In diesem Frühjahr will das börsennotierte US-Unternehmen SmileDirectClub auch auf dem deutschen Markt Aligner-Therapien anbieten, deren Geschäftsanbahnung und Verlaufskontrolle übers Internet stattfinden.
Wie gut dieser Behandlungsstandard ist und ob er überhaupt juristisch zulässig ist, bleibt vorerst strittig – das zeigen jüngste Auseinandersetzungen von Kammern und deutschen Start-ups, welche das Geschäftsmodell des SmileDirectClub kopierten und modifiziert 2017 in Deutschland einführten.
Verschwiegenheitserklärungen sollen Kritik unterbinden
So schildert die New York Times, dass unzufriedene Kunden nur dann ihr Geld – im Durchschnitt kostet die Behandlung 1.850 US-Dollar – zurückerstattet bekommen, wenn sie eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Die Journalisten sprachen demnach mit sieben Kunden, wovon vier nach Abbruch der Behandlung zahnmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen mussten.
Laut Bericht untersagte die Vereinbarung es den Kunden jedoch nicht nur, irgendjemandem von der Rückerstattung zu erzählen, sondern sie verpflichteten sich auch, negative Kommentare und Bewertungen in sozialen Medien zu löschen. Zwei der sieben Gesprächspartner der Times haben diese Vereinbarung unterzeichnet.
Hintergrund
Mit seinem – ebenfalls börsennotierten – Konkurrenten Align Technology verbindet Smile Direct Club ein aufsehenerregender Rechtsstreit. Die ersten Probleme hatte es zwischen den beiden Unternehmen im Jahr 2016 wegen einer vermeintlichen Patentverletzung gegeben. Später beschloss Align Technology jedoch, die Klage fallen zu lassen und sich mit SmileDirectClub zusammenzuschließen, beteiligte sich mit 17 Prozent an dem Unternehmen und schloss einen Liefervertrag bis Ende 2019. Ein Jahr später kaufte Align dann noch einmal weitere 2 Prozent des Mitbewerbers.
Doch Ende 2017 – während die Dienstleistung durch Start-ups nach Deutschland kam – kam es zu neuem Streit zwischen den beiden US-Unternehmen. Der Grund: Align Technology modifizierte sein Geschäftsmodell und eröffnete Shops in den USA, die sich erstmals direkt an Endkunden richten. SmileDirectClub monierte daraufhin einen Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot in einer Vereinbarung und der Fall eskalierte. Im März 2019 wurde der Fall dann in einem Schiedsverfahren zugunsten von SmileDirectClub entschieden. Align Technology wurde angewiesen, bis April 2019 seine mittlerweile zwölf Filialen zu schließen und mit einem Wettbewerbsverbot bis August 2022 belegt. Gleichzeitig wurde Align Technology verpflichtet, seinen 19-prozentigen Unternehmensanteils an SmileDirectClub zurück zu verkaufen.
Mit juristischen Mitteln gegen Mitbewerber, schlechte Presse und kritische Zahnärzteorganisationen vorzugehen, ist offenbar fester Bestandteil der Geschäftspraxis des SmileDirectClub. So hatte das Unternehmen eine Reihe von Auseinandersetzungen mit Align Technology (siehe oben) sowie einigen regionalen US-Zahnärztekammern.
In 36 US-Bundesstaaten reichten Tochtergesellschaften der American Dental Association of Orthodontists (AAO) inzwischen Beschwerden ein, außerdem gab es Beschwerden bei der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) durch die American Dental Association wegen "Gefährdung der Öffentlichkeit" sowie "falscher und irreführender Behauptungen sowie unfairer und irreführender Praktiken".
Beim Better Business Bureau, einer gemeinnützigen US-Verbraucherschutz-Organisation, gingen seit 2014 mehr als 1.700 Beschwerden über SmileDirectClub ein. Zum Vergleich: Align Technology hat in mehr als zwei Jahrzehnten vier Beschwerden erhalten.
Der Hersteller wähnt eine Schmutzkampagne
Susan Greenspon Rammelt, Chefsyndikus von SmileDirectClub, behauptet dagegen laut Times in Interviews, dass die überwiegende Mehrheit der Nutzer mit dem Unternehmen zufrieden sei. Bei mehr als 100.000 Bewertungen auf der eigenen Website ergebe sich eine durchschnittliche Kundenbewertung von „4,9 von 5“. Weniger als 5 Prozent der Kunden hätten eine Rückerstattung erhalten. Die Erfolgsrate der Aligner wird allerdings nicht veröffentlicht.
Nach dem Selbstverständnis des Unternehmens sind die unternommenen rechtlichen Schritte notwendig, um das Unternehmen zu schützen. "Wenn wir glauben, dass es eine organisierte Kampagne gibt, die unseren Ruf bei Verbrauchern, Zahnärzten und / oder Investoren schädigt, werden wir uns und unsere Mission verteidigen", wird Greenspon Rammelt zitiert.
Fünf Standorte in Deutschland geplant
Bislang gibt es keine offizielle Mitteilung, wie die Geschäftsstrategie des SmileDirectClub für Deutschland aussieht. Klar ist jedoch, in welchen deutschen Städten das Angebot startet. Denn aktuell sucht das Unternehmen in dem sozialen Netzwerk Linkedin gezielt nach Personal in Berlin, Hamburg, München, Köln und Düsseldorf. Am 14. Januar wurde Anlegern außerdem mitgeteilt, künftig auch den zusätzlichen Vertriebsweg über Zahnärzte und Kieferorthopäden erschließen zu wollen. Ob dies gleichermaßen in allen Ländern gilt, blieb offen. Irritierend: In derselben Mitteilung heißt es, die Therapie des SmileDirectClub sei in Deutschland bereits verfügbar.
Wie die Times weiter berichtet, reichten im September 2019 einige Kunden eine Sammelklage gegen das Unternehmen ein, in der sie falsche Werbung und Verstöße gegen die Vorschriften der FDA anmahnten. Mit Ausnahme von zwei Klägern zogen sich jedoch alle anderen später aus der Klage zurück, da sie aufgrund der von ihnen unterzeichneten Erklärungen zur Beilegung von Streitigkeiten im Schiedsverfahren verpflichtet waren.
Bei zwei Drittel läuft die Finanzierung über SmileDirectClub
Aus Sicht von Greenspon Rammelt sind das alles Randerscheinungen des großen wirtschaftlichen Erfolgs. Tatsache sei, dass mehr als 750.000 Kunden wirklich glücklich sind. Laut Times haben rund zwei Drittel davon für die Behandlungskosten einen Finanzierungsvertrag bei dem Unternehmen abgeschlossen – mit einem jährlichen Zinssatz von 17 Prozent.
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