Masern und andere Infektionskrankheiten

Immer mehr Politiker und Ärzte sind pro Impfpflicht

ck/mth
NachrichtenGesellschaft
Vor dem Hintergrund zunehmender Krankheitsfälle werden die Forderungen nach einer Impfpflicht für Kinder gegen Masern und andere Infektionskrankheiten lauter.

Am Montag hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitgeteilt, dass die Masernfälle im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 300 Prozent zugenommen haben. Mehr als 112.000 Infektionen wurden in 170 Ländern gemeldet. Ein Jahr zuvor betrug ihre Zahl gut 28.000 Fälle in 163 Ländern. Dies seien zwar nur vorläufige und unvollständige Daten, aber es sei "eine eindeutige Entwicklung erkennbar", hieß es von der WHO.

Ethikrat rügt "unzulässige Verengung" der Impfdebatte

Fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland seien Erwachsene, mit in den letzten Jahren ansteigender Tendenz. Maßnahmen mit dem Ziel, die Masernimpfquote zu erhöhen, müssen laut Ethikrat als Adressaten sowohl Kinder als auch Erwachsene einbeziehen. Ein wirksamer Gemeinschaftsschutz mit einer bevölkerungsweite Quote für beide Masernimpfungen von 95 Prozent könne nur erreicht werden, wenn auch bei Erwachsenen die Impfquoten erhöht werden. Personen, von denen wegen ihrer Tätigkeit oder ihrer berufsbedingten Kontakte ein erhöhtes Infektionsrisiko für andere ausgeht (Gesundheitsberufe, pädagogisches Personal), stehen laut Rat hier in einer besonderen Verantwortung.

Bundesweit liegt die Erstimpfungsquote bei Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung bei 97,1 Prozent. Probleme entstehen dem Ethikrat zufolge aber vor allem durch die noch unzureichende Quote bei den Zweitimpfungen von 92,9 Prozent sowie aufgrund der beträchtlichen regionalen Unterschiede.

Unklar sei überdies, wie eine solche Pflicht ausgestaltet und wie sie durchgesetzt werden kann. Denkbare Sanktionen wären je nach Adressaten Bußgelder, Ausschluss aus Kitas oder Schulen, Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit oder sogar körperliche Zwangseingriffe. Erst die Präzisierung der Ausgestaltung einer Impfpflicht und ihrer Durchsetzung ermögliche eine angemessene ethische und rechtliche Abwägung der betroffenen Schutzgüter.

Der Deutsche Ethikrat erarbeitet derzeit eine Stellungnahme zum Thema, die noch vor der parlamentarischen Sommerpause vorliegen soll.

Auch in Deutschland gibt es einen signifikanten Anstieg: Meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 2018 insgesamt 544 Krankheitsfälle bei Masern, sind es im laufenden Jahr bereits 296.

Für Kinder empfiehlt die Ständige Impfkommission des RKI (STIKO) deshalb einen Vierfachimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Wind­po­cken sowie einen Sechsfachimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Kinderlähmung, Keuch­husten, Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B. Auch Erwachsenen, die nach 1970 geboren wurden und noch gar nicht oder nur einmal in der Kindheit gegen Masern geimpft wurden oder deren Impfstatus unklar ist, empfiehlt die STIKO eine einmalige Impfung gegen Masern .

Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärz­te­kammer (BÄK), will eine Impfpflicht nicht nur auf Masern beschränken. "Eine

auf einzelne Krankheiten zu begrenzen, ist schon deshalb problematisch, weil heute in der Regel Mehrfachimpfstoffe verwendet werden und Präparate gegen einzelne Krankheiten gar nicht mehr zur Verfügung stehen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Alle

, die die

heute für Kinder empfiehlt, sollten verpflichtend sein", forderte er in dem Interview. "Nur wenn jeder geimpft wird, haben wir die Chance, diese Krankheiten endlich auszurotten."

"Impfpflicht hat Keulenwirkung"

Aus Anlass der gerade begonnenen Europäischen Impfwoche pocht der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) erneut auf die Einführung eines nationalen Impfregisters. Bis ein solches Register existiert, fordert der Verband eine generelle Impfpflicht. Mit einem Impfregister würde es zum Beispiel automatische Benachrichtigungen geben, dass eine Impfung ansteht. "Das hat dann nicht mehr die Keulenwirkung einer Impfpflicht", sagte Sprecher Her­mann Josef Kahl. Beim Bundesgesundheitsministerium beiße sein Verband mit der Idee eines Registers aber schon seit Langem "auf Granit".

Der Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine Impfpflicht gegen Masern in Kindergärten und Schulen wird von den Kinder- und Jugendärzten ausdrücklich unterstützt. BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach: "Kinder haben ein Recht darauf, immunisiert zu werden gegen potentiell tödliche Krankheiten. Das Gesetz muss kommen."

Jetzt fragt die FDP nach

Auch die Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag hat das Thema in ihre Agenda aufgenommen. In einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung wollen die Liberalen wissen, ob sie die Einführung einer flächendeckenden Impfpflicht für Masern in Erwägung zieht. Ferner fragt sie, wie sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Impfquoten für eine vollständige Masernimpfung für Kinder im Alter von zwei Jahren derzeit darstellen.

Impfpflicht im New Yorker Stadtteil Brooklyn

Im vergangenen halben Jahr gab es  285 Masernfälle in New York, in ganz 2017 nur zwei. Bürgermeister Bill de Blasio hat deshalb den Notstand für Teile Brooklyns ausgerufen: Wer hier lebt, muss sich gegen Masern impfen lassen - ansonsten drohen Strafen von bis zu 1.000 Dollar.

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