Mögliche rechtliche Folgen

Corona-Superspreader: Welche Strafen drohen Quarantäne-Verweigerern?

ck/pm
Nachdem eine Quarantäne-Verweigererin in Garmisch-Partenkirchen Schlagzeilen machte, leitet die Staatsanwaltschaft München nun ein Verfahren ein. Doch mit welchen rechtlichen Folgen müssen Superspreader rechnen?

Welche rechtlichen Konsequenzen der Verstoß gegen Quarantänevorschriften haben kann, hat das Portal finanzen.de zusammengefasst. Möglichkeiten rechtlicher Konsequenzen ergeben sich aus dem Strafrecht und dem Zivilrecht.

Superspreader-Events im Überblick

Superspreader-Events im Überblick

  • Irish Pub und die Cocktailbar „Peaches“ in Garmisch-Partenkirchen (3.-8.9.2020): Eine Amerikanerin hielt sich nicht an die Quarantäne und zog trotz Symptomen nachts durch die Clubs. Zahl der Infizierten: mindestens 27 (24 im Arbeitsumfeld, 3 während der Kneipentour). Folgen: Mehr als 700 junge Garmisch-Partenkirchner mussten sich testen lassen. Es folgte ein rasanter Anstieg der Infektionszahlen in der Stadt.

  • Bikertreffen in der US-Stadt Sturgis im BundesstaatSouth Dakota (7.-16.8.2020):460.000 Biker trafen sich dort im August, hielten dabei oft keinen Abstand ein und trugen keine Maske. Die dadurch verursachten Infektionen entsprechen einem Fünftel aller Fälle, die zwischen dem 2. August und dem 2. September in den gesamten USA gemeldet wurden. Zahl  der Infizierten: mindestens 263.000. Folgen: Laut US-amerikanischen Forschern sind rund zwölf Milliarden US-Dollar Behandlungskosten entstanden.

  • Hochzeit in Maine, USA (7.8.2020): Statt der erlaubten 50 Personen nahmen an der Trauung 65 Leute teil. Unter den Gästen waren unter anderem ein Vollzugsbeamter des York Country Gefängnisses und ein Angestellter eines Rehabilitationszentrums, die das Virus dorthin trugen. Zahl der Infizierten: mindestens 176. Folgen: Sieben Menschen starben bisher an den Folgen der Lungenkrankheit.

  • Tour durch fünf Clubs und Bars in Seoul (8.5.2020):Nach ersten Lockerungen aufgrund sehr niedriger Infektionszahlen in Südkorea ging ein 29-jähriger Mann auf eine Bar- und Clubtour. Er steckte dort viele Besucher an, die das Virus in der Folge häufig an Kollegen und Familienangehörige weitergaben. Zahl der Infizierten: mindestens 170. Folgen: Die Zahl der tatsächlich Infizierten bleibt im Dunkeln, da die Tour durch LGBT-Bars ging. Die dort hinterlegten Kontaktdaten waren vielfach falsch, weil die Personen nicht als der Teil der Szene bekannt werden wollten. Der Fall warf Südkorea bei der Bekämpfung der Pandemie um Wochen zurück.

  • Après-Ski in Ischgl: Ein Barmann eines populären Après-Ski-Lokals wurde positiv auf das Corona-Virus getestet und arbeitete trotz Symptomen weiter. Die Skisaison in Ischgl wurde erst am 14. März beendet. Forscher vermuten allerdings, dass der Patient Null, eine Schweizerin, bereits Anfang Februar das Virus nach Ischgl gebracht hatte. Zahl der Infizierten: Vermutet wird, das hunderte Skitouristen das Virus in ihren Heimatländern weiterverbreitet haben. 24 Personen aus dem Umfeld des Barmanns wurden ebenfalls positiv getestet. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher, da in dieser Zeit noch sehr wenig getestet wurde. Folgen: Am 18. März stellte die österreichische Regierung wegen des Vorfalls das gesamte Bundesland Tirol unter Quarantäne.

  • Champions-League-Achtelfinale Atalanta Bergamo vs. FC Valencia(10.3.2020): Das Hinspiel in Mailand fand mit 44.000 Fans statt. Zahl der Infizierten: Unklar, da damals noch nicht intensiv getestet wurde. Folgen: Die Lombardei wurde zum absoluten Corona-Hotspot in Italien und weist bis heute die mit Abstand meisten Infizierten (über 100.000) und auch die meisten Corona-Toten (mehr als 16.000) in Italien auf.

  • „Shincheonji Church of Jesus" in Südkorea: Ein aus China angereiste Frau nahm an mindestens vier Gottesdiensten der Sekte teil. Zahl der Infizierten: Die Sekte zeigt sich unkooperativ und versucht sich gegenüber der Öffentlichkeit abzuschotten, daher liegen keine genauen Zahlen vor. Medien gehen von mindestens 43 infizierten Personen aus. Folgen: In Daegu gehen mehr als 60 Prozent der nachgewiesenen Infektionen auf Verbindungen mit der Sekte zurück.

  • Gottesdienst Freikirche „La Porte ouverte chrétienne” vom 17. bis 21.2.20 in Mülhausen : Es fand eine Fastenwoche mit rund 2.000 Teilnehmern statt. Zahl der Infizierten: Da noch nicht viel getestet wurde, gibt es keine genauen Zahlen. Folgen: Es soll zu zahlreichen Infektionen gekommen sein. Da keine Daten der Besucher erhoben wurden, konnten diese von den Behörden auch nicht nachverfolgt werden. Das Elsass entwickelte sich zum Zentrum der Krise in Frankreich.

  • Kappensitzung in Gangelt, NRW (15.2.20) : Ein mit dem Corona-Virus infiziertes Ehepaar hat Karneval gefeiert. Zahl der Infizierten: Unklar, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht so intensiv getestet wurde. Folgen: 300 Besucher der Kappensitzung mussten in Quarantäne. Das Event war der Auslöser dafür, dass Nordrhein-Westfalen zu einem deutschen Corona-Hotspot wurde.

  • Kreuzfahrtschiff Diamond Princess: Ein 88-Jähriger ging am 25. Januar an Bord des Kreuzfahrschiffs und wurde am 1. Februar positiv getestet. Zahl der Infizierten: 712 an Bord. Folgen: Das komplette Schiff stand bis zum 20. Februar unter Quarantäne. Nach insgesamt 17 Tagen Schiffs-Quarantäne im japanischen Hafen von Yokohama hatte sich aufgrund des mangelhaften Krisenmanagements fast jeder Fünfte an Bord infiziert. Es gab sechs Tote.

Quelle: finanzen.de


So wäre demnach im Strafrecht eine Strafbarkeit aufgrund von fahrlässiger – wie im Fall von Garmisch – oder vorsätzlicher Körperverletzung möglich. Je nach Schwere der Tat könne die vorsätzliche Körperverletzung mit Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Auch bei Fahrlässigkeit drohten nach nach § 223 StGB immer noch bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Da der juristische Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten” gelte, müsse für eine Verurteilung des Angeklagten der zweifelsfreie Nachweis bestehen, dass er für die Ansteckung eines Dritten verantwortlich ist. Andreas Spickhoff, Rechtswissenschaftler und Professor für Medizinrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität hob gegenüber dem ZDF jedoch hervor, dass es in vielen Fällen bereits an diesem Nachweis scheitere.


Im Unterschied zum Strafrecht gilt im Zivilrecht in dubio pro reo nicht. „In solchen Fällen würde man zivilrechtlich sagen, wir vermuten, dass der Erfolg auf den Täter zurückzuführen ist, was zur Schadensersatzpflicht führen kann”, erklärte Spickhoff die Beweiserleichterung für Opfer. Beispielsweise könnten Geschädigte ihren Schädiger auf Schmerzensgeld verklagen, wenn sie durch sein Verschulden erkrankt sind. Auch gesetzliche Schadensansprüche seien bei Bruch der Quarantänepflicht möglich. So könne der Schädiger beispielsweise verpflichtet werden, den Verdienstausfall des durch ihn an Corona Erkrankten zu ersetzen.

Was droht bei Verweigerung der Quarantäne?


Nach § 30 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes wiegt die Eindämmung von Infektionskrankheiten demzufolge schwerer als das Grundrecht auf persönliche Freiheit. Eine Quarantäne könne deshalb auch gerichtlich vollstreckt werden. Das bedeute, die Polizei holt den Patienten dann ab, sie ist auch zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften prinzipiell berechtigt, auch wenn dies zumeist durch die Gesundheitsämter übernommen wird.
Für Ein- und Rückreisende gibt es einen bundesweit gültiger Bußgeldkatalog, der vom Bundesministerium des Innern herausgegeben wurde und nach dem sich die Verwaltungen richten:

  • Verstoß gegen die häusliche Isolation: 500 Euro bis 10.000 Euro

  • Keine Kontaktierung des Gesundheitsamts bei Symptomen: 300 Euro bis 3.000 Euro

  • Brechen der Quarantäneanordnung nach Ein- oder Rückreise durch Arbeiten: Bußgeld von bis zu 25.000 Euro


Für den Verstoß gegen die Quarantäne bei Krankheitssymptomen oder nach einem Coronatest existieren allerdings bisher keine einheitlichen Bußgeld-Vorschriften in den Bundesländern. Doch auch bei einer potenziellen Infektion, die bisher noch unbestätigt ist, bei der jedoch Symptome vorliegen, ist Vorsicht geboten. Hält man die vorsorgliche Quarantäne nicht ein und mischt sich unter Mitmenschen, nimmt man die mögliche Infektion anderer zumindest billigend in Kauf. Das könne für eine versuchte Körperverletzung schon ausreichen.

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