Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

Ablehnung von vielen Seiten

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Ärzte- und Apothekerverbände, die Krankenhausgesellschaft sowie Arzneimittelhersteller – sie alle üben harsche Kritik am Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Sie sehen die Versorgung in Gefahr.

Bei Ärzteverbänden stößt vor allem die geplante Streichung der Neupatienten-Regelung auf scharfe Ablehnung. In dem am 4. Juli bekannt gewordenen Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium für ein neues GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist vorgesehen, die extrabudgetierte Vergütung für neue Patienten einzukassieren. Sie war mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) erst 2019 eingeführt worden.

Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) fordert, im Gegenzug zum Wegfall der Neupatienten-Regelung auch die Erhöhung der Sprechstundenzeit wieder zurückzunehmen. Mit dem TSVG-Paket sollte ein Anreiz geschaffen werden, bei Ärzten mehr Termine zur Verfügung zu stellen und mehr Neupatienten aufzunehmen, argumentiert der Verband. Gleichzeitig sei die Sprechstundenzeit auf 25 Stunden erhöht worden.

„Die Beendigung der Budgetierung für bestimmte Patientengruppen, um Leistungen zu verbessern und mehr Termine anbieten zu können, wurde mit dieser Erhöhung der Sprechstundenzeit von der Ärzteschaft als Paketlösung quasi gegenfinanziert, führt Dr. Dirk Heinrich, SpiFa-Vorstandsvorsitzender, an: „Wenn Herr Lauterbach sich nun entschließt, dieses Gesamtpaket aufzuschnüren, dann muss er auch diese Erhöhung in gleichem Maße zurücknehmen. Dies findet sich aber nicht in seinem Gesetz und seiner Begründung. Das kommt für uns einem Vertragsbruch gleich”, sagte er.

„Gesundheitsversorgung in Deutschland wird auf Dauer nicht mehr sichergestellt sein”

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin formuliert scharfen Widerstand. „Wir werden unsere Praxen schließen, wenn unser Budget ausgeschöpft ist. Und wir werden keine neuen Patient:innen mehr aufnehmen”, heißt es in einem offenen Brief , den die Vorsitzende der Vertreterversammlung der KV Berlin, Dr. Christiane Wessel, an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verfasst hat.

Das aktuelle Finanzierungsproblem der Gesetzlichen Krankenkassen in dieser Weise auf die ambulante Versorgung abzuschieben, sei aus Sicht von Wessel nicht nur kurzsichtig, sondern führe auch dazu, dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland – hier vor allem im ambulanten Bereich – auf Dauer nicht mehr sichergestellt sein werde.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) übt Kritik. Sie moniert, dass in dem Gesetzentwurf ab dem Jahr 2024 das „sonstige Personal” nicht mehr im Pflegebudget – wie bisher zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern vereinbart – berücksichtigt werden darf. „Sonstiges Personal” sind etwa Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Heilerziehungspfleger und Hebammen.

Sollte der Gesetzentwurf final beschlossen werden, müssen die Krankenhäuser diese Personen aus der Pflege am Krankenbett abziehen und schlimmstenfalls sogar entlassen, führt die DKG an: „Diesen Verlust werden die klassischen Pflegekräfte durch Mehrarbeit auffangen müssen. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hatte. Mit diesem Entwurf wird alles konterkariert, was in den vergangenen zwei Jahren politisch den Pflegekräften versprochen wurde: Stärkung der Pflege, bessere Rahmenbedingungen und Zukunft für die Pflege”, betont der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß.

„Einsparungen gefährden Arzneimittelversorgung”

Der Arzneimittelmarkt ist ebenfalls von den geplanten Regelungen betroffen. So sieht das Gesetz unter anderem für 2023 und 2024 eine „Solidaritätsabgabe pharmazeutischer Unternehmer” in Höhe von jeweils einer Milliarde Euro vor. Für den Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) etwa ist das ein „Versorgungs-Gefährdungs-Gesetz”. Die Einsparungen im Arzneimittelbereich gefährdeten die Arzneimittelversorgung und fügten dem Pharmastandort Deutschland weiteren Schaden zu”, kommentiert Dr. Hubertus Cranz. „Schon jetzt erbringen die Hersteller beträchtliche jährliche Abschläge zugunsten der GKV, die im Jahr 2021 mit knapp 6,5 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht haben.”

Auch die Apotheken sind von den Gesetzesplänen betroffen. So will das Bundesgesundheitsministerium den Abschlag, den Apotheken für jedes verordnete Arzneimittel an die GKV abgeben müssen, von 1,77 auf 2,00 Euro erhöhen. Für die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Regina Overwiening, gleicht das einem „Schlag ins Gesicht der Apothekerschaft!” Es zeigt die Phantasielosigkeit der Gesundheitspolitik. Mit dem Rasenmäher soll hier radikal die Vergütung um 120 bis 140 Millionen Euro im Jahr gekürzt werden.

„Mit der vielbeschworenen Hebung von Effizienzreserven im System hat das rein gar nichts zu tun.” Das Arzneimittelversorgungssystem arbeite laut Overwiening hoch effizient, sein Anteil an den Ausgaben der GKV sei seit Jahren rückläufig und liege bei nur noch 1,9 Prozent. Die Apotheken leisteten außerdem längst unfreiwillig einen erheblichen Solidarbeitrag: Ihre Vergütung für verordnete Arzneimittel sei seit vielen Jahren eingefroren, während gleichzeitig die Inflation galoppiere.

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