Noch stärker würde sich eine Reduktion des Zuckers in den Rezepturen um 30 Prozent auswirken, wie sie in Großbritannien nach Einführung der gestaffelten Hersteller-Abgabe verzeichnet wurde. Durch weniger Zucker in den Getränken würde der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland um täglich 2,3 Gramm reduziert – beziehungsweise um 6,1 Gramm für Männer zwischen 30 und 49.

Für die Simulationnutzte das Team Daten zur individuellen Ernährung, zu Erkrankungen wie Diabetes, zu gesundheitlichen Risikofaktoren und offizielle Bevölkerungsstatistiken. Menschen unter 30 wurden allerdings nicht berücksichtigt, da die meisten der modellierten Erkrankungen vor allem in der zweiten Lebenshälfte auftreten. „Aus nationalen und internationalen Studien wissen wir aber, dass der Softdrink-Konsum im Teenageralter am höchsten ist“, sagt Erstautor Karl Emmert-Fees, Professur für Public Health und Prävention, Fakultät für Medizin und Gesundheit an der TUM. „Dementsprechend wäre die durchschnittliche Reduktion des Zuckerkonsums noch drastischer und der positive gesundheitliche Effekt noch größer, wenn wir jüngere Menschen mitberücksichtigen würden.“

"Eine Reduktion des Zuckerverbrauchs um wenige Gramm pro Person klingt nicht nach viel – rein statistisch liegt der Zuckerkonsum in Deutschland bei täglich etwa 95 Gramm pro Kopf. Die Weltgesundheitsorganisation und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen jedoch, dass maximal zehn Prozent des Energiebedarfs durch Zucker gedeckt werden soll, was in etwa 50 Gramm pro Kopf und Tag entspricht“, erläutert Laxy. „Dabei muss man aber bedenken, dass es innerhalb der Bevölkerung große Unterschiede beim Konsum von Softdrinks gibt. Manche Menschen trinken sie in größeren Mengen, andere dafür nie. Entsprechend stärker wäre die Verringerung des Zuckerkonsums für die Menschen, die viel Softdrinks konsumieren.“

Durch eine Besteuerung würden in den nächsten 20 Jahren bis zu 244.100 Menschen später oder gar nicht an Typ-2-Diabetes erkranken

In Bezug auf die gesundheitlichen Auswirkungen sprechen die Modellierungen eine deutliche Sprache: Bei beiden Besteuerungsmodellen gäbe es deutlich weniger Fälle von Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Besonders eindrücklich sind die Zahlen für Typ-2-Diabetes“, sagt Karl Emmert-Fees. „Durch eine Besteuerung würden unseren Modellen zufolge innerhalb der nächsten 20 Jahre bis zu 244.100 Menschen später oder gar nicht an Typ-2-Diabetes erkranken.“

Die positiven Auswirkungen schlagen sich den Forschenden zufolge auch in finanzielle Einsparungen nieder: Mit einer Abgabe auf gezuckerte Getränke wären weniger Behandlungen nötig. Kosten durch Krankheitstage oder Arbeitsunfähigkeit würden ebenfalls sinken. Für den simulierten Zeitraum hat das Team bei einer gestaffelten Herstellerabgabe volkswirtschaftliche Einsparungen von rund 16 Milliarden Euro errechnet, davon etwa 4 Milliarden Euro an Gesundheitskosten. Bei einer 20-prozentigen Steuer wären es immerhin insgesamt noch etwa 9,5 Milliarden Euro.

Folgt man den Ergebnissen der Simulation hätte eine gestaffelte Herstellerabgabe stärkere positive Auswirkungen als eine pauschale Steuer. „Ob eine Besteuerung von Softdrinks für Deutschland sinnvoll ist, muss die Politik entscheiden“, sagt Laxy. „Wir wollen mit unserer Studie sachliche Argumente für diese Debatte liefern. Unsere Studie zeigt, dass eine Abgabe beziehungsweise eine Steuer auf gezuckerte Getränke eine relevante Maßnahme zur Prävention von Übergewicht, Diabetes und Herzerkrankungen darstellt. Ansätze wie Informationskampagnen haben ihre Berechtigung, sind aber nicht ausreichend und können nur ein Baustein einer wirksamen Gesamtstrategie sein.“

Emmert-Fees KMF, Amies-Cull B, Wawro, N, Linseisen J, Staudigel M, Peters A, et al. (2023). „Projected health and economic impacts of sugarsweetened beverage taxation in Germany: A crossvalidation modelling study“. PLoS Med 20(11): e1004311. DOI: 10.1371/journal.pmed.1004311

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