Zi und DEGAM schlagen Maßnahmen zur Versorgungsplanung in der Corona-Krise vor

"Haus- und Fachärzte sind ein Schutzwall für die Krankenhäuser“

pr
Risikogruppen systematisch testen und Patienten konsequent separieren – das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) schlagen Maßnahmen vor, um Patienten wieder angstfrei in die Hausarztpraxen zu bekommen und notwendige Facharzttermine wahrzunehmen.

In Zukunft müssen ihrer Auffassung nach insbesondere die Vernetzung lokaler Versorgungsstrukturen, systematische Tests, advance-care-planning und der Schutz für Hochrisikopatienten weiter verstärkt werden, damit eine Überlastung des Gesundheitswesens vermieden werden kann.

COVID-19-Patienten: Ambulante Versorgung sollte der hausärztlichen Regelversorgung obliegen

Es dürfe nicht dazu kommen, dass die Versorgung der weitaus größeren Anzahl, insbesondere chronisch kranker Patienten, durch COVID-19 beeinträchtigt wird. Sie sprechen sich dafür aus, dass die ambulante medizinische Versorgung der COVID-19-Patienten Teil der ambulanten hausärztlichen Regelversorgung werden soll. Die Sorge vor Überlastung des Gesundheitswesens durch COVID-19-Patienten dürfe ihrer Meinung nach nicht zu Unterversorgung aller übrigen Patienten führen.

Nein zu Dirigismus und Parallelstrukturen

„Im Rahmen der längerfristigen Ausrichtung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung wird ein weitergeführter Dirigismus von politischer Seite ebenso abgelehnt wie Parallelstrukturen, in denen Gesundheitsämter Aufgaben der hausärztlichen Versorgung übernehmen. Die Arzt-Patient-Beziehung und Persönlichkeitsrechte müssen weiterhin gewahrt bleiben“, heißt es in dem Papier.

Ziel müsse sein, „erstens, weiterhin die absolute Anzahl schwer und gegebenenfalls tödlich verlaufender COVID-19-Infektionen in einem Rahmen zu halten, der mit verfügbaren Kapazitäten der medizinischen Versorgung bewältigt werden kann, und zweitens, die ambulante medizinische Versorgung unter notwendigen Vorsichtsmaßnahmen im gewohnten Umfang sicher zu stellen".

Zu den von den beiden Organisationen vorgeschlagenen Maßnahmen gehören:

  • Neu entstehende Infektionscluster sollten schnell gefunden und isoliert werden, um das Pandemiegeschehen zu kontrollieren und vulnerable Personengruppen schützen zu können.

  • Dazu sollte in eine systematische Testung der Bevölkerung (keine Massentestungen) und der Gesundheitsberufe mit nach dem jeweiligen Stand der Evidenz geeigneten Tests investiert werden.

  • Um unter Risiko stehenden Kontakte zutreffend und schnell ermitteln zu können, könnte die freiwillige Verwendung einer Tracing-App sinnvoll sein, wenn sich eine ausreichende Zahl von Personen zuverlässig daran beteiligt.

  • Durch geeignetes Pooling könnte eine systematische Teststrategie verfolgt werden. Dennoch müssten die täglichen Testkapazitäten deutlich erweitert werden. Je nach Ausgestaltung des Testprogramms und des Pandemieverlaufs sind nach Berechnungen des Zi rund 500.000 Tests pro Tag erforderlich, um die Beschäftigten im Gesundheitswesen und die Infizierten und deren Kontaktpersonen in der Bevölkerung sowie die Bewohner von Pflegeheimen regelhaft zu testen.

  • Entscheidend  sei der Fokus auf besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen. Ältere und an bestimmten Grunderkrankungen leidende Personen seien einem besonderen Risiko ausgesetzt, schwere und gegebenenfalls tödliche Verläufe zu erfahren.

  • Das Gesamtbild der Patientenversorgung dürfe nicht aus den Augen verloren werden.

  • In der Gestaltung der Versorgungsabläufe wollen die beiden Organisationen folgende, auf COVID-19 bezogene Konstellationen beachtet wissen: (1) die Versorgung von Patienten ohne Verdacht auf COVID-19-Infektion, (2) die Versorgung von Patienten mit Verdacht auf eine COVID-Infektion oder in Quarantäne als Kontaktperson, (3) die Versorgung von Patienten mit bestätigter COVID-19-Infektion.

  • Soweit nicht bereits durch Infektsprechstunden in Hausarztpraxen abgedeckt, seien Coronapraxen beziehungsweise Infektambulanzen in Ballungsräumen denkbar. Sie sollten in regulären Praxisräumen untergebracht werden, solange diese eine ausreichende räumliche Distanz im Warte-und in den Behandlungsbereichen ermöglichen. Patienten mit Verdacht auf oder bestätigter COVID-19-Erkrankung sollten im Rahmen von telefonischen Voranmeldungen behandelt werden können.

  • Voraussetzung für ein entsprechendes Terminmanagement und eine lückenlose Verlaufsbeobachtung bei COVID-Patienten sei die unverzügliche Übermittlung der Daten von positiv getesteten Patienten vom Gesundheitsamt an den Patienten beziehungsweise den betreuenden Hausarzt. Besser wäre eine parallele digitale Übermittlung der Daten positiv getesteter Personen vom Labor an das Gesundheitsamt und an den Patienten oder den betreuenden Hausarzt.

  • Bund und Länder seien gefordert, nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch die ambulante Versorgung und die Pflegeeinrichtungen mit einem ausreichenden Maß an Schutzausrüstung auszustatten.

  • Die telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sollte über den 18. Mai 2020 hinaus ermöglicht werden.

Rheinland-Pfalz: Fachärzte gegen die „Corona-Angst“

Die Initiative Facharzt Rheinland-Pfalz hat eine Aktion gegen ihre leeren Wartezimmer gestartet. Aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus bleiben viele Patienten derzeitzu Hause, Ärzte verzeichnen herbe Umsatzrückgänge. Besonders niedergelassene Fachärzte auf dem Land sind betroffen, da bei ihnen der Anteil an Privatpatienten deutlich niedriger ist als in Ballungszentren.

Die Initiative spricht von einer „Corona-Angst“ und nennt eine bundesweite Umfrage von Ende April, nach der das Patientenaufkommen in den Praxen im Vergleich zum Vorjahresquartal um die Hälfte geschrumpft ist. Die Fachärzte beklagen im Vergleich zu Kliniken eine Ungleichbehandlung, auch bei der Kurzarbeit seien ihnen die Hände gebunden, da ihre Öffnungszeiten die gleichen sind wie vor Ausbruch der Pandemie.

Sie kritisieren, dass es für sie keine „adäquate Unterstützung“ gebe – dabei werden sechs von sieben COVID 19-Patienten ambulant behandelt. Die Regelungen für Ärzte und Psychotherapeuten im COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz auf Bundesebene findet die Initiative nicht ausreichend. Das Gesetz legt fest, dass ab einer gewissen Umsatzminderung Ausgleichszahlungen erfolgen sollen. (silv)

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