Vertreterversammlung in Berlin

Halbzeit: Was hat die KZBV erreicht und wohin führt die Zukunft?

Dana Nela Heidner
Wo steht die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und wo will sie hin? Auf der Vertreterversammlung in Berlin zog der Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer gestern Bilanz. Klar ist: Die KZBV will die Prozesse weiter gestalten - und die Selbstverwaltung leben.

„Herr Spahn packt wirklich eine Menge an und stellt uns damit auch vor Herausforderungen. Das Tempo ist enorm - und unser Anspruch ist es eben nicht, sich von der Politik vor sich hintreiben zu lassen, sondern zu gestalten und konstruktiv-kritisch mitzuwirken.“ Vorstandsvorsitzender Dr. Wolfgang Eßer, brachte zu Beginn seines Berichts die Situation der KZBV während der letzten anderthalb Jahre auf den Punkt. „Ich hoffe, dass Sie mit mir den Eindruck teilen, dass uns das so schlecht gar nicht gelungen ist.”

Für Veränderungen gewappnet

24 Gesetze hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in 20 Monaten - allein oder gemeinsam mit anderen Ministerien - auf den Weg gebracht, die entweder schon in Kraft getreten sind oder sich noch im parlamentarischen Verfahren befinden.

Spahns Kurs sei Eßer zufolge offensichtlich: Da man bei dem Tempo nicht jedes Gesetz perfekt ausgestalten könne, wolle er all das nachträglich einzuspeisen, was man beim ersten Mal noch nicht hat berücksichtigen können. Und das wiederum sei genau der Punkt, warum jedes Gesetz bis ins Detail geprüft werden müsse, ob es nicht auch die Zahnärzte und die vertragszahnärztliche Versorgung betrifft.

Nun, in der Mitte der Legislaturperiode, ziehe die Bundesregierung Bilanz, ebenso wie die SPD – mit bislang ungewissem Ausgang für die Zukunft der Regierung. Aufgabe sei es also, für Veränderungen gewappnet zu sein.

Versorgung gestalten – nicht verwalten

Kritisch müsse man aber auch mit sich selbst sein, ob die Ziele, die einst gefasst wurden, noch immer gelten: „Als Karl-Georg Pochhammer, Martin Hendges und ich vor drei Jahren den Vorsitz angetreten haben, haben wir uns vorgenommen, die vertragszahnärztliche Versorgung zu gestalten – nicht zu verwalten. Dazu gehört die Sicherstellung einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Versorgung, die Verbesserung der Mundgesundheit der Bevölkerung über den ganzen Lebensbogen hinweg, und eine viel stärkere Berücksichtigung der Besonderheiten der zahnmedizinischen Versorgung auch in der Gesetzgebung. Wir wollen die vertragszahnärztliche Versorgung, die KZBV und das KZV-System wirklich zukunftsfest machen. Last but not least wollen wir die Interessen der Kollegen umsichtig und kraftvoll vertreten.“

Über allem als Richtschnur schwebe die Agenda Mundgesundheit, die in der Vollversammlung im Juni 2017 einstimmig beschlossen worden war. Etwas sehr Positives habe man mit den Deutschen Mundgesundheitsstudien geschaffen, denn diese lieferten Hintergründe und Anknüpfungspunkte für politische Gespräche. In diese Richtung wolle man weiter gehen: „Wir haben mit ZäPP unsere Erhebung der Kosten- und Versorgungsstruktur in den Praxen neu aufgesetzt. Damit werden wir eine noch aussagekräftigere und belastbarere Datengrundlage über die Rahmenbedingungen und die wirtschaftliche Entwicklung der Praxen in ganz Deutschland gewinnen.“

Im Fokus: vulnerable Patientengruppen

Ein persönliches Anliegen sei ihm, dass man sich als Zahnärzteschaft intensiv um die vulnerablen Patientengruppen kümmere. Dazu gehöre ein Leistungskatalog, der sich an den Bedürfnissen der Patienten orientiert und ihnen eine Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt ermöglicht.

Es sei bereits gelungen, sowohl bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen als auch bei den Kindern Versorgungslücken zu schließen und Präventionsmaßnamen auszubauen: „Wir wollen die Menschen in dieser Republik auch in zehn oder 15 Jahren flächendeckend auf hohem qualitativen und wissenschaftlichem Niveau zahnmedizinisch zu versorgen.“

Eßer betonte einen Punkt, der der Zahnärzteschaft besonders am Herzen liegt: die Differenzierung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Versorgungssituation zwischen ärztlichem und zahnärztlichem Wirken. Zudem gelte es, Bedrohungen des Gesundheitssystems und der zahnärztlichen Versorgung zu erkennen und abzuwehren: „Wir müssen mit aller Entschiedenheit den Bestrebungen von Private Equity Gesellschaften und versorgungsfremden Investoren entgegentreten, den zahnärztlichen Versorgungsmarkt als Renditeobjekt zu erschließen.“

„Verdacht auf Abzocke mit Zahnspangen“ hatte die BILD-Zeitung zu Beginn des Jahres getitelt. Die Sorge, dass die Kieferorthopädie durch wiederholt unseriöses Verhalten einzelner Kieferorthopäden die gesamte zahnärztliche Versorgung in Veruf bringen könnte, war damals sehr präsent. Also habe man gehandelt: „Wir haben neben der Kombination neuer Transparenz- und Prüfregelungen auch die Mehrkostenregelung für kieferorthopädische Leistungen gesetzlich verankert.“

Und das sei noch nicht alles: Gemeinsam mit der BZÄK und der DGKfO werde ein KFO-Modul in die kommende DMS VI integriert, Daten der NAKO-Gesundheitsstudie im Hinblick auf kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen ausgewertet und Abrechnungsdaten analysiert. Ende 2021 sollen die Ergebnisse vorliegen.

TI - Lust und Frust

In den Praxen fehlten positive Erfahrungen mit der TI. Stattdessen gebe es Fristendruck, Sanktionsandrohungen und Stress mit der Technik. Verschließen würde man sich trotz alledem nicht, betonte Eßer: „Wir haben im Gesetzgebungsverfahren deutlich gemacht, dass wir die Digitalisierung und den Innovationsprozess gestalten wollen. Die Digitalisierung darf aber nicht zur Bürde für die Heilberufe werden, dass müssen die Verantwortlichen in der Politik endlich beachten. Die Politik muss auch ihre Hausaufgaben erledigen und dafür sorgen, dass bundesweit Datennetze vorhanden sind, die eine schnelle Datenübertragung ermöglichen und dass auch die Industrie ihren Verpflichtungen nachkommt.“

Eßer stimmt mit Gesundheitsminister Spahn in dem Punkt überein, dass es nicht zu einem Verwendungsprivileg des Staates wie beispielsweise in China kommen dürfe. Ebenso müsse eine gewerbliche Nutzung der Daten wie in den USA verhindert werden. Daten müssten das Eigentum des Individuums bleiben und dürften nur auf freiwilliger Basis bereitgestellt und unter höchsten Sicherheitsnormen genutzt werden, um dem Gemeinwohl zu dienen.

Tradierte Praxisformen müssen fitter gegenüber MZV werden!

Um die freiberufliche Zukunft des Berufsstandes zu ermöglichen und den Erhalt der berufsständischen Selbstverwaltung zu gewährleisten, gelte es zudem, zügig ein Bündel von Maßnahmen zu ergreifen: „Aus unserer IDZ-Studie „Generation Y“ wissen wir, dass die Niederlassung nach wie vor die beliebteste Tätigkeitsform ist; dass jedoch die meisten der jungen Leute diese eher mittelfristig planen. Die Stichworte der jungen Generation lauten bekanntermaßen: mehr Flexibilität, mehr und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deshalb müssen wir die tradierten Praxisformen wettbewerbsfähiger gegenüber den MZV machen und beispielsweise flexible Arbeitszeitmodelle in unseren Praxen schaffen.“

Die Selbstverwaltung darf nicht weiter vergreisen!

Wenn die Selbstverwaltung verloren ginge, kämen Fremdverwaltung und Verlust der Freiberuflichkeit. Deshalb müsse gerade für die jungen Kollegen Platz unter anderem auch in den Gremien geschaffen werden, wo sie ihre Interessen vertreten und Verantwortung übernehmen können: „Wenn wir das nicht langsam aber sicher realisieren und umsetzen, dann wird mit uns Selbstverwaltungsgreisen auch die Selbstverwaltung in naher Zukunft auf ganz natürliche Art aussterben.“

Es sei nur gelungen, mit dem rasanten Tempo des Gesundheitsministers mitzuhalten, weil man eben nicht gewartet habe, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern aktiv eine Agenda geschaffen habe, die in die politischen Gespräche und Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde. Eßer: "Diesen Kurs, der nur mit einer Selbstverwaltung möglich ist, wollen wir auch in Zukunft weiter verfolgen!"

Das hat die KZBV bis dato erreicht Das bleibt auch in Zukunft wichtig

  • Im zahnärztlichen Bereich wurde in den zurückliegenden Jahren soviel Gesundheitsversorgung geschaffen, wie fast in keinem anderen Versorgungsbereich - bei gleichzeitiger Senkung der Ausgaben der Krankenkassen.

  • Die Mundgesundheit in Deutschland nimmt weiterhin im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein.

  • Jahrzehntealte Forderungen der Zahnärzteschaft konnten umgesetzt werden.

  • Die erste Runde im Kampf gegen die Fremdinvestoren konnte die Zahnärzteschaft für sich entscheiden.

  • Die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Praxen konnten deutlich verbessert werden.

  • Versorgungskonzepte AuB und ECC in die Versorgung integrieren.

  • PAR, die Parodontitistherapie auf den aktuellen wissenschaftlichen Stand bringen. Ziel ist eine neue PAR-Richtlinie Ende 2020.

  • Die Entwicklung von MVZ-Ketten und iMVZ akribisch nachhalten.

  • Einführung eines „MVZ-Registers" unter dem Aspekt des Patientenschutzes.

  • Optionale Anwendung der Sicherstellungsinstrumente nach § 105 SGB-V.

  • Optionale Möglichkeit der KZVen, einen Strukturfonds bis zu einer Höhe von 0,2 Prozent der Gesamtvergütung einrichten zu können.

  • Option der KZVen, Eigeneinrichtungen betreiben zu dürfen.

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