Philipp Pfaff wurde vermutlich Anfang 1713 in Berlin geboren. Genaueres ist nicht bekannt. Es existiert lediglich ein Taufbucheintrag vom 27. Februar 1713 in der Berliner Domgemeinde, der auf dieses ungefähre Geburtsdatum schließen lässt. Zu jenem Zeitpunkt war die Zahnheilkunde noch kein eigenständiges Fach. Sie wurde teilweise von Wundärzten – das heißt,. handwerklich ausgebildeten Chirurgen - (mit)betrieben, teilweise lag sie aber auch in den Händen von sogenannten Zahnbrechern oder Zahnreißern. Hierbei handelt es sich um nicht oder nicht regelhaft ausgebildete Behandler, die ihre Tätigkeit häufig im Umherziehen ausübten („Wanderheiler“).
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Pfaff sollte einen anderen Weg einschlagen: Er erlernte die Chirurgie an der Charité, wo er auch Lehrveranstaltungen in der Medizin und – soweit verfügbar – in der Zahnheilkunde belegte. Dieser Ausbildungsweg lag insofern nahe, als Pfaff selbst der Sohn eines Chirurgen war: Der Heidelberger Wundarzt Johann Leonhard Pfaff war 1710 nach Berlin gekommen und dort zum Amtschirurgen und Prosektor an der Charité avanciert. Er gehörte damit zu den Lehrern seines Sohnes, der in Berlin seine chirurgische Abschlussprüfung vor dem Collegium Medicum absolvierte, die auch zur Tätigkeit in der Zahnheilkunde berechtigte.
Foto: kleiner Zahnschlüssel um 1750 aus Eisen und Horn
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Nach der Ausbildung absolvierte Pfaff seinen Militärdienst in den Infanterie-Regimentern Nr. 25 des Oberst von Kalckstein und Nr. 34 des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Zudem nahm er als Kompaniechirurgie am Ersten Schlesischen Krieg teil. Hier konnte er angesichts der vielen Kriegsverletzten seine Kenntnisse in der Wundversorgung und Traumatologie maßgeblich erweitern. Nach dem Ende des Militärdienstes eröffnete er in Berlin eine wundärztliche Praxis, wo er sich mehr und mehr auf die zahnbehandelnde Tätigkeit konzentrierte.
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Wann genau und aus welchen Gründen er sich der wenig prestigeträchtigen Zahnmedizin zuwandte, ist nicht überliefert. Bekannt ist dagegen, dass er sich auch intensiv mit der wissenschaftlichen Zahnheilkunde auseinandersetzte. Wichtigster wissenschaftlicher Bezugspunkt in dieser Zeit: das Lehrbuch des Franzosen Pierre Fauchard (1678-1761). Dieser hatte 1728 die weltweit erste umfassende Monografie über Zahnmedizin verfasst, welche 1733 auch ins Deutsche übersetzt worden war. Es besteht kein Zweifel, dass Pfaff sein Wissen zu wesentlichen Teilen aus diesem Lehrbuch schöpfte und zusätzlich eigene Erfahrungen einbrachte.
Foto: Instrumentensatz zur Zahnreinigung und Zahnsteinentfernung mit 7 Ansätzen um 1750, Eisen, Ebenholz, Nussbaumholz
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So kam es, dass er 1756 im Alter von ungefähr 43 Jahren das erste von einem deutschen Zahnarzt verfasste Lehrbuch über Zahnmedizin vorlegen konnte. Es trug den Titel „Abhandlungen von den Zähnen des menschlichen Körpers und deren Krankheiten“ und enthielt etliche diagnostische und therapeutische Anweisungen, die wegweisenden Charakter entfalteten.
Foto: Zahnheber um 1750, Eisen
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Sie betrafen unter anderem die erste Beschreibung einer extraoralen retrograden Wurzelfüllung im Rahmen einer Zahnreplantation, eine direkte Überkappung der vitalen Zahnpulpa mit Goldplättchen sowie eine Abdrucknahme vom Kiefer mit Siegelwachs. Bemerkenswert ist vor allem auch Pfaffs klares Bekenntnis zum Zahnerhalt – in einer Zeit, in der die Zahnextraktion immer noch als die Standardtherapie bei schadhaften Zähnen galt. Hinzu kamen Hinweise zum zahnärztlichen Instrumentarium, zur Mundhygiene und zu Arzneimittel(rezepte)n.
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Pfaffs Werk versammelte das zahnmedizinische Wissen seiner Zeit und wurde somit zum ersten Meilenstein einer (proto)wissenschaftlichen Zahnheilkunde in Deutschland. Zu den interessanten Anekdoten rund um Pfaff gehört die Geschichte, dass er sein Buch König Friedrich dem Großen am 19. Mai 1756 persönlich vorlegen durfte. Seine Leistung hinterließ offensichtlich Eindruck: Der König ernannte Pfaff nachfolgend zum Hofrat und Hofzahnarzt.
Foto: "Zahnmaschine" aus Kuhknochen so gefertigt wie Pfaff sie beschrieb, Bein (Knochen), Silber
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Die tatsächliche Verbreitung des Buchs, das seinerzeit in normaler Ausstattung 16 und mit besserem Papier 20 Groschen (der zehnfache Tageslohn eines Knechts) kostete, ist heute nicht mehr zu bestimmen. Fest steht immerhin, dass es bereits am 20. Mai 1756 eine positive Buchbesprechung in den „Berlinischen Nachrichten“ gab, und dass einige Originalexemplare den Weg in Universitätsbibliotheken fanden. Heutzutage sind zudem Werkes verfügbar.
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Pfaff war verheiratet, blieb jedoch kinderlos. Er starb am 4. März 1766 im Alter von 53 Jahren an der „Brustkrankheit“ – wobei es sich vermutlich um Tuberkulose handelte, einer in jener Zeit ebenso gefürchteten wie verbreiteten Krankheit. Pfaffs Werk hatte ihm somit keinen Wohlstand eingebracht – wohl aber einen beträchtlichen Nachruhm.
Foto: doppelseitiger Pelikan um 1700, Eisen
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Hiervon zeugen die Tatsache, dass Pfaff Namensgeber der gemeinsamen Fortbildungseinrichtung der Zahnärztekammer Berlin und der Landeszahnärztekammer Brandenburg („Philipp-Pfaff-Institut“) und einer zahnärztlichen Gesellschaft („Deutsche Zahnärztliche Philipp-Pfaff-Gesellschaft“) ist. Zudem hat sich das Dentalmuseum im sächsischen Zschadraß jüngst dem Leben und Werk Philipp Pfaffs gewidmet, wobei es das Behandlungszimmer Pfaffs aus Anlass des Jubiläums in originalgetreuer Rekonstruktion präsentiert.
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250 Jahre nach seinem Tod ist Philipp Pfaff – als einziger deutscher Zahnarzt des 18. Jahrhunderts – dank seines Oeuvres immer noch unvergessen. Er ist damit genau das, was ihm nachgesagt wird: Ein Schrittmacher der wissenschaftlichen Zahnheilkunde im deutschsprachigen Raum.
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Die Ausstellung zeigt darüber hinaus eine umfangreiche Sammlung von Dentalinstrumenten, etliche prothetische Arbeiten sowie einzigartige Objekte aus dem Dentistischen Institut Wien - einige der Artefakte sind 2.500 Jahre alt.
Foto: Abdrucknahme und Gipsmodell von Pfaff erstmals beschrieben, 2002 nachgebaut. Wachs, Gips
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Heute befinden sich in Zschadraß mehr als 680 private Sammlungen, die bis sieben Generationen zurückreichen, dazu 11 Instituts- und Universitätsarchive aus Deutschland und Österreich. Sieben Firmenarchive und sechs Museen vereinen sich zum Wissenschaftszentrum "Quadriga Dentaria" vereinen.
Dentalhistorisches Museum, Im Park 9b, Zschadraß. Öffnung: mittwochs bis sonntags 10 bis 17 Uhr sowie nach telefonischer Anmeldung unter 034381/18 95 06 und 0174/3 26 11 61. Winterpause im Dezember und Januar, Besuch bei Voranmeldung möglich. Feierliche Eröffnung der ältesten Zahnarztpraxis Deutschlands am 28. Mai, 14 Uhr.
Foto: Hebel nach Lecluse 1754, Eisen, Bein.
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