Notfallversorgung auf dem Prüfstand

Krankenhäuser durch Portalpraxen entlasten

pr
Mit einer Bundesratsinitiative will Schleswig–Holstein die Notfallversorgung von Patienten verbessern. Geplant ist der Ausbau von Portalpraxen. Doch: Bleibt es bei der Zuständigkeit der jetzigen Sektoren?

Der Bundesrat tagt dazu am 23. März. Wie das Deutsche Ärzteblatt in seiner Online-Ausgabe (8.3.2018) schreibt, soll in dem Gesetzentwurf, den das Land jetzt vorgelegt hat, im SGB V eine Änderung erfolgen: Demnach soll in begründeten Ausnahmefällen eine Entlastung von Notaufnahmen der Krankenhäuser auch während der Sprechstundenzeiten möglich werden. Die jetzt schon möglichen Kooperationsverträge sollen erweitert und weiterentwickelte Portalpraxen könnten Notfallkapazitäten aufnehmen.

Die Notfallversorgung steht schon lange auf der politischen Agenda. Hintergrund ist die Diskussion, dass zu viele Patienten die Notfallambulanzen der Krankenhäuser aufsuchen, weil sie nicht wissen, wohin sie sich wenden können, wenn sie außerhalb der Praxisöffnungszeiten eine ärztliche Behandlung brauchen. Damit werden in den Notfallambulanzen Ressourcen gebunden, die für die Versorgung bei lebensbedrohlichen Fällen zur Verfügung stehen sollten.

Die KBV hatte etwa letzten Oktober anlässlich der bundesweiten Tage des Bereitschaftsdienstes mit vielen Aktionen der KVen auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst mit der zentralen Rufnummer 116117 hingewiesen, der in der Bevölkerung allerdings immer noch zu wenig bekannt ist. Die zentrale Notrufnummer 112 dagegen ist den meisten ein Begriff. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hatte bereits letzten September auf einem Werkstattgespräch eine umfassende Reform gefordert. Er hat dazu ein neues Konzept zur ärztlichen Notversorgung vorgestellt, bei dem integrierte Leitstellen eingesetzt werden, so dass die Rufnummer 112 des Notdienstes und die 116117 des Bereitschaftsdienstes zentral an „einem Tresen“ zusammengefasst werden. Das Konzept wird derzeit weiterentwickelt.

 

Die KBV hat auf ihrer letzten Vertreterversammlung am 2. März in Berlin den konsequenten Ausbau der bundeseinheitlichen Rufnummer 116117 und einen weiteren Ausbau der Bereitschaftsdienstangebote gefordert. Die nötige Weiterentwicklung soll jedoch von der Selbstverwaltung vorangetrieben werden, so das Plädoyer. Und, so warnt der stellvertretende KBV-Vorsitzende Dr. Stephan Hofmeister, es handelt sich nur um einen kleinen Teil der Versorgung: „Ich möchte das noch mal zurechtrücken: Es geht um 20 Millionen Fälle im Jahr, wovon wir Vertragsärzte die Hälfte abarbeiten, die andere Hälfte wird als ambulanter Notfall in den Krankenhausambulanzen behandelt. Bitte, wir haben eine Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte pro Jahr und 600 Millionen Behandlungsfälle – es handelt sich also um einen Bruchteil der Versorgung. An diesem kleinen Teil entscheidet sich aber, wie das KV-System in den kommenden Jahren aufgestellt sein wird und ob der Gesetzgeber dogmatisch geblendet und politisch getrieben hineingrätscht und nach aktueller Stimmungslage entscheidet.“

Dr. Heiner Garg, Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren Schleswig-Holstein

Dr. Heiner Garg, Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren Schleswig-Holstein

Im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens wird also vor allem die Systemfrage interessant werden: Wie gestaltet sich die Finanzierung der Notfallversorgung und welcher Sektor ist zuständig? Werden die jetzigen Sektorengrenzen von ambulant/stationär aufgeweicht? Laut GroKo-Koalitionsvertrag will die Politik eine Sicherstellung der Notfallversorgung von Landeskrankenhausgesellschaften und KVen in gemeinsamer Finanzverwaltung schaffen. Die konkrete Ausgestaltung ist zwar noch offen, aber ein Umlenken von Finanzströmen ist denkbar. Schaut man sich etwa das Modell Schleswig-Holstein an, so geht es dort eher darum, den Notdienst in den Kliniken deutlich zu entlasten. Seitens der Krankenhaus-Lobby wird es darauf ankommen, wie die konkrete Umsetzung der Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag aussehen wird. So erklärte Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft: „Es ist begrüßenswert, dass die Krankenhäuser gleichberechtigt in die Organisation des ambulanten Notfalldienstes einbezogen werden. Klar muss aber auch sein, dass das Morbiditätsrisiko in diesem Segment den Krankenkassen zugeordnet werden muss. Aus Sicht der Krankenhäuser wäre ein neues Budget kontraproduktiv. Notfallleistungen müssen extrabudgetär finanziert werden.“

Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der KBV

Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der KBV

Das nächste Gutachten des Sachverständigenrats mit dem Arbeitstitel „Bedarfsgerechte Steuerung des Angebots und der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen" – soll im zweiten Quartal 2018 übergeben werden. Als einen exemplarischen Bereich analysiert es auch die Notfallversorgung.

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