Autoren korrigieren Missverständnis

Die Tracing-App hat in jedem Fall einen Effekt

mg
Gesellschaft
Bei Nutzungsraten unter 60 Prozent gelten Tracing-Apps als ineffektiv. Die Zahl stammt aus einer Oxford-Studie – die fälschlicherweise ein Eigenleben entwickelte.

Kommende Woche soll Deutschlands Tracing-App an den Start gehen . Schon vorab wurde viel über die zu erwartende Akzeptanz diskutiert, denn in den Nachbarländern läuft ihr Einsatz teilweise schleppend. In Österreich liegt die Bevölkerungsabdeckung noch im einstellen Prozentbereich, in der Schweiz haben vier von zehn Einwohnern Angst vor Überwachung durch die Hintertür. In Frankreich dagegen aktivierten innerhalb von wenigen Tagen über eine Million Nutzer das Tool auf dem Smartphone. Bereits am ersten Tag wurde die App 600.000 Mal heruntergeladen.

Gleichzeitig lieferte Mitte April eine Studie der Oxford University den Hinweis, dass von einer wirksamen Eindämmung der Pandemie erst auszugehen sei, wenn 56 Prozent der Bevölkerung eine nationale Tracing-App benutzen.

Die Arbeit wurde missverstanden

Die Autoren der Studie warnten jetzt gegenüber heise online , dass ihre Arbeit grundlegend missverstanden wurde – und eine viel geringere Akzeptanz solcher Apps immer noch von entscheidender Bedeutung für die Bekämpfung von Covid-19 sein könnte. "In Bezug auf Wirksamkeit und Akzeptanz wurde viel falsch berichtet… und angedeutet, dass die App nur bei 60 Prozent funktioniert – was nicht der Fall ist", wird Andrea Stewart, eine Sprecherin des Oxford-Teams zitiert.

Die App hat auf allen Akzeptanzstufen eine Wirkung

Tatsächlich belegten die Oxford-Modelle, dass "die App auf allen Akzeptanzstufen eine Wirkung hat". "Wir schätzen, dass für alle ein bis zwei Nutzer eine Neuinfektion vermieden wird", erklärt Studien-Leitautor Christophe Fraser in dem Bericht. Er ist Co-Direktor des Kontaktverfolgungsprogramms an der Nuffield Medizinischen Fakultät der Universität Oxford und unabhängiger wissenschaftlicher Berater für das Kontaktverfolgungsprogramm der britischen Regierung.

"Die Erwartung war, dass die App-Nutzung auf niedrigem Niveau nicht sehr effektiv sein würde", so Fraser weiter. "Wenn zehn Prozent die App nutzen, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen erkannt werden, zehn Prozent von zehn Prozent. Das wäre ein Prozent, also nur ein winziger Bruchteil. In der Simulation haben wir aber festgestellt, dass genau das nicht der Fall ist." Tatsächlich verlangsamt jede Akzeptanzstufe die Pandemie bis zu einem gewissen Grad.

Die 60 Prozent-Angabe entwickelte ein Eigenleben

Fraser zufolge hat die 60 Prozent-Angabe ein Eigenleben entwickelt. "Das zeigt, wie schwierig es ist, das Narrativ der Medien zu beeinflussen", sagte er gegenüber heise online. Die Korrektur sei wichtig. Denn wenn allgemein angenommen wird, dass eine Teilnahme unterhalb dieser Schwelle zum Scheitern führt, geht die Öffentlichkeit von einem irreführenden und unerreichbaren Ziel aus. 

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