Herbert-Lewin-Preis 2019

Dem Vergessen entgegentreten

Dana Nela Heidner
Zum siebten Mal wurde gestern in Berlin der Herbert-Lewin-Preis zur Aufarbeitung der Geschichte der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus verliehen. In einem kleinen festlichen Rahmen kamen die vier Preisträger, die Jurymitglieder und geladene Gäste zusammen.

Der Preis honoriert wissenschaftliche Arbeiten zur Rolle der Ärzteschaft und dem Schicksal entrechteter jüdischer Ärzte in der Zeit des Nationalsozialismus.

In einem inspirierenden Vortrag sprach anschließend Prof. Julius H. Schoeps, Historiker und Politikwissenschaftler sowie Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam.

Es sei eben nicht egal, was vor acht Jahrzehnten geschah, unterstrich Schoeps: „Es ist sehr zu begrüßen, dass wir uns heute verstärkt mit der NS-Geschichte beschäftigen, dass wir uns gemeinsam erinnern und uns die Gräuel von damals vergegenwärtigen. Nur so, wenn wir alle bereit sind, uns der Geschichte mit ihren Aktiv- und Passivposten zu stellen, nur dann werden wir, nur dann wird unsere Gesellschaft eine Zukunft haben.“

Der Preis, ausgeschrieben vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Bundesärztekammer (BÄK), der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), ist insgesamt mit 15.000 Euro dotiert.

Vorbildhafte Arbeiten: die Preisträger

Den ersten Platz vergab die Jury für die gemeinschaftliche Arbeit von Dr. Susanne Doetz und Prof. Christoph Kopke mit dem Titel „und dürfen das Krankenhaus nicht mehr betreten“. Die Arbeit befasst sich mit dem Ausschluss jüdischer und politisch unerwünschter Ärztinnen und Ärzte aus dem städtischen Gesundheitswesen in Berlin in den Jahren 1933 bis 1945. Das Buch ist im Hentrich & Hentrich Verlag erschienen.  

Platz zwei ging an Dr. Doris Fischer-Radizi für ihre Arbeit „Vertrieben aus Hamburg“ über die Ärztin Rahel Liebeschütz-Plaut. Fischer-Radizi war auf schriftliche Notizen der jüdischen Ärztin gestoßen, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gezwungen war, ihren Beruf aufzugeben. In einer Trilogie greift die Autorin unter anderem Aspekte der Juden- und Frauenemanzipation auf. Das Buch erschien im Wallstein Verlag.

Platz drei ging an Dr. Mathias Schütz für den Fachaufsatz „Vier Ermittlungen und ein Verdienstkreuz“. Schütz hob mit seiner Arbeit die Medizinverbrechen des Hygienikers Hermann Eyer während der NS-Zeit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Darin machte er deutlich, wie es dazu kommen konnte, dass Ärzte ihr Mitwirken an den Verbrechen verschleierten und ihre Karriere danach vielfach sogar ausbauten.

Erstmalige historische Aufarbeitung

Der Herbert-Lewin-Preis ist nur ein Teil der historischen Auseinandersetzung mit der Geschichte von Täter und Opfern unter Medizinern während der NS-Zeit. Die Spitzenorganisationen der Zahnärzteschaft stellten jetzt in Berlin zudem erstmals die Ergebnisse des gemeinsamen Forschungsprojekts „Zahnmedizin und Zahnärzte im Nationalsozialismus“ vor.

An dem bundesweit einmaligen Projekt arbeiteten unabhängige Wissenschaftler der Universitäten Düsseldorf und Aachen vier Jahre lang und untersuchten die Rolle der Zahnheilkunde im NS-Regime. Das Ergebnis ist eine erste umfassende, kritische Darstellung der Geschichte der Zahnärzteschaft und ihrer Organisationen in den Jahren 1933 bis 1945 sowie in der Nachkriegszeit. 

Der Herbert-Lewin-Preis

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