Studiengruppe für restaurative Zahnheilkunde

Alles zur Zahnärztlichen Schlafmedizin

Christine Theile
Zahnmedizin
Am 7. und 8. September 2018 fand in Essen die 42. Jahrestagung der Studiengruppe für restaurative Zahnheilkunde e.V. zum Thema Zahnärztliche Schlafmedizin statt.

Mit seinem Vortrag "Allgemeine Einführung in die Schlafmedizin" gab Prof. Dr. Winfried Randerath, Chefarzt im Bethanien Krankenhaus Solingen, zum Auftakt einen Einblick in die Vielzahl der möglichen Schlafstörungen (Insomnien, Hypersomnien, Parasomnien, Bewegungsstörungen). Sie gilt es für den Zahnmediziner von den schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS) abzugrenzen.

1. Das obstruktive Schlafapnoesyndrom

Durch gezieltes Fragen nach lautem Schnarchen, Atemaussetzern in der Nacht, morgendlichen Kopfschmerzen und nächtlicher Luftnot ergeben sich erste Hinweise auf eine SBAS. Dazu zählt als schwerwiegende Form das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS). Durch eine Erschlaffung der oberen Atemwege im Schlaf kommt es zu einem mehr oder weniger starken Kollaps der Weichgewebe mit einer gestörten Atmung.

Betroffen sind etwa 9 Prozent der Männer und 7 Prozent der Frauen. Zu den Risikofaktoren zählen ein Alter über 40 Jahre, das männliche Geschlecht, Adipositas, eine positive Familienanamnese, die Menopause, kraniofaziale Abnormalitäten und Rauchen sowie Alkohol. Das OSAS ist einer der größten Risikofaktoren für Kraftfahrzeugunfälle.

Diagnostik

Randerath wies auf die Richtlinie 2014/85/EU der Kommission vom 1. Juli 2014 hin, wonach es unbehandelten Patienten mit mittlerem und schwerem OSAS - das entspricht 15 und mehr Atemaussetzern pro Stunde - und Tagesschläfrigkeit nicht erlaubt ist, ein Kraftfahrzeug zu führen. Der AHI stellt zudem einen wichtigen Risikofaktor für eine arterielle Hypertonie dar. Weitere Folgeerkrankungen eines unbehandelten OSAS: Schlaganfälle, kardiovaskuläre Ereignisse und eine erhöhte Mortalität.

Nach einer hohen Prätestwahrscheinlichkeit, bei der die drei Symptome Tagesschläfrigkeit, Schnarchen und fremdbeobachtete Atemaussetzer vorliegen müssen, erfolgt eine apparative Diagnostik.

Die neue S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) sieht bei Patienten mit hoher Prätestwahrscheinlichkeit die Polygrafie zum Nachweis und zur Bestimmung unterschiedlicher Schweregrade der schlafbezogenen Atmungsstörungen vor. Die Messung umfasst ein EKG, die Aufzeichnung des Schnarchens, die Bestimmung des Atemflusses über Mund und Nase, die Erfassung der Bewegungen von Brustkorb und Unterleib, die Bestimmung der Lageposition/die Analyse periodischer Beinbewegungen und die Messung der Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut.

Therapiemaßnahmen

Bei unklaren Symptomen sollte zur Differenzialdiagnose eine umfassendere Polysomnografie im Schlaflabor durchgeführt werden. Im weiteren Verlauf nannte Randerath die verschiedenen Therapiemaßnahmen schlafbezogener Atmungsstörungen: Gewichtsreduktion, Tonsillektomie bei vergrößerten Tonsillen, maxillo-mandibuläre Osteotomie bei skelettalen Malformationen und Neurostimualtion des N. hypoglossus.

Auf die CPAP-Therapie (continuous positive airway pressure) und die MAP-Therapie (mandibular advancement device) ging er ebenfalls ein: Bei der CPAP-Therapie wird mithilfe einer Maske ein kontinuierlicher Überdruck erzeugt, der den Patienten mit zusätzlicher Raumluft versorgt und somit eine Einengung der Atemwege verhindert. Die CPAP-Maske ist der Goldstandard bei mittlerer bis schwerer Schlafapnoe, jedoch zeigen 29 bis 83 Prozent der Patienten eine Non-Compliance.

Bei der MAD handelt es sich um Unterkieferprotrusionsschienen (UPS). Diese können bei leicht- bis mittelgradiger OSA (AHI ≤30) alternativ zur CPAP-Therapie eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere für einen BMI <30 kg/m². Bei AHI >30 oder BMI >30 kg/m² können UPS erwogen werden, falls die Überdrucktherapie trotz Ausschöpfung aller unterstützenden Maßnahmen nicht eingesetzt werden kann. Die Anpassung soll immer mit zahn- und schlafmedizinischer Expertise erfolgen. Der Effekt der Schiene soll halbjährlich durch schlafmedizinisch qualifizierte Ärzte überprüft werden.

2. Schienentherapien

An diese umfangreiche Zusammenfassung knüpfte Zahnärztin Dr. Susanne Schwarting an. Sie ist seit über 20 Jahren in ihrer Praxis in Kiel ausschließlich auf dem Gebiet der zahnärztlichen Schlafmedizin tätig. Sie erklärte das Wirkprinzip der Unterkieferprotrusionsschienen und stellte eine Vielzahl von Schienen unterschiedlicher Hersteller vor.

Prinzip Esmarchscher-Handgriff

Die Schienen wirken nach dem Prinzip des Esmarchschen-Handgriffs: Sie öffnen die Atemwege im Oropharynx, indem sie den Unterkiefer mit der Zunge im Schlaf leicht nach vorne halten. Darüber hinaus strafft der M. palatoglossus bei Unterkiefervorschub das Velum und sorgt somit für eine Öffnung auch des Velopharynx.

Heutzutage werden moderne Zweischienensysteme verwand. Dabei sind eine individuell angepasste Oberkiefer- und eine Unterkieferschiene mit Verbindungselementen, zum Beispiel Flossenkuppen, seitlichen Teleskopen oder einem frontalen Haken miteinander verbunden und leisten einen Vorschub bis zu 75 Prozent der maximalen Protrusion.

Zweischienensysteme versus Monoblock

Der Vorteil der Zweischienensysteme im Unterschied zum Monoblock besteht darin, dass der Unterkiefer durch Vorschrauben der Verbindungselemente stufenlos nach vorne geschoben werden kann, sollten noch Respirationshindernisse vorliegen.

Auch Schwarting stellte, wie ihr Vorredner, die Unterkieferprotrusionsschiene der CPAP-Therapie gegenüber. Sie verwies auf die im Jahr 2009 veröffentlichte und 2017 aktualisierte S3-Leitlinie "Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen", in der die Therapie von Patienten mit leicht- bis mittelgradiger obstruktiver Schlafapnoe mit Unterkieferprotrusionsschienen aufgrund der internationalen wissenschaftlichen Datenlage mit dem Empfehlungsgrad A (Evidenzgrad 1a,1b und 1c) bewertet wird.

Im Anschluss folgte ein Vortrag von Prof. Dr. Marc Schmitter, Leiter der zahnärztlichen Prothetik im Universitätsklinikum Würzburg, über die prothetische Versorgung von Patienten mit vorhandenem Bruxismus mit Vollkeramik oder metallischen Restaurationen.

Der niedergelassene Kieferorthopäde Dr. Markus Heise, Bochum, referierte über das Thema "Kieferorthopädische Aspekte bei der Diagnostik und Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen, auch unter der Berücksichtigung der Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen". Er demonstrierte, wie sich die hinteren Luftwege durch rechtzeitiges Eingreifen durch eine kieferorthopädische Therapie erweitern lassen. Darüber hinaus ging Dr. Nikolaus Rauber, Saarbrücken, ausführlich auf Insomnien und Schlafhygiene bei Kindern ein.

3. Was sollte der Zahnarzt über die Schlafmedizin wissen?

"Was sollte der Zahnarzt wissen über die Schlafmedizin?" Mit diesem Vortrag informierte Dr. Horst Kares, niedergelassen in eigener Privatpraxis in Saarbrücken, über die aktuelle Definition von Bruxismus. So wird unterschieden zwischen Wachbruxismus (WB) und Schlafbruxismus (SB).

Wachbruxismus (WB) und Schlafbruxismus (SB)

Wachbruxismus ist eine Aktivität der Kaumuskulatur während des Wachsseins und wird charakterisiert als wiederholter oder dauerhafter Zahnkontakt. Auch das Anspannen oder Verschieben des Unterkiefers ohne Zahnkontakt wird als Wachbruxismus beschrieben und wird überwiegend von tonischen Muskelkontraktionen geprägt.

Demgegenüber steht der Schlafbruxismus, der eine Aktivität der Kaumuskulatur während des Schlafs ist. Er wird charakterisiert als rhythmisch (phasisch, das heißt kurze repetitive Muskelkontraktionen von drei oder mehr Salven zwischen 0,25 und 2 Sekunden) oder nicht-rhythmisch (tonisch, das heißt andauernde Muskelaktivität über 2 Sekunden). SB ist keine Bewegungsstörung oder Schlafstörung bei ansonsten gesunden Individuen. SB-Aktivitäten sind zu 90 Prozent phasische Muskelkontraktionen.

Das Auftreten des SB variiert von Nacht zu Nacht zwischen 25 bis 50 Prozent. SB kommt bei Erwachsenen seltener vor als WB, bei Kindern ist es genau umgekehrt. Die Ursache kann idiopathisch, ohne erkennbare Ursache sein, dann spricht man vom primären SB.

Sekundärer Schlafbruxismus

Des Weiteren gibt es den sekundären Schlafbruxismus als Folge von Schlafstörungen (Insomnie, Schlafapnoe), Genussmitteln (Koffein, Nikotin, Alkohol), Medikamenten (Antidepressiva, Antikonvulsiva), Drogen (Amphetamine, Kokain) und neurologischen Erkrankungen (Pavor nocturnus, Schädel-Hirn-Trauma, Koma, Syndrom der unruhigen Beine). Es gibt Faktoren, die mit dem Auftreten von SB korrelieren, etwa Überlastung und Erfolgsdruck auf der Arbeit.

Okklusale Parameter unterhalten keinen Bruxismus, lösen ihn auch nicht aus, sind jedoch in Kombination mit Bruxismus ein Risiko für CMD. Bei Kindern zählen zu den Risikofaktoren für einen SB auch Schnarchen, Mundatmung und die Größe der Tonsillen, wobei es nach einer Tonsillektomie zu einer deutlichen Reduktion des SB kommt.

Bruxismus stellt zwar einen Risikofaktor für nicht kariösen Zahnhartsubstanzverlust, Restaurationsverlust und CMD dar, kann aber auch protektive Effekte haben, wie zum Beispiel die Versteifung der Atemwege mit daraus resultierender Öffnung der oberen Atemwege, dem Stressabbau und die Reduktion der Säureeinwirkung von Reflux durch vermehrte Speichelsekretion.

Refluxkrankheit und Schlafbruxismus

Wie hängen Refluxkrankheit und Schlafbruxismus zusammen? 74 Prozent der Patienten mit Reflux haben erhöhte rhythmische Kaumuskelaktivitäten (RMMA). Je länger die durch Säure induzierte Weckreaktion des Patienten ist, desto mehr RMMA-Episoden treten auf. Demgegenüber reduzieren Protonenpumpenhemmer den Schlafbruxismus.

So sind Bruxismus, Schlafapnoe und Schlafstörungen erhöhte Prädiktoren für die Inzidenz einer schmerzhaften CMD. Ein Schlafentzug kann zu Hyperalgesien und spontanen Schmerzen führen.

4. Wie erkennt man Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen in der Zahnarztpraxis?

Zu 95 Prozent sind diese Patienten von lautem Schnarchen betroffen. Atemaussetzer, Bluthochdruck (45 Prozent) und saures Aufstoßen sind weitere Symptome, während die Tagesschläfrigkeit einen eher unspezifischen Faktor darstellt. Bei der klinischen Untersuchung dieser OSAS-Patienten ergibt sich häufig ein BMI von > 30 kg/m², ein Halsumfang von > 43 cm und ein Bauchumfang von > 104 cm. Weitere Indizien sind ein Schmalkiefer mit Angle Klasse II, eine lange Uvula und dicke Tonsillen, ein geröteter Gaumen, eine große Zunge und starker Zahnverschleiß.

Therapie

Bei der Behandlung von OSAS-Patienten mit einer klassischen Okklusionsschiene ist zu beobachten, dass sich der AHI mit Okklusionsschiene verschlechtern kann und einige Patienten sogar mehr schnarchen. Dicke Okklusionsschienen sind somit bei Patienten mit OSAS kontraindiziert. Deshalb sollte jeder Zahnarzt vor einer Schienentherapie die Patienten nach einer schlafbezogenen Atmungsstörung screenen!

In Kombination mit einer Maskenbeatmung machen Okklusionsschienen Sinn, um die Zähne vor Schlafbruxismus zu schützen. Sinnvoller wären hierbei jedoch die Unterkieferprotrusionsschienen, da sie die Zähne ebenfalls schützen, gleichzeitig aber die obstruktive Schlafapnoe therapieren. Zusammenfassend betonte Kares, dass ein Screening nach Insomnien, schlafbezogenen Atmungsstörungen, Reflux, Schmerzen und Medikation die zahnärztliche Therapie verbessert.

Dr. Dr. Jörg Schlieper, niedergelassener Mund- Kiefer- und Gesichtschirurg in Hamburg, informierte über operative Möglichkeiten zur Beseitigung der Schlafapnoe und stellte seine Eigenentwicklung einer zweigeteilten Unterkieferprotrusionsschiene mit deutlich verringerter Bisssperrung vor.

Korrespondenzadresse:Zahnarztpraxis Dr. Monika BoßLintorfer Markt 240885 RatingenE-Mail: E-mail:

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