Gesundheitsbotschaften entwickeln und senden

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Zahnmedizin
Die traditionellen Methoden in der Zahnmedizin zur Verhaltensänderung sind zu eng gefasst. Eine Alternative dazu ist der gemeinsame Risikofaktorenansatz. Was sich hinter dem Ansatz verbirgt, erklärt Dr. Rainer Jordan, Leiter des Instituts der Deutschen Zahnärzte.

zm-online: Herr Dr. Jordan, wie würden Sie Kollegen aus der Zahnärzteschaft den gemeinsamen Risikofaktorenansatz mit wenigen Sätzen erklären?

Dr. Rainer Jordan:Ein Risikofaktor erhöht die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Erkrankung und seine Eliminierung reduziert diese Wahrscheinlichkeit. Tabakkonsum ist beispielsweise ein Risikofaktor für parodontale Erkrankungen. Tabakkonsum stellt aber auch ein Risiko für Krebserkrankungen oder Herz-Kreislauferkrankungen dar.

Der gemeinsame Risikofaktorenansatz identifiziert solche Risikofaktoren, die verschiedenen, in der Regel chronischen Erkrankungen zugrunde liegen und versucht dadurch, präventionsorientierte Gesundheitsbotschaften zu entwickeln, die von verschiedenen medizinischen Disziplinen gemeinsam ausgesendet werden können, um gemeinsam getragenen Präventionsbotschaften auszusenden.

Man geht davon aus, dass dies den Präventionserfolg in der Bevölkerung insgesamt stärkt. Zurzeit sehen wir uns nämlich damit konfrontiert, dass aus unterschiedlichen Richtungen mitunter gegensätzliche Botschaften ausgesendet werden. Dass es hierbei zu einer Verwirrung bei den Patienten kommen kann, ist leicht nachvollziehbar.

Präventionsmaßnahmen erreichen in Deutschland noch nicht alle Risikogruppen. Welche interdisziplinäre Zusammenarbeit halten Sie mit Blick auf eine erfolgversprechende bevölkerungsbezogene Präventionsstrategie für besonders bedeutsam?

Wichtig sind einfache Botschaften; und sie müssen attraktiv sein. Das heißt, die gesunde Wahl sollte die einfachere Wahl sein. Dann erhöht man die Wahrscheinlichkeit, dass diese Präventionsbotschaften auch angenommen werden.

Da gerade Risikogruppen über die bestehenden Strukturen nur in geringem Maße erreicht werden, müssen sie dort „abgeholt“ werden, wo sie sich befinden. Solche Maßnahmen werden Setting-Ansatz genannt.

Um Risikogruppen also effektiv in die für die Zahnmedizin grundsätzlich so erfolgreichen Präventionsmaßnahmen einzubinden, wird sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit also nicht auf die Kooperation mit dem Hausarzt beschränken können, sondern gleichfalls dort etabliert werden müssen, wo die Menschen leben: also im Kindergarten, in der Schule, auch in nachbarschaftlichen Strukturen. Dabei haben Zahnärzte (und das Team!) grundsätzlich eine ideale Position, weil sie innerhalb ihrer lokalen Gemeinschaften eine einflussreiche Position haben und sich dort einbringen können.

Sie kommen gerade von einem Kongress in Kapstadt? Worum ging es dort und was haben Sie mitgenommen?

Das ist die weltgrößte Konferenz, auf der die neuesten zahnmedizinischen Forschungsergebnisse präsentiert werden. Das IDZ hatte dort auch einen wissenschaftlichen Beitrag. Tatsächlich waren globale Ungleichheiten in der Gesundheit ein großes Thema, also das, was wir mit dem Beitrag zum gemeinsamen Risikofaktorenansatz auch in Deutschland in die Diskussion gebracht haben. Dazu gehörten auch Themen wie die Prävention frühkindlicher Karies. Aber auch Neues zu dentalen Biomaterialen, wie Bulk-Fill-Komposite wurde vorgestellt.

Apropos Afrika: Sie gelten als ausgewiesener Kenner für den Aufbau zahnmedizinischer Versorgungsprogramme im afrikanischen Raum. Gerade wurde die Krankenstation im Operndorf Afrika eröffnet. Beim Bau der Station waren Sie beratend tätig. Wie bewerten Sie das Projekt in der jetzigen Phase?

Ich freue mich, dass es nun gelungen ist, die baulichen Voraussetzungen für eine funktionierende Zahnstation zu schaffen. Wir haben uns bei der Vorbereitung zu einer primären Zahngesundheitsversorgung im Operndorf ja auch beteiligt durch eine epidemiologische Studie, um herauszufinden, welche Behandlungsbedarfe dort bestehen.

Und tatsächlich unterscheiden sie sich deutlich von den vorherrschenden Munderkrankungen in beispielsweise Gambia, wo wir seit den 1990er-Jahren tätig sind. Wichtig ist nun, die lokalen Zahnbehandler auf ihre Tätigkeit zielgerichtet vorzubereiten und Behandlungstechniken einzuführen, die unter den gegebenen Bedingungen auch langfristig einzuhalten sind. Dann bin ich davon überzeugt, dass die Krankenstation im Operndorf mit der integrierten Zahnstation dort sehr viel bewirken kann.

Sie sind aktuell auch mit der Erstellung der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) beschäftigt. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Gerade in der vergangenen Woche haben wir die sogenannte Feldphase abgeschlossen, also die Untersuchung der Probanden. Wir sind sehr froh, dass diese Studienphase so erfolgreich verlaufen ist. Dadurch, dass zum ersten Mal auch pflegebedürftige Menschen in die Studie eingeschlossen wurden, war nicht gut zu kalkulieren, wie uns das gelingen würde.

Nun wird es in den kommenden Monaten um die Auswertung dieses enormen Datensatzes gehen; anschließend werden wir mit dem Zusammentragen der Ergebnisse mit unseren jeweiligen Experten beginnen. Wir rechnen damit, dass der umfangreiche Forschungsbericht dann Ende 2015/Anfang 2016 präsentiert werden kann.

Die Fragen stellte Sara Friedrich.

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