foodwatch veröffentlicht "Coca-Cola-Report"

Flüssige Krankmacher: "Zuckergetränke sind die neuen Zigaretten!"

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Gesellschaft
Die Verbraucherschutzorganisation foodwatch kritisiert die Marketing- und Lobbymaßnahmen von Coca-Cola als "unverantwortlich". Der Getränkehersteller agiere mit den gleichen Methoden wie die Tabakindustrie.

Coca-Cola nehme mit millionenschweren Marketingkampagnen im Internet und im Fernsehen bewusst Kinder und Jugendliche als Zielgruppe ins Visier, lautet der Vorwurf der Verbraucherschutzorganisation foodwatch.

Herber Vorwurf: "Coca-Cola hat Wissenschaftler gekauft!"

Gleichzeitig versuche der Konzern durch gezielte Lobbyarbeit wirksame Regulierungen wie Werbeverbote oder Sondersteuern zu torpedieren und nachweislich mit gekauften Wissenschaftlern Zweifel an der Schädlichkeit von zuckerhaltigen Getränken zu säen.

foodwatch stützt sich dabei auf den "Coca-Cola-Report", der von der Verbraucherschutzorganisation heute in Berlin - übrigens in unmittelbarer Nähe zur Deutschland-Zentrale von Coca-Cola - vorgestellt wurde. Aus dem 108-seitigen Dokument geht hervor, dass Coca-Cola eine "entscheidende Mitverantwortung für die Epidemie ernährungsbedingter Erkrankungen wie Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes" trage.

Der Report belegt, dass Coca-Cola als Weltmarktführer für Erfrischungsgetränke gezielt Werbung an Kinder unter 12 Jahren richtet - "obwohl sich der Konzern in einer Selbstverpflichtung genau dagegen ausspricht", erläutert Martin Rücker, Geschäftsführer foodwatch Deutschland.

Mit Fußballstars werden die Kids gezielt geködert

"Mit Fußballstars in der Werbung und Aktionen wie dem Coca-Cola-Adventskalender oder der Coke-Weihnachtstruck-Tour werden gezielt Kinder angesprochen", sagt Rücker. Außerdem habe Coca-Cola für seine Marketing-Aktionen gleich eine ganze Reihe von "vor allem bei jungen Menschen beliebten" youTube-Stars eingespannt: Neun der 20 meistabonnierten youTuber in Deutschland – mit teilweise mehr als drei Millionen Abonnenten – traten bereits in dem Konzern-eigenen youTube-Kanal „CokeTV“ auf. Sie präsentieren dort kurzweilige und lustige Videospots, in denen die Marke Coca-Cola gekonnt in Szene gesetzt wird. Das meistgeklickte Video auf dem deutschen Coca-Cola-Kanal wurde mehr als 2,3 Millionen Mal angeschaut.  

Gleichzeitig engagiere sich der Weltkonzern auch auf politischer Ebene, um Zweifel an der gesundheitsschädlichen Wirkung von Zuckergetränken zu säen und eine effektive Regulierung der Produkte zu verhindern, ergänzt Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch und Autor des "Coca-Cola-Reports". Als Beispiel führt er an, wie 2015 die New York Times aufdeckte, dass Coca-Cola mit 1,5 Millionen US-Dollar eine vermeintlich unabhängige Forschungseinrichtung finanzierte. "Diese vertrat – ganz im Sinne von Coca-Cola – öffentlich die Position, nicht ungesunde Ernährung, sondern Bewegungsmangel sei das zentrale Problem für Übergewicht."

 „Natürlich weiß wohl jedes Kind, dass Cola und Limo nicht gesund sind", sagt Huizinga. "Aber es geht nicht um ein bisschen zu viel Zucker – schon eine Dose am Tag fördert ernsthafte Krankheiten wie Diabetes. Die Zuckergetränke-Industrie, allen voran der Weltmarktführer, stellt nicht bloß die Produkte ins Regal und überlässt den Konsumenten die freie Wahl. Coca-Cola torpediert gezielt gesundheitspolitische Initiativen rund um den Globus und versucht mithilfe von Lobbyverbänden, die Gesundheitsgefahren von Zuckergetränken zu verschleiern – mit den gleichen Methoden wie früher die Tabakindustrie.“

Zahlreiche Studien haben in der Vergangenheit untersucht, ob Zuckergetränke und Übergewicht zusammenhängen, berichtet Huizinga weiter. "Dabei finden 80 Prozent der von der Lebensmittelindustrie finanzierten Studien heraus, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Übergewicht und dem Konsum von Zuckergetränken – während 80 Prozent der unabhängig finanzierten Studien zu dem gegenteiligen Ergebnis kommen."

Interne E-Mails von Coca-Cola, die im Jahr 2016 an die Öffentlichkeit gelangten, zeigten zudem, dass der Konzern vor allem eine politische Maßnahme besonders fürchtet: Sonderabgaben oder -steuern auf zuckergesüßte Getränke. "In einem Strategiepapier des Konzerns wird der Bekämpfung dieser Maßnahme die höchste Priorität eingeräumt", betont Rücker. "Der klare Auftrag von Coca-Cola an seine Marketingexperten lautet: Sonderabgaben wie eine Zuckersteuer zu verhindern!"

Schon eine Dose am Tag erhöht das Risiko

"Der überhöhte Konsum zuckerhaltiger Getränke fördert nachweislich die Entstehung zahlreicher Krankheiten wie etwa Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes oder Karies", betont die Verbraucherschutzorganisation. Zuckergetränke gelten dabei als besonders gefährlich, da sie nur „leere Kalorien“ ohne wichtige Nährstoffe liefern und ohne eine entsprechende Sättigung zu verursachen.

"Anders als beispielsweise Süßwaren, bei denen 'eine Handvoll' als unproblematisch gilt, sind Zuckergetränke daher schon in vergleichsweise geringen Mengen gesundheitsgefährdend", verdeutlicht Huizinga. Eine Dose am Tag erhöhe das Risiko für Übergewicht, Fettleibigkeit oder Typ-2-Diabetes. Kinder und Jugendliche in Deutschland – vor allem Jungen – würden jedoch deutlich mehr Zuckergetränke als empfohlen trinken - laut aktueller Daten des Robert Koch-Instituts trinken männliche Jugendliche knapp einen halben Liter täglich.

Die Zuckersteuer muss her!

foodwatch sieht auch die Politik in der Verantwortung, "den Konflikt mit Weltkonzernen wie Coca-Cola und der einflussreichen Lobby nicht länger zu scheuen" und endlich "konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um der Epidemie ernährungsbedingter Krankheiten etwas entgegenzusetzen". So müsse die Bundesregierung die Hersteller von stark überzuckerten Getränken verpflichten, eine Abgabe zu zahlen.

Mehrere Länder - darunter Großbritannien, Frankreich, Irland, Belgien und Mexiko - haben eine solche "Zuckersteuer" bereits beschlossen. In Großbritannien führte dies dazu, dass führende Hersteller schon vor Inkrafttreten der Abgabe den Zuckergehalt ihrer Produkte senkten.

foodwatch fordert zudem Coca-Cola auf, sein an Kinder und Jugendliche gerichtetes Marketing zu stoppen und beispielsweise nicht länger junge youTube- und Instagram-Stars für Werbezwecke einzuspannen.

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