BDA zu den arbeitsrechtlichen Folgen einer Pandemie

Coronavirus: Aktualisierter Leitfaden für Arbeitgeber

pr/pm
Praxis
Welche arbeitsvertraglichen Folgen hat es, wenn Arbeitnehmer wegen Covid-19 nicht beschäftigt werden können? Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) hat ihren Leitfaden zu Pandemien aktualisiert.

Die BDA informiert in einem jetzt aktualisierten Leitfaden über arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie (4. Neufassung 2020). Zudem liestet sie auf, welche vorbereitenden Handlungen durchgeführt werden können, um innerbetriebliche Folgen möglichst einzugrenzen. Auch datenschutzrechtliche Aspekte werden erörtert. Ziel ist, die betrieblichen Abläufe weitgehend zu sichern. 

1. Arbeitspflicht

Ein Zurückbehaltungsrecht nach §273 Abs. 1 BGB kommt für in Deutschland tätige Arbeitnehmer ebenfalls grundsätzlich nicht in Betrachtbei der Rückkehr eines Mitarbeiters aus einer gefährdeten Region - einer Region, die von einer Reisewarnung betroffen ist oder die vom Robert Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet eingestuft wurde. Auf Wunsch des in Deutschland tätigen Arbeitnehmers kann ihn der Arbeitgeber unter Wegfall des Vergütungsanspruchs freistellen.

2. Verpflichtung zur Mitteilung

Den Arbeitnehmer trifft eine arbeitsvertragliche Hinweispflicht, soweit er in räumlicher Nähe zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person stand. Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Untersuchung eines zurückgekehrten Mitarbeiters anordnen, sofern er hieran ein berechtigtes Interesse hat

Die Zulässigkeit der Anordnung zur Durchführung von Reihen-(Fieber-)Tests vor Betreten des Betriebsgeländes unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats. Pauschale Anordnungen zur Durchführung von Fieber-Tests sind mit den Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer sorgsam abzuwägen. So bedarf es stets eines konkreten Anlasses in Form einer konkreten Infektionsgefahr.

Darüber hinaus kann der Arbeitgeber nach Auffassung der BDA die Freistellung ohne oder gegen den Willen seines Arbeitnehmers erklären. Dies setzt voraus, dass das Suspendierungsinteresse des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers an einer vertragsgemäßen Beschäftigung überwiegt und wird auf die Einhaltung arbeits-schutzrechtlicher Vorschriften (§ 4 Nr.1 Arb-SchG) und die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) gestützt.

3. Vergütungsanspruch

Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen einer konkreten Infektionsgefahr einseitig frei, ist auch dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung unmöglich und die Vergütungspflicht des Arbeitgebers entfällt grundsätzlich. Der Arbeitgeber darf den betroffenen Arbeitnehmer in diesem Fall aufgrund seiner Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern nicht im Betrieb beschäftigen.

4. Vorübergehende Verhinderung

Rechtlich zweifelhaft ist laut BDA, ob der Vergütungsanspruch eines Arbeitnehmers, der nicht arbeitsunfähig erkrankt ist, sondern lediglich eine konkrete Infektionsgefahr darstellt, nach § 616 BGB aufrechterhalten werden kann - sofern dies nicht einzelvertraglich oder tarifvertraglich ausgeschlossen worden ist. Schließlich stellt eine Pandemie ein objektives Leistungshindernis dar, also keinen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund

Die allgemein für Erkrankungen geltende Sechs-Wochen-Frist ist bei einem länger andauernden unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis grundsätzlich als Grenze einer verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit anzusehen. In entsprechenden, von der BDA vergleichbar hinzugezogenen Rechtsprechungsfällen hatte der BGH die konkrete Infektionsgefahr eines Einzelnen zu entscheiden und keinen Pandemiefall.

5. Betreuung Dritter

Kommt der Arbeitnehmer zum Beispiel in Folge einer Kita- oder Schulschließung seiner Arbeitsleistungspflicht nicht nach, ist ebenfalls § 616 BGB zu beachten. Die BDA hält eine Schließung nicht für ein persönliches Leistungshindernis. Bei der Schließung einer Kita oder einer Schule, um eine Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern, handelt es sich gemäß BDA nicht um ein Leistungshindernis, das unmittelbar in der Person des Arbeitnehmers begründet liegt. Die Schließung betrifft vielmehr eine Vielzahl von Personen.

Wie die BDA aufführt, gibt es jedoch abweichende Auffassungen im Schrifttum, die das anders sehen. Maßgeblich sind alle Umstände des Einzelfalls. Insoweit hat der Arbeitnehmer zumindest die Obliegenheit, alles zu tun, seine Verhinderung möglichst kurz zu halten.

6. Wegerisiko

Kann der Beschäftigte aufgrund von allgemein angeordneten Maßnahmen – etwa, weil die öffentlichen Verkehrsmittel nicht fahren - seinen (unbelasteten) Arbeitsplatz nicht erreichen und somit seine Arbeitsleistung nicht erbringen, hat er grundsätzlich keinen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung. Der Arbeitnehmer trägt das Risiko, dass er zum Betrieb als seinem Arbeits-ort gelangt (sogenanntes Wegerisiko).

7. Entgeltfortzahlungsanspruch

Ist der Arbeitnehmer infolge der Viruserkrankung arbeitsunfähig, so hat er Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 3 Abs.1 EFZG. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn den Arbeitnehmer hinsichtlich der Erkrankung kein Verschulden trifft. Ein Verschulden kommt unter anderem in Betracht, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Privatreise gegen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes verstoßen hat.

Am 9. März hatten GKV-Spitzenverband und die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) eine zeitlich befristete erleichterte Möglichkeit für Krankschreibungen vereinbart. Patienten, die an leichten Erkrankungen der oberen Atemwegeerkrankt sind und keine schwere Symptomatik vorweisen oder Kriterien des RKI für einen Verdacht auf eine Infektion erfüllen, können nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis maximal sieben Tage ausgestellt bekommen. Die Vereinbarung gilt ab sofort und zunächst für vier Wochen.

8. Betriebsrisiko

Sollte der Arbeitgeber im Fall der Erkrankung einer großen Zahl von Arbeitnehmern den Betrieb nicht aufrechterhalten können, trägt er das Betriebsrisiko, soweit Arbeitnehmer arbeitswillig und fähig sind.

Folgende Maßnahmen können helfen, um übermäßige Belastungen abzuwehren:

  • Der Arbeitgeber kann in Abstimmung mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVGKurzarbeitanordnen, um den Betrieb durch Senkung der Personalkosten vorübergehend wirtschaftlich zu entlasten. Daneben kommt Kurzarbeit infrage, soweit dies tarif-oder einzelvertraglich vereinbart ist. Im Falle eines Zulieferstopps oder Betriebsschließungen durch die Behörde aufgrund des Coronavirus ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld zu prüfen.

  • Ebenfalls ist der Arbeitgeber in besonderen Situationen, wie zum Beispiel in Notfällen, berechtigt,Überstundeneinseitig anzuordnen (BAG, Urteil vom 27.2.1981 –2 AZR 1162/78). Aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht ist der Arbeitnehmer in diesen Situationen verpflichtet, Arbeiten auch über das arbeitsvertraglich Vereinbarte hinaus zu übernehmen. Unter einer „Notlage“ versteht das BAG eine ungewöhnliche Gefährdung der Betriebsanlagen, der Waren oder der Arbeitsplätze.

  • EineAnordnung von Urlaubdürfte laut BDA vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung nicht ohne Weiteres möglich sein. Dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers unterfallen insbesondere Auftragsmangel beziehungsweise Betriebsablaufstörungen – sei es durch selbst herbeigeführte oder von außen einwirkende Umstände. Liegt ein Fall des Betriebsrisikos vor, kann der Arbeitgeber den Urlaub nicht einseitig festlegen.

Quelle: BDA

9. Datenschutzrechtliche Erwägungen

Sobald der Verdacht einer Ansteckung besteht oder ein Arbeitnehmer an dem Virus erkrankt ist, muss der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Mitarbeitern nachkommen. Dadurch können die übrigen Arbeitnehmer Kenntnis von dem Verdacht der Ansteckung beziehungsweise der Viruserkrankung ihres Kollegen erlangen. In diesem Fall liegt eine Verarbeitung personenbezogener Daten vor. Die Offenlegung der Viruserkrankung im Betrieb stellt eine rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b), d) und f) der DSGVO dar.

10. Kurzarbeit

Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit anordnen, sofern die Arbeitsleistung aufgrund tarif- oder arbeitsvertraglicher Regelung ausgesetzt werden kann. Dies kann auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld infolge eines Arbeitsausfalls aufgrund des Coronavirus bestehen.

Voraussetzung zur Gewährung von Kurzarbeitergeld

... ist insbesondere der erhebliche Arbeitsausfall mit Entgeltausfall i.S.v. § 96 Abs.1 Nr.4 SGB III. Zudem muss der Betrieb alles Mögliche tun, um die Kurzarbeit zu vermeiden. Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend und unvermeidbar ist.

Unter einem unabwendbaren Ereignis ist allgemein ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen, nach der Besonderheit des Falles zu berücksichtigenden Umständen auch durch die äußerste diesen Umständen angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt weder abzuwehren noch in seinen schädlichen Folgen zu vermeiden ist. Dazu können auch behördlich angeordnete oder anerkannte Maßnahmen gehören (zum Beispiel angeordnete Betriebseinschränkungen oder -stilllegungen), die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind.

Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer müssen im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht alles getan haben, um den Arbeitsausfall zu vermeiden. Dazu gehört zum Beispiel die Gewährung von Urlaub und das Nutzen von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen.

Quelle: BDA

Bundestag und Bundesrat haben am 13. März 2020 das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld beschlossen. Die BDA weist darauf hin, dass mit dem Gesetz eine Verordnungsermächtigung geschaffen wurde, die es ermöglicht, durch Rechtsverordnungen den Zugang zum Kurzarbeitergeld zu erleichtern.

11. Vorbeugende Maßnahmen

Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten und ihm möglich und zumutbar sind.

Die BDA verweist auf die Möglichkeit, einen „Pandemieplans“ zum Beispiel auf Grundlage einer Rahmenbetriebsvereinbarung für den Pandemiefall mit dem Betriebsrat aufzustellen. Solche Planungen stellen sicher, dass das Unternehmen nicht unvorbereitet von einer Pandemie überrascht wird, sondern geeignete Krisenstrategien zur Verfügung hat, die im Falle eines Falles kurzfristig aktiviert werden können. Dabei können die Risikobewertungen des RKI oder Pandemiepläne der Bundesländer zur Orientierung herangezogen werden.

Darüber hinaus verweist die BDA auf Informations- und Aufklärungsbroschüren zur allgemeinen Information der Mitarbeiter. Arbeitgeber sollten demnach stets auf ausreichende Hygienemaßnahmen bei den betrieblichen Abläufen achten. Um das Risiko von Pandemien möglichst gering zu halten, empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Gesundheitsbehörden. Als vorbeugende Maßnahme kann mit Arbeitnehmern vereinbart werden, die Arbeitsleistung für eine bestimmte Zeit in Form von mobiler Arbeit von zuhause aus zu erbringen.

VDZI zum Kurzarbeitergeld

Auch der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) verweist auf das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld.

So könne das Quorum der im Betrieb Beschäftigten, die von einem Arbeitsausfall betroffen sind, von einem Drittel auf 10 Prozent herabgesenkt werden. Es könne teilweise oder vollständig darauf verzichtet werden, dass die Arbeitnehmer ein negatives Arbeitszeitsaldo aufbauen müssen.

Auch Leiharbeitnehmer könnten Kurzarbeitergeld beziehen. Den Arbeitgebern könnten die von ihnen zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge für die durch Kurzarbeit ausgefallenen Stunden im vollen Umfang erstattet werden. Die Bundesregierung plane, entsprechende Rechtsverordnungen zeitnah zu beschließen.

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