Parodontitis-Therapie

Antibiotika-Stäbchen für die Zahntasche

ks/pm
Zahnmedizin
WissenschaftlerInnen der Universität Halle entwickelten ein Produkt, das kontinuierlich Antibiotika freisetzt und so die Nachbehandlung einer Parodontitis-Behandlung vereinfacht. Das Patent wurde angemeldet.

Ziel der Studie war die Entwicklung eines verbesserten Arzneimittelabgabesystems für die lokale antimikrobielle Behandlung von Parodontitis, das über mehrere Wochen funktioniert. Dafür haben ForscherInnen vom Institut für Pharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) bereits bekannte Wirkstoffe – Tetracyclin-Antibiotika – neu kombiniert und diese Erfindung zusammen mit Fraunhofer-Einrichtungen aus Halle zum Patent angemeldet.

In Zahntaschen applizierte Antibiotika bieten nur kurzfristigen Schutz

Antibiotika, die nach einer Parodontitis-Behandlung lokal in die Zahntaschen appliziert werden, bieten nur einen kurzfristigen Schutz vor Infektionen. "Durch den Speichelfluss verbleiben viele Arzneistoffe nicht lange genug im Mundraum, um gezielt dort ihre Wirkung freizusetzen", sagt Dr. Andreas Kiesow, der das Projekt am Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle betreute. Eine Antibiotika-Gabe in Tablettenform belaste den kompletten Organismus.

"Besser wäre es, das Antibiotikum würde nicht im ganzen Körper, sondern nur im Mundraum wirken", führt Prof. Dr. Karsten Mäder, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmazeutische Technologie am Institut für Pharmazie der MLU, aus. Mäders Arbeitsgruppe hat daher ein bewährtes Antibiotikum (Minocyclin) mit einem ebenso bewährten Hilfsstoff der Pharmaindustrie (Magnesiumstearat) kombiniert. "Der Komplex ist weiterhin wirksam, aber stabiler. Er setzt das Antibiotikum langsam frei, und zwar an Ort und Stelle", erklärt Mäder.

Der Komplex ist 42 Tage wirksam

Das Team entwickelte sogenannte Chelatkomplexe bestehend aus einem Tetracyclin-Antibiotikum und einem Fettsäuresalz. Minocyclin oder Doxycyclin wurde mit Magnesium- und Calciumstearat – bewährte Hilfsstoffe der Pharmaindustrie – in verschiedenen Verhältnissen kombiniert. "Der Komplex ist weiterhin wirksam, aber stabiler. Er setzt das Antibiotikum langsam frei, und zwar an Ort und Stelle", verdeutlicht Mäder.

Diese Chelatkomplexe stabilisieren den pharmazeutischen Wirkstoff und ermöglichen den Einbau in eine PLGA-Polymermatrix (Poly(lactid-co-glycolid)), wodurch ein flexibles biegsames Material entsteht. In Form von Stäbchen mit einem Durchmesser von 600 bis 900 Mikrometer kann es direkt in die Zahntasche eingebracht werden, in der es bis zur Zersetzung verbleibt. Da sie im Körper abgebaut werden, müssen sie im Anschluss an die Behandlung nicht wieder entfernt werden.

Das fertige Produkt enthält 11,5 Prozent Minocyclin. In-vitro-Freisetzungsstudien ergaben eine kontrollierte Freisetzung des Arzneimittels über 42 Tage. "Die Stäbchen sind deutlich länger in vitro wirksam als bisherige Marktprodukte", sagt Martin Kirchberg, der sich im Rahmen seiner Doktorarbeit mit dem Thema befasst.

Die Stäbchen könnten schon in wenigen Jahren marktreif sein

Das Patent für den Wirkstoffkomplex und die Formulierung wurde zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI und dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, beide in Halle, sowie mit den Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern angemeldet. Mäder und Kirchberg sind mit je 30 Prozent an der Erfindung beteiligt, die restlichen 40 Prozent teilen sich Wissenschaftler der halleschen Fraunhofer-Institute und der Universität Bern.

Eine rasche Umsetzung zunächst in klinischen Studien ist möglich, da alle Inhaltsstoffe in pharmazeutischer Qualität bereits auf dem Markt verfügbar sind. Auch die Herstellung erfolgt mit erprobten Methoden, so dass die Stäbchen schon in wenigen Jahren marktreif sein könnten.

Martin Kirchberg, Sigrun Eick, Mirko Buchholz, Andreas Kiesow, Sandra Sarembe, Karsten Mäder: Extrudates of lipophilic tetracycline complexes: A new option for periodontitis therapy. Published in International Journal of Pharmaceutics 13 October 2019. DOI: doi.org/10.1016/j.ijpharm.2019.118794.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.