Die KBV zur aktuellen Situation

"Durchaus denkbar, dass es keine zweite Welle gibt!"

silv
Die niedergelassenen Ärzte haben aus Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in den Wochen des Lockdown als „Schutzwall“ funktioniert. Die AU-Telefonregelung soll Ende Mai beendet werden, ein Immunitäts-Ausweis sei "nicht umsetzbar".

„Die Entwicklung der Infektionszahlen stabilisiert sich auf niedrigem Niveau“, zog KBV-Chef Dr. Andreas Gassen in einer Online-Pressekonferenz heute Bilanz. „Nichtsdestotrotz gibt es einzelne Ausbrüche auf lokaler Ebene, wir müssen uns fragen, wie wir mit diesen regionalen Punkten umgehen.“

Gassen: "Sternegucken ist nicht unser Geschäft"

Sein Fazit: „Die Zeit des Lockdowns ist vorbei. Es ist durchaus denkbar, dass es keine zweite Welle geben wird. Darauf wollen wir alle hinarbeiten.“ Die korrekte Handhabung von Masken könne ein Schutz sein, darüber hinaus gelte: „Sternegucken ist nicht unser Geschäft.“ Fest stehe: „Patienten können und sollen beruhigt wieder in die Praxen kommen, sie sind auf sie vorbereitet.“

Jetzt sei wichtig, die OP-Wartelisten abzuarbeiten

Gassen warnte einmal mehr davor, aus Angst vor einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus die Arztpraxen zu meiden. „Über das Thema Corona dürfen wir nicht vergessen, dass wir eine Vielzahl behandlungsbedürftiger Patienten haben, dass zum Beispiel Kinder geimpft werden müssen.“

Es müsse eine Rückkehr zur Normalversorgung geben. Man müsse aufpassen, dass es am Ende nicht mehr Tote durch Corona, sondern durch die Maßnahmen, die „darum herum beschlossen“ wurden, gebe. „Aber natürlich muss man einen zweiten Strang der medizinischen Versorgung für Corona vorhalten“, erklärte der KBV-Chef. Wichtig sei jetzt, die OP-Wartelisten abzuarbeiten: „Damit uns nicht die Patienten sterben.“

Rein rechnerisch komme aktuell auf jede fünfte Arztpraxis ein Corona-Patient. „Selbst die zehnfache Menge würde unser Gesundheitssystem nicht überfordern.“

Auslaufen der AU-Regelung zu Ende Mai

„Wir schlagen vor, die AU-Regelung bis Ende Mai zu verlängern, damit Bürger und Praxen sich darauf einstellen können“, sagte Gassens Vize Dr. Stephan Hofmeister. Danach sollte man wieder in den Regelbetrieb zurückkehren: „Wer krank ist, stellt sich dem Arzt vor. Es war nie unsere Vorstellung, dass die Krankschreibung nur noch fernmündlich praktiziert wird.“ Dies sei nur der Vermeidung der Ansteckungsgefahr geschuldet gewesen.

Derzeit gilt: Die Feststellung der AU bei Versicherten mit Erkrankungen der oberen Atemwege, die keine schwere Symptomatik aufweisen, darf für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen auch nach telefonischer Anamnese erfolgen und kann einmalig für maximal weitere sieben Kalendertage festgestellt werden.

Hofmeister: Ärzte haben ein 12-fach höheres Risiko für COVID-19

Hofmeister bilanzierte: „Wir sind jetzt seit dreieinhalb Monaten mit Corona beschäftigt, ab Mitte März im allgemeinen Lockdown. Die niedergelassenen Ärzte haben in den vergangenen Wochen eine Schlüsselfunktion eingenommen, als Schutzwall standgehalten.“

Er präsentierte eine Umfrage, die zwischen 7. und 10. Mai durchgeführt wurde und an der sich 2.500 Bürgerinnen und Bürger beteiligten. Diese stellen den niedergelassenen Arztpraxen ein gutes Zeugnis aus. „55,5 Prozent der Befragten nennen als ersten Ansprechpartner bei einem COVID-19-Verdacht ihren Hausarzt. 30,4 Prozent sind davon überzeugt, dass niedergelassene Praxen dazu beigetragen haben, die Krankenhäuser zu entlasten. 43,3 Prozent haben erkannt, dass Schutzbekleidung wichtig ist und fehlte.“ Hofmeister fügte hinzu: „Ärzte haben ein 12-fach höheres Risiko, an COVID-19 zu erkranken als die Normalbevölkerung.“

Psychische Krankheiten werden zunehmen

Er wies auch auf die Bedeutung psychischer Krankheiten während der Pandemie hin: „Bundesweit gibt es 16 Millionen Patienten, die von psychischen Erkrankungen betroffen sind. Davon leiden rund 4,6 Millionen an Angststörungen, 10,3 Millionen an Depressionen.“ 16,2 Millionen Deutsche hätten Suchterkrankungen. „Es gibt erste Untersuchungen, die zeigen, dass wir damit rechnen müssen, dass es als Kollateralschaden von COVID-19 eine Zunahme psychischer Erkrankungen geben wird.“

„Immunitäts-Ausweis ist medizinisch nicht umsetzbar“

Dem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeschlagenen und mittlerweile gestoppten Plänen, einen Immunitätsausweis einzuführen, erteilte Hofmeister eine Abfuhr. „Keine wissenschaftliche Institution sagt uns, ob man nach einer Infektion immunisiert ist und wenn ja, mit welchem Nachweis wie lange.“ Sein Fazit: „Ein Immunitäts-Ausweis ist medizinisch nicht umsetzbar.“

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